Eine eigene Meinung bilden
Der ehemalige TU-Student Werner Burkhardt wird für sein Ethik-Unterrichtsmaterial von der Deutschen UNESCO-Kommission ausgezeichnet
Ob Kinderarbeit in Marokko, die Verschleierung muslimischer Frauen oder die Armutsmigration - die Probleme der Globalisierung sind nach wie vor aktuelle und vor allem sehr komplexe Themen. Dank dem Lehrbuch "Das Boot ist voll" von TU-Absolvent Werner Burkhardt haben nun auch Schüler die Möglichkeit, sich frei von Fremdwörtern oder ideologischen Vorstellungen ein eigenes Bild von der zunehmend globalisierten Welt zu verschaffen. Gefallen findet die Dialogsammlung von Burkhardt und seinen Mitstreitern dabei nicht nur bei den Schülern. Auch die UNESCO-Kommission zeichnete das Projekt der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" aus, da gemäß dem Anliegen der weltweiten Bildungsoffensive der Vereinten Nationen sowohl Kindern als auch Erwachsenen nachhaltiges Denken und Handeln nahegebracht werden.
Inhaltlich greift das Buch verschiedene, mit der Globalisierung einhergehende, Probleme auf und thematisiert damit größtenteils unauflösbare Konflikte. "Es geht für die Schüler nicht darum, die Dilemmas zu lösen, sondern sie sollen die unterschiedlichen Sichtweisen erkennen", so Burkhardt und fügt hinzu: "Die Schüler sollen Fairness im Umgang miteinander lernen und eine Art Hilfe zum Leben erhalten." Um das Problembewusstsein der Schüler zu erweitern, werden die Streitthemen in Form von offenen Dialogen zwischen einem Herrn Kaiser und einem Herrn König dargestellt. Während Herr Kaiser einen weltläufigen Geschäftsmann, mit Hang zur Großzügigkeit aber auch zur Großspurigkeit, verkörpert steht Herr König für einen Gymnasiallehrer, der sich sein Wissen aus der Zeitung aneignet und viel Wert auf Genauigkeit legt. "Natürlich sind diese Dialoge oft sehr zugespitzt und enthalten viel Ironie, um die Schwierigkeiten klar auszudrücken, aber das Dilemma wird immer mit aufgegriffen", erklärt Burkhardt.
Die Idee zum Buch kam dem Hockenheimer während seines Magisterstudiums an der TU Chemnitz. Von 2003 bis 2011 studierte der heute 62-Jährige die Fächerkombination Philosophie, Politikwissenschaft und Erwachsenenbildung. "Mir fiel auf, dass viele Sachverhalte sehr komplex dargestellt werden, womit man als normaler Mensch nichts anfangen kann." Das wollte Burkhardt ändern und gewann für seine Pläne einen seiner Dozenten. Dr. Burkhard Müller unterrichtet Latein an der TU Chemnitz und schrieb gemeinsam mit Burkhardt an den Dialogen. "An der TU habe ich einige hochqualifizierte Menschen kennengelernt. Neben meinem Kommilitonen Uwe Stange, der nicht nur Mitbegründer der Unizeitung Tuchfühlung war, sondern auch das Buch mitentwickelt hat, halte ich auch meinen ehemaligen Philosophiedozenten Dr. Thomas Rolf für einen wahren Könner seines Faches." Unter anderem aufgrund seines ausgeprägten sozialen Netzwerkes, das sich Burkhardt während seines Studienaufenthaltes in Chemnitz aufbauen konnte, bereut er seinen späten Entschluss noch einmal zu studieren nicht. "Ich wurde wirklich gut von meinen Kommilitonen betreut, habe mich im Gegenzug aber auch für sie eingesetzt und wenn es sein musste einen Dozenten durchaus auch einmal zurechtgewiesen", so Burkhardt beim Rückblick auf seine Zeit an der TU Chemnitz.
Zurzeit schreibt Burkhardt an seinem dritten Lehrbuch, hat eine beratende Funktion beim mitteldeutschen Wirtschafts- und Kulturmagazin REGJO inne und betätigt sich außerdem bei der Lebensberatung. So entwickelte Burkhardt ein Modell für Eltern und Schüler, das bei der Erstellung der Bildungsempfehlung helfen soll. "Leider entwickeln manche Eltern falschen Ehrgeiz und wollen ihre Kinder aus den falschen Gründen auf das Gymnasium schicken. Im Rahmen von qualitativen Interviews arbeite ich zusammen mit den Eltern und Schülern. So lernen die Eltern, mit den Bedürfnissen ihrer Kinder umzugehen, und die Schüler lernen, sich selbst besser einzuschätzen", erklärt Burkhardt sein Vorgehen und kommt zu dem Schluss: "Es gibt in den nächsten Jahren noch so viel zu tun. Da ist die Rente für mich noch ganz weit weg. Entscheidend ist doch schließlich das, was im Kopf stattfindet."
(Autorin: Ina Huke)
Katharina Thehos
27.06.2012