Mehr als nur Fachwissen
In diesem Sommersemester nahmen 90 Studenten an der Vorlesung "Automotive Sensor" teil und lernten neben den Grundlagen der Automobilsensorik wichtige Schlüsselqualifikationen kennen
Was benötigt ein Ingenieur für seinen Beruf, fragte sich Prof. Dr. Olfa Kanoun von der Professur für Mess- und Sensortechnik 2006, als sie an der Universität Kassel Studenten von Volkswagen unterrichtete. Ist es ausreichend, Fachwissen zu besitzen? Nein, lautet ihre Antwort. Neben der fachlichen Kompetenz muss der Ingenieur bestimmte Schlüsselkompetenzen besitzen, wie wissenschaftliches Recherchieren, Berichte verfassen, präsentieren und aktiv diskutieren, um in der Industrie und in der Forschung erfolgreich zu sein, stellte Kanoun in Gesprächen mit verschiedenen Unternehmen fest. "Die Unternehmen berichteten, dass sie viele Ingenieure nicht zu Kunden schicken könnten, denn obwohl sie kompetent sind, fehlen ihnen bestimmte Fähigkeiten zur Kommunikation", erklärt die Dozentin.
Die Ursache liegt unter anderem in der geteilten Vermittlung von Fachwissen und Schlüsselqualifikationen. In vielen Seminaren und Vorlesungen würden die Studenten, nur eine Komponente kennenlernen. "Es ist jedoch sinnvoll, beides miteinander zu kombinieren, damit die Studierenden die Schlüsselqualifikationen zu dem Fach, das sie lernen, in integrierter Weise und nach dem Prinzip Learning by doing vermittelt bekommen", bemerkt Kanoun. Ihre positive Erfahrung nahm die Dozentin 2007 mit an die Technische Universität Chemnitz, wo sie seither die englischsprachige Vorlesung "Automotive Sensor" für Masterstudenten anbietet. Im Gegensatz zu anderen Vorlesungen besteht diese nicht nur aus der Vermittlung von Fachwissen in der klassischen Form. Innerhalb der Vorlesungszeit lernen die Teilnehmer Techniken kennen zum Recherchieren, Selektieren, Präsentieren, schriftlichen Dokumentieren und zum Diskutieren. Unterstützt werden Kanoun und ihre vier Wissenschaftlichen Mitarbeiter durch die Universitätsbibliothek, die den Studenten bestimmte Techniken zur Informationssuche vermittelt.
"Anfänglich habe ich das Seminar als fakultatives Fach, wo es nirgendwo angerechnet wird, angeboten, einfach aus reiner Überzeugung. Nachher wurde es fest in den Studiengängen Micro and Nano Systems, Automotive Software Engineering sowie Print- und Medientechnik angeboten", berichtet Kanoun von der Entwicklung ihrer Vorlesung. Während in den ersten Jahren lediglich bis zu zehn Studenten das Seminar meist aus eigenem Interesse besuchten, stieg die Zahl im Letzten auf 27 und seit dem Sommersemester 2012 auf über 90 Teilnehmer. "Es freut mich, dass unsere Studenten diese Lehrform so gut finden, denn es ist ein Wahlpflichtfach und kein Pflichtfach", sagt sie begeistert. Neben den eigentlichen Vorlesungstermine boten Prof. Kanoun und ihr Team in diesem Sommersemester Zusatztermine als Workshops zu Elektromobilität und gedruckten Sensoren an, um die hohe Teilnehmerzahl zu bedienen und planen, im nächsten Sommersemester die Vorlesung in mehreren kleineren Gruppen anzubieten.
Der Erfolg der Vorlesung liegt im Konzept. Alle Studierenden müssen zu Beginn des Semesters einen fünfminütigen Vortrag halten, der von den Kommilitonen bewertet wird. "Ich habe gemerkt, dass man von seinen Kollegen mehr lernt als von seinem eigenen Vortrag, denn die Kritik an einem selbst wird vielleicht nicht so gut angenommen. Allerdings wenn jemand Andere kritisieren darf, dann lernt er besser, welche Fehler passieren können und was nicht gut ankommt", begründet Kanoun diese Art des Feedbacks. Fünf Studierende kommentieren jeweils den Vortrag ihres Kommilitonen, wobei sich jeder auf einen anderen Aspekt wie Mimik, Gestik, Zeitmanagement, Inhalt und Aufbau des Vortrags konzentriert. Das Feedback ist dadurch sehr viel zielgerichteter. "Zum Ende des Seminars halten die Teilnehmer eine Abschlusspräsentation und viele konnten ihre Präsentationstechnik im Gegensatz zum ersten Vortrag wesentlich verbessern", berichtet Kanoun vom positiven Ergebnis.
Neben der Präsentationsfähigkeit verbessert sich bei den Teilnehmern ihre Diskussionsfähigkeit, wie Mohamed Omara vom Studiengang Micro and Nano Systems feststellte. Zu sehen wie andere etwas präsentieren und danach über das Thema zu sprechen, habe ihm geholfen, auf Fragen nach seinen Vorträgen zu reagieren. Sein Kommilitone Ali Abdulrazzaq gefiel hingegen, dass die Studenten die Perspektive von der Seite des Professors einmal erlebten. Das Sammeln von neuen Erfahrungen lobten wiederum alle Teilnehmer. Die erworbenen Schüsselqualifikationen konnten die Teilnehmer selbst noch Jahre später nutzen, beispielsweise bei der Präsentation von Forschungsergebnissen oder Konferenzgesprächen, erzählen mehrere ehemalige Teilnehmer wie zum Beispiel Sri Sai Phani Kanth Arekapudi und Abderahman Benchirouf. Die heutigen Wissenschaftlichen Mitarbeiter betreuen die Vorlesung von Prof. Kanoun mit und sind nur zwei Beispiel, die verdeutlichen wie effektiv es ist, Fachwissen und überfachliche Kompetenzen in einer Vorlesung wie "Automotive Sensor" zu integrieren, um den Teilnehmern eine optimale Voraussetzung für ihren Beruf zu bieten.
Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Olfa Kanoun, Telefon 0371 531-36931, E-Mail mst@tu-chemnitz.de.
(Autorin: Sandra Edel)
Katharina Thehos
30.07.2012