Der Baustatiker unter den Informatikern
Elf Fragen an Prof. Dr. Steffen Becker, der seit Oktober 2014 Inhaber der Professur Softwaretechnik ist
Prof. Dr. Steffen Becker (37) ist seit Oktober 2014 Inhaber der Professur Softwaretechnik an der Fakultät für Informatik. In elf Antworten gibt er den Lesern von „Uni aktuell“ Einblicke in seinen Werdegang, seine Ziele und seine Zeit in Chemnitz.
Was versteht man eigentlich unter Softwaretechnik?
Softwaretechnik befasst sich mit der Frage, wie komplexe Software in großen, teils global verteilten Teams, zeitgerecht, kostengünstig und hochqualitativ erstellt werden kann. Dabei wird nicht nur die Entwicklung und Inbetriebnahme fokussiert, sondern insbesondere auch die Wartung, da sie in aller Regel den größten Teil der Kosten verursacht.
Die TU Chemnitz ist für mich als Professor die richtige Wahl, weil...
...sie als Technische Universität einen starken Fokus auf Ingenieurdisziplinen hat, wie sie die Softwaretechnik auch ist. Insbesondere in der Fakultät für Informatik gibt es zukunftsweisende Forschung im Bereich der Parallelen und Verteilten Systeme, in die ich mich mit meiner Forschung sehr gut einbringen kann.
Stellen Sie uns kurz Ihre akademische Laufbahn vor.
Ich habe Wirtschaftsinformatik an der TU Darmstadt studiert. Nach dem Diplom wechselte ich dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Universität Oldenburg. Von dort ging der Weg ans Karlsruher Institut für Technologie, bedingt durch einen Ruf an meinen Doktorvater, Prof. Reussner. Nach zwei weiteren Jahren am Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe, wo ich Technologietransfer in die Industrie betrieben habe, wechselte ich als Juniorprofessor an die Universität Paderborn. Dort erreichte mich dann im Sommer 2014 der Ruf an die TU Chemnitz.
Beschreiben Sie Ihre Studienzeit in maximal 15 Worten.
Mein Studium war spannend, herausfordernd, motivierend und sehr abwechslungsreich – besonderes mein Auslandspraktikum in Südafrika.
Hatten Sie während Ihrer Studienzeit Vorbilder, die Sie zur wissenschaftlichen Karriere ermutigt haben?
Meine Professoren in Darmstadt für Software Engineering und Operations Research haben mich immer inspiriert. Ebenso unser Professor für Kryptographie, bei dem ich als studentischer Tutor gearbeitet habe, hat mein Interesse an einer Laufbahn als Professor geweckt.
Was geben Sie jungen Studierenden und Absolventen mit auf den Weg?
Als Softwaretechniker erinnere ich sie meist noch einmal daran, dass das Lernen im Berufsleben erst richtig beginnt. Denn Teamarbeit an großen Projekten kann keine Universität vermitteln. Die Erfahrung, in einem großen Team an einem Programm zu arbeiten, das Millionen von Codezeilen hat, ist einmalig und in aller Regel nur im Beruf zu erwerben.
Was möchten Sie künftig in der Lehre erreichen?
Ich versuche, in meiner Lehre als Softwaretechniker immer gleichermaßen Theorie und Praxiserfahrungen zu kombinieren. Da die Praxiserfahrung eines großen Projekts nicht an einer Universität nachgestellt werden kann, stelle ich mich stets von neuem der Herausforderung, möglichst plastisch und nachvollziehbar zu schildern, wie solche Projekte in der Praxis ablaufen. Dazu muss ich natürlich auch selbst regelmäßig, zum Beispiel durch Industriepartnerschaften, Einblicke in diese Projekte bekommen.
Welche Impulse setzen Sie in der Forschung an der TU Chemnitz?
In meiner Forschung geht es um die frühzeitige Analyse und Bewertung der Qualitätseigenschaften der zu erstellenden Software. Das kann man sich vorstellen, wie bei einem Baustatiker, der ja auch berechnet, ob eine Brücke oder ein Hochhaus stehen bleiben werden, ohne dass man diese testweise mal bauen würde, nur um festzustellen, dass sie eben doch umfallen. Besondere Herausforderung derzeit ist dabei, dass Software in immer mehr und vor allem auch immer schwerer planbaren Umgebungen eingesetzt wird. Sie findet sich ja heutzutage in nahezu allen Bereichen des Lebens wieder.
Es gibt rund 45.000 Professoren an deutschen Hochschulen. Was hebt Sie ab?
Ich denke, dass ich mich durch eine spannende Mischung aus Theorie und Praxis abheben kann. Diese Mischung, die für mein Fach von besonderer Bedeutung ist, ermöglicht es mir, anwendungsnahe Themen in der Forschung zu bearbeiten und in der Lehre plastische Beispiele zumindest aufzeigen zu können.
Welchen Ort in Chemnitz zeigen Sie Gästen am liebsten?
Ich bin ja gerade erst in die Stadt gezogen. Bislang gefällt mir der Kaßberg besonders gut. Die Masse an alten Gebäuden mit ihrer einzigartigen Architektur hat ihren besonderen Charme. Wenn dann noch die Lichtverhältnisse wie jetzt gerade im Herbst mitspielen, dann kann man dort sehr schöne Eindrücke aufsammeln.
Wie bringen Sie sich ins Leben der Stadt ein?
Sobald ich mich richtig eingelebt habe und meine Professur wieder geregelt arbeitet, werde ich sicher versuchen, meine Expertise den Unternehmen in der Stadt und dem Umkreis zur Verfügung zu stellen und erhoffe mir dabei im Gegenzug von diesen neue spannende Forschungsfragen für die Softwaretechnik zu bekommen, um diese dann angehen zu können.
Weitere Informationen zur Professur: https://www.tu-chemnitz.de/informatik/ST
Katharina Thehos
20.11.2014