Ein Wald aus Stein lüftet seine Geheimnisse
Dr. Ronny Rößler, Direktor des Museums für Naturkunde Chemnitz, nahm die Zuhörer der Kinder-Uni am 24. Juni 2012 mit auf eine faszinierende Reise 291 Millionen Jahre zurück in das Zeitalter des Perm
Der Chemnitzer Zeisigwald ist das Eruptionszentrum eines riesigen Vulkans. Vor etwa 291 Millionen Jahren brach er aus. Die Erde bebte. Asche- und Staubwolken wurden hoch in den Himmel geschleudert. Eine gewaltige Druckwelle breitete sich anschließend über der grünen Oase aus und zerstörte alles, was ihr im Weg stand. Große Schachtelhalmbäume knickten um wie Streichhölzer, zwei Meter große Riesen-Tausendfüßler und kleine Ur-Saurier wurden von der herabfallenden Vulkanasche meterhoch begraben. Die Überreste der Lebewesen werden so luftdicht abgeschlossen. Und Kieselsäure sorgte in der Folge dafür, dass sich die einst tropischen Bäume zu Stein verwandelten. All das und noch viel mehr erfuhren die Juniorstudenten am 24. Juni 2012 in der letzten Vorlesung der Kinder-Uni Chemnitz im Sommersemester.
Dr. Ronny Rößler, Direktor des Museums für Naturkunde Chemnitz, nahm die Kinder mit auf eine unterhaltsame und anschauliche geologische Reise in die Gesteinsschichten des Perms. Er berichtete von den ersten Entdeckungen von Fossilien in Chemnitz im Jahr 1752 und davon, dass der Begriff "Fossil" vom ehemaligen Chemnitzer Bürgermeister Georgius Agricola stammt und "das aus dem Boden Gegrabene" bedeutet. Seit jener Zeit wurde an mehreren Standorten in der Stadt Reste des versteinerten Waldes gefunden - manche eher zufällig bei Bauarbeiten, die meisten bei zielstrebigen Grabungen. Das wohl bekannteste Zeugnis der umfangreichen Arbeit der Paläontologen ist der "Versteinerte Wald", der heute im Kulturkaufhaus DAStietz vor dem Naturkundemuseum Chemnitz zu sehen ist.
Von 2008 bis 2011 erfolgte die erste wissenschaftliche Grabung an einem 18 mal 24 Meter großen Areal an der Frankenberger Straße. "Dort wurden mehr als 2.000 Funde sichergestellt und in 860 Kisten verpackt", sagte Rößler. Dazu gehören unter anderem 53 Stämme, 635 Gesteinsproben, drei Tausendfüßler und fünf Ur-Saurier. Und damit die handgroßen Saurier von den Wissenschaftlern besser unterschieden werden können, erhielt jeder einen eigenen Namen - nämlich Schnappi, Don, Lotte, Slusia und Helge. Auf die Frage des Museumsdirektors, wozu die Saurier Krallen benötigten, wussten einige Juniorstudenten sofort die richtigen Antworten - zum Fressen von Fleisch und zum Klettern auf den hohen Bäumen. Weltweit für Aufsehen sorgten aber auch die Abdrücke gepanzerter Spinnen, Skorpione und Schnecken.
Ein Fund, den Wissenschaftler bereits 2008 im Stadtteil Hilbersdorf fanden und freilegten, ist ein mehr als zehn Meter langer Schachtelhalm. Dank seiner Verzweigungen schrieb er Wissenschaftsgeschichte, denn der versteinerte kronenartig verzweigte Schachtelhalm mit mindestens zwölf Ästen und Achsen widerlegt die bisher gängige Annahme, dass diese Pflanzen im Perm ausschließlich unverzweigt vorkamen. Deshalb wurde der Chemnitzer Schachtelhalm von der Paläontologische Gesellschaft, die sich aus mehr als 1.000 internationalen Mitgliedern zusammensetzt, mit der Auszeichnung zum "Fossil des Jahres 2010" geehrt.
Die wissenschaftlichen Auswertungen der vielen gefundenen Fossilien wird sicher noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Faszinierend war sicher für viele der Juniorstudenten, wie Wissenschaftler im Computer das damalige Ölosystem und die Situation des Chemnitzer Vulkanausbruches vor 290 Millionen Jahren mit Hilfe der Fundstücke und deren Lage rekapitulieren können. "Sicher finden sich im Erdreich unserer Stadt noch viele steinerne Hölzer", meint Rößler. Deshalb gebe er die Hoffnung nicht auf, dass eines Tage in Chemnitz der Markplatz mit Kieselhölzern gepflastert wird und die Stadt somit erneut Geschichte schreibt. Bis dahin informiert weiterhin der YouTube-Kanal des Museums für Naturkunde Chemnitz über aktuelle Ausgrabungen und spektakuläre Funde.
Sponsor der Kinder-Uni ist dieses Semester die Volksbank Chemnitz eG.
Weitere Informationen: http://www.tu-chemnitz.de/kinderuni
Kontakt: Anja Schanze, Telefon 0371 531-13300, E-Mail kinderuni@tu-chemnitz.de
Mario Steinebach
24.06.2012