Funktionsstörungen des Gehirns auf der Spur
Professur Künstliche Intelligenz der TU Chemnitz erforscht gemeinsam mit Partnern aus Berlin und Japan die Verschaltungen in den Basalganglien des Gehirns
Krankheiten wie Parkinson, Chorea Huntington und das Tourette-Syndrom gehen zurück auf Störungen der Basalganglien. Diese sitzen im Gehirn und sind beteiligt an einer Vielzahl von kognitiven und motorischen Funktionen. Um ihre Arbeit besser verstehen zu können, haben die Wissenschaftler der Professur Künstliche Intelligenz der Technischen Universität Chemnitz ein Computermodell entwickelt. Dieses bauen sie jetzt gemeinsam mit deutschen und japanischen Wissenschaftlern weiter aus. Im Projekt "Funktion und Rolle der Verschaltungen in den Basalganglien: Von einfachen zu mehrfachen Schleifen" kooperieren die Chemnitzer Informatiker mit Forschern des Charité Universitätsklinikums in Berlin und des National Institute for Physiological Sciences im japanischen Okazaki. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Japan Science and Technology Agency (JST) fördern das Projekt für drei Jahre mit 500.000 Euro.
Basalganglien arbeiten eng zusammen mit dem Cortex - also der Gehirnrinde - und dem Thalamus - einem Teil des Zwischenhirns. "Basalganglien, Cortex und Thalamus bilden eine Architektur paralleler, aber interagierender Schleifen", sagt Prof. Dr. Fred Hamker, Inhaber der Professur Künstliche Intelligenz. Seine Arbeitsgruppe hat auf Grundlage ihres bestehenden Computermodells Vorhersagen getroffen über die Zusammenarbeit dieser drei Gehirnbestandteile. Diese überprüft das deutsch-japanische Projektteam nun mit Hilfe elektrophysiologischer Experimente. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei konkrete Fragen. Erstens: Wie trägt das externe Segment des Globus pallidus zur Verarbeitung durch die Basalganglien bei? Und zweitens: Wie interagieren getrennte Basalganglienschleifen, die die Bewegungsplanung und -ausführung unterstützen?
Die neu erlangten empirischen Ergebnisse fließen wiederum in das Chemnitzer Computermodell ein. Anschließend werden die Forscher systematisch untersuchen, wie sich Schädigungen und Veränderungen im Gehirn auf das Modell auswirken. Dazu lassen sie das Computermodell kognitive und motorische Aufgaben lösen. Gleichzeitig stellen sie dieselben Aufgaben einer Gruppe Patienten mit Erkrankungen der Basalganglien. "Die Modellveränderungen und Schädigungen, die - über verschiedene Aufgaben hinweg - die Verhaltensdefizite der Patienten reproduzieren, werden Einblicke in die neuronalen Funktionsstörungen liefern, die den Erkrankungen zugrunde liegen", so Hamker.
Über dieses Projekt ist die TU Chemnitz nun auch Teil des "Bernstein Netzwerkes Computational Neuroscience", einer Förderinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. In diesem Netzwerk arbeiten Biologen und Mediziner gemeinsam mit Informatikern, Ingenieuren, Mathematikern, Psychologen und Physikern daran, experimentelle Ergebnisse der Hirnforschung in mathematische Modelle zu überführen und diese mit Hilfe von Computersimulationen zu testen. So wollen die Wissenschaftler die Funktion des Gehirns besser verstehen und neue Behandlungsmethoden für krankhafte Veränderungen finden. Deutschlandweit forschen in diesem Netzwerk Arbeitsgruppen an derzeit 29 Standorten.
Weitere Informationen zum Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience: http://www.nncn.de/ueberuns/struktur
Kontakt: Prof. Dr. Fred Hamker, Telefon 0371 531-37875, E-Mail fred.hamker@informatik.tu-chemnitz.de.
Katharina Thehos
02.07.2013