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Mini-Kapsel in der Blase verbessert Diagnose

Chemnitzer Elektrotechniker und Kölner Mediziner entwickeln ein Messsystem, um den Druck in der Harnblase über 72 Stunden zu ermitteln - Auszeichnung durch die Deutsche Gesellschaft für Urologie

Messungen des Drucks in der Harnblase über einen gewissen Zeitraum - sogenannte urodynamische Messungen - werden seit mehr als 40 Jahren durchgeführt. "Allerdings sind die Ergebnisse gemäß Literatur in bis zu 58 Prozent ohne einen pathologischen Befund, obwohl deutliche klinische Beschwerden bestehen", sagt Prof. Dr. Jan Mehner, Inhaber der Professur Mikrosystem- und Gerätetechnik an der Technischen Universität Chemnitz. Dies könne daran liegen, dass die bisherigen Messungen nur über 20 bis 30 Minuten Dauer stattfinden. "Der Bedarf einer Langzeiturodynamik war immer gegeben, konnte allerdings bislang ohne Messkatheter nicht realisiert werden", erklärt Mehner den Hintergrund eines Forschungsprojektes, bei dem die Professur für Mikrosystem- und Gerätetechnik der TU Chemnitz und die Klinik und Poliklinik für Urologie an der Uniklinik Köln kooperieren. Das Projekt wird an der Universität Köln vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Die Chemnitzer Elektrotechniker und die Kölner Mediziner entwickelten ein Messsystem, das eingesetzt werden soll zur Diagnostik bei einer überaktiven Blase und bei Detrusorüberaktivitäten. "An überaktiver Blase leiden hauptsächlich Frauen - etwa 71 Millionen in Europa", sagt Privatdozent Dr. Sebastian Wille von der Uniklinik Köln. Symptome sind unter anderem plötzlicher heftiger Harndrang und häufiges Wasserlassen. "Bei betroffenen Patienten muss abgeklärt werden, ob auch eine Detrusorüberaktivität vorliegt", erklärt Wille. Dies ist eine unwillkürliche Kontraktion des Blasenmuskels, die häufig zu Urinverlust führt. "Nur wenn hier eine eindeutige Diagnose gestellt werden kann, ist auch eine optimale Therapie möglich, da überaktive Blase und Detrusoraktivitäten unterschiedlich behandelt werden", so Wille weiter.

Mit dem auch als Wille-Kapsel (WiKa) bezeichneten Messsystem haben die Chemnitzer und Kölner Wissenschaftler nach eigenen Angaben erstmals die Grundlage für eine katheterlose Langzeiturodynamik geschaffen. Von dem Konzept, bestehend aus drei Komponenten, verspricht sich das Team wegweisende Diagnosen, die eine gezieltere Therapie gestatten und Patienten vor unangenehmen medikamentösen Nebenwirkungen verschonen. Herzstück des Sensorsystems ist die Messkapsel, die endoskopisch in die Harnblase eingebracht wird und über einen Zeitraum von drei Tagen den Druck misst. "Der Einsatz eines MEMS-Drucksensors ermöglicht im medizinischen Anwendungsbereich erstmals Baugrößen, die eine endoskopische Implantation ermöglichen", so Dr. Dirk Tenholte, der das Projekt an der Professur Mikrosystem- und Gerätetechnik betreut. MEMS steht für "Mikro-Elektro-Mechanisches System" - die Bauteile haben eine Größe von circa vier mal vier Millimetern. "Trotz der geringen Baugröße und der damit verbundenen Limitation bei der Energieversorgung ist es uns durch die Entwicklung effizienter Messalgorithmen gelungen, eine Messzeit von über 72 Stunden zu erreichen", ergänzt Tenholte. Die beiden weiteren Komponenten des Systems sind eine Inkontinenzhose/-vorlage zur Detektion von unwillkürlichem Urinverlust und ein digitales Miktionstagebuch.

Die ersten Tests des Messsystems, das bisher noch nicht am Menschen erprobt wurde, bewerten die Wissenschaftler als Erfolg. "Da auch die Untersuchungen zur Biokompatibilität ohne Beanstandung waren, planen wir für Anfang 2014 die ersten klinischen Tests des neuen Sensorsystems", sagt Dr. Wille und ergänzt: "Nachdem wir erfolgreich die Funktions- und Einsatzfähigkeit des Systems nachweisen konnten, werden wir in den nächsten Monaten einen Industriepartner für die kommerzielle Produktentwicklung suchen."

Studierende sind an ausgezeichneter Forschung beteiligt

"Das Forschungsprojekt passt inhaltlich in das Profil des Studiengangs Biomedizinische Technik, der dieses Wintersemester im zweiten Jahr gemeinsam von der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik sowie der Fakultät für Informatik der TU Chemnitz in enger Kooperation mit dem Klinikum Chemnitz angeboten wird", sagt Prof. Mehner und erklärt: "Einige der inhaltlichen Schwerpunkte des Studiengangs sind der Einsatz von MEMS in der Medizin und die Entwicklung neuer Algorithmen zur Messdatenerfassung und -analyse." Mehrere Studenten sind in Form von Abschlussarbeiten und als studentische Hilfskräfte an diesem Projekt beteiligt. Aktuell arbeitet ein Student an der Software zum Auslesen und Auswerten der Messdaten.

Für Aufsehen gesorgt hat die Forschung aus Köln und Chemnitz bereits bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) in Dresden Ende September 2013. Die Wissenschaftler erhielten hier den ersten Vortragspreis. Im Vorfeld war die Präsentation über das Kapselsystem zur katheterlosen Langzeiturodynamik bereits auf dem nordrhein-westfälischen und südwestdeutschen Regionalkongress auf großes Interesse gestoßen.

Weitere Informationen erteilt Dr. Dirk Tenholte, Telefon 0371 531-33220, E-Mail dirk.tenholte@etit.tu-chemnitz.de.

Katharina Thehos
18.11.2013

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