Der Entdecker des Germaniums wird 175
Ein Rückblick zum halbrunden Geburtstag auf das Leben von Clemens Alexander Winkler, seine Ausbildung in Chemnitz und sein Vermächtnis
Wir schreiben das Jahr 1838. Ein bewegtes Jahr, in dem nicht nur das erste europäische Dampfschiff in New York einlief und Charles Dickens seinen heute weltberühmten Roman "Oliver Twist" veröffentlichte. Nein, denn im beschaulichen Freiberg erblickte am 26. Dezember 1838 ebenso ein Junge das Licht der Welt, der diese nachhaltig bereichern sollte. Die Rede ist von Clemens Alexander Winkler und seiner Entdeckung des chemischen Elements Germanium. Der Weg zu diesem bedeutenden wissenschaftlichen Vermächtnis führte ihn dabei unter anderem an die Königliche Gewerbschule Chemnitz - einer direkten Vorgängereinrichtung der heutigen Technischen Universität. Grund genug also, anlässlich seines 175. Geburtstages auf sein Leben und Schaffen zurückzublicken.
Als Sohn eines Metallurgen und Chemikers geboren, besuchte Winkler zunächst eine Privatschule, um anschließend am Gymnasium Freiberg und einer Dresdner Realschule zu lernen. Sein Bildungsweg führte ihn dann, auch auf Empfehlung seines Vaters hin, von 1855 bis 1856 an die Königliche Gewerbschule Chemnitz. Diese hatte zu dem Zeitpunkt bereits rund zwei Jahrzehnte existiert und vor allem im Bereich der Naturwissenschaften einen exzellenten Ruf. Hier erwarb der junge Winkler im Rahmen seines Studiums der Chemie schließlich auch die Wissensgrundsteine, die ihm später - nach einem kurzen praktischen Intermezzo im Blaufarbenwerk Niederpfannstiel - den Weg zur Freiberger Bergakademie ebneten. Dem Ort, an dem er nach seiner Promotion zum Thema "Verbindungen des Siliziums" bereits 1873 zum Professor für Theoretische und Analytische Chemie sowie Chemische Technologie berufen wurde und der schließlich bis zu seinem Tode im Jahr 1904 seine einzige Wirkungsstätte bleiben sollte.
Neben einer Vielzahl wissenschaftlicher Forschungen und Publikationen, unter anderem zum Thema Gasanalysen, ist die Entdeckung des chemischen Elements Germanium wohl als die herausragende Leistung Winklers zu nennen. 1885 wurde er mit der Analyse eines bis dahin unbekannten Gesteins, des Argyrodits, beauftragt. Nach sorgfältiger Aufschlüsselung aller bekannten Bestandteile, darunter zum Großteil Silber und Schwefel, fehlten allerdings noch ganze sieben Prozent. Eben diese ließen Winkler von da an keine Ruhe mehr. Schnell dämmerte ihm, dass er möglicherweise einem neuen Element auf der Spur war. Nach der mühsamen Umwandlung des fehlenden Stoffes in sein Sulfid, gelang es dem passionierten Chemiker am 6. Februar 1886 letztlich, das reine Halbmetall zu isolieren. Dieses taufte er - wie in jenen nationalstolzen Zeiten üblich - nach seinem Heimatland Germanium. Seine Entdeckung bestätigte die theoretische Vorarbeit zum Periodensystem der Elemente von Dimitri Iwanowitsch Mendelejew, der die Existenz eines Elementes, das er Eka-Silicium nannte, mit diesen Eigenschaften vorausgesagt hatte. 1894 traf Winkler zum ersten Mal persönlich mit Mendelejew zusammen und 1900 entstand auf der 200-Jahr-Feier der Preußischen Akademie der Wissenschaften ein Bild der beiden Gelehrten.
Der entdeckte Soff, mit dem zunächst praktisch nichts anzufangen war, entpuppte sich spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts als Glücksfund für die voranschreitende technische Entwicklung. Als Halbleiter fand Germanium unter anderem Verwendung in der Herstellung von Dioden und Transistoren. Mittlerweile ist der Stoff auf diesem Gebiet zwar größtenteils durch Silizium und andere halbleitende Stoffe verdrängt worden, in einigen Bereichen ist Germanium aber nachwievor gefragt. So setzt man aufgrund seiner Durchlässigkeit für infrarotes Licht beispielsweise bei der Produktion von Linsen für Spektroskope, anderen optischen Geräten und Thermogeneratoren noch heute auf den von Winkler entdeckten Stoff. Das mögen für Laien zwar Nischenanwendungen sein, dennoch ist jeder wahrscheinlich schon mit dem seltenen Element in Kontakt gekommen. Unter anderem verwenden Juweliere eine Legierung aus 12 Prozent Germanium und 88 Prozent Gold aufgrund des niedrigen Schmelzpunktes zum Löten. Zahntechniker stellen aus dieser Verbindung Goldkronen her.
(Autor: Martin Blaschka)
Mario Steinebach
23.12.2013