Ein Dienstag nach dem ersten Montag im November
Nachts in der Universität: Election Night lockte mit Referenten aus Deutschland und den USA - Veranstaltung endete erst gegen 4.15 Uhr
Was passiert am Dienstag nach dem ersten Montag im November in einem Jahr, das durch vier teilbar ist? Richtig: In den USA wird gewählt. Am 6. November 2012 war es wieder soweit; es ging um die Frage, wer in den kommenden vier Jahren das Land als Präsident führt, wer in den Senat und wer ins Repräsentantenhaus einzieht. Mitgefiebert wurde weltweit - auch an der Technischen Universität Chemnitz. Zahlreiche Studierende folgten der Einladung der Professur Europäische Regierungssysteme im Vergleich zur "Election Night" in den Raum N111 des Hörsaalgebäudes. Ab 18 Uhr wanderte das Mikrofon von Experte zu Experte, Professoren aus drei Fakultäten der TU berichteten aus transdisziplinärer Perspektive, Gäste aus Berlin, Frankfurt/Main und Mittweida diskutierten mit, zwei Liveschaltungen zu Gesprächspartnern in den USA rundeten die Informationsflut ab. Moderiert wurde die Veranstaltung von Michael Partmann von der Professur Europäische Regierungssysteme im Vergleich.
Den Auftakt des Abends machte der Inhaber dieser Professur, Prof. Dr. Gerd Strohmeier, der einen Überblick über das Wahlsystem in den USA gab. "Wer wird heute gewählt?", fragte Strohmeier und erklärte: "Als Wissenschaftler muss man mit Prognosen natürlich sehr vorsichtig sein. Aber ich kann sagen: nicht Mitt Romney. Und nicht Barack Obama. Denn gewählt werden erstmal nur die Wahlmänner. Diese treffen sich dann am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember zur Abstimmung. Der zukünftige Präsident braucht also nicht die Mehrheit der Wähler, sondern die Mehrheit der Wahlmänner." Egal, wer Präsident werde, das Regieren dürfte für beide Kandidaten in den kommenden vier Jahren schwierig werden: "Obama erreicht voraussichtlich keine Mehrheit im Repräsentantenhaus, Romney keine im Senat", erklärte Strohmeier.
Als nächstes ergriff Prof. Dr. Friedrich Thießen als Vertreter der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften das Mikrofon. Er verwies darauf, dass die US-Bürger seit 1980 immer weniger gespart haben: "2005 war die Sparquote sogar negativ." Stattdessen komme es immer häufiger zu Verschuldung. "Die Leute wollen sich verschulden, um mitzuhalten. Man konsumiert nicht, weil man Güter dringend braucht, sondern zum einen weil es Spaß macht, zum anderen aus Statusgründen", so Thießen. Medienforscher Prof. Dr. Peter Ohler nahm im Anschluss einige Wahlwerbespots von Barack Obama und Mitt Romney unter die Lupe. "Es gibt für solche Spots nur eine begrenzte Anzahl von Argumentationsmöglichkeiten. Erstens: Wir sind gut. Zweitens: Die anderen sind schlecht. Und drittens: Wir sind besser als die anderen." Aus der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften beteiligte sich Soziologe Prof. Dr. Johannes Kopp mit einem Vortrag über den "Melting Pot USA". Die These des Melting Pots sei jedoch nicht haltbar. Stattdessen schlug Kopp die Darstellung als multiethnische Gesellschaft vor, verbildlicht als "Salad Bowl" statt als "Melting Pot" - also Salatschüssel statt Schmelztiegel.
Per Skype aus Santa Barbara in Kalifornien wurde anschließend Prof. em. J. Theodore Anagnoson zugeschaltet, der über das amerikanische Gesundheitssystem sprach. Obama wolle das derzeit bestehende Gesundheitsfürsorgeprogramm (Medicare) weiter ausbauen; Romney dagegen plant eine teilweise Privatisierung "Wenn Mitt Romney gewählt wird, hat er angekündigt, die Eigenverantwortung der Bürger deutlich stärker in den Vordergrund zu stellen", so Anagnoson.
Bei einer Podiumsdiskussion kamen anschließend fünf - regionale und überregionale - Vertreter aus Medien, Wirtschaft und anderen Hochschulen zu Wort. Kurz nach 23.30 Uhr ging eine weitere Liveschaltung in die USA. Journalist und Buchautor Dr. Jan Philipp Burgard meldete sich aus dem Fox News-Studio in Florida. Partmann stellte ihm die typische Einstiegsfrage für Liveschaltungen im Fernsehen: "Wie ist die Stimmung bei Ihnen vor Ort?" Burgard erzählte, er sei am Vortag noch mit Obama-Anhängern unterwegs gewesen: "Der Enthusiasmus war nicht so groß wie vor vier Jahren", so Burgard. Zudem berichtete er von Schwierigkeiten im Vorfeld der Wahl: von Wählern, die fünf Stunden anstehen mussten, von defekten Wahlmaschinen und Komplikationen in einigen von Wirbelsturm Sandy betroffenen Gebieten in New York und Ney Jersey.
Anschließend stand die Nacht im Zeichen der Wahlergebnisse. Die Übertragung des amerikanischen Senders CNN lief auf der Leinwand, Michael Partmann kommentierte die Geschehnisse, eine Hochrechnung nach der anderen lief ein - und trotz einiger früher Hinweise auf gute Signale für einen Obama-Sieg blieb ein klares Ergebnis erst mal aus. "Gegen 4.15 Uhr haben wir die Veranstaltung beendet, bis dahin hatten tatsächlich noch mehr als 40 Studierende durchgehalten", berichtet Partmann. Bis sich die Ergebnisse zugunsten Barack Obamas erhärteten, dauerte es dann noch eine reichliche Stunde.
Die Veranstaltung wurde von der Hanns Martin Schleyer-Stiftung und der Robert Bosch Stiftung unterstützt.
Katharina Thehos
07.11.2012