Das Geschenk der Zeit
Die Absolventin und ehemalige Uni-Mitarbeiterin Janine Richter koordiniert heute ein ehrenamtliches Projekt zur sozialen Nachsorge für Hochwasserbetroffene
Als sich Janine Richter an der Technischen Universität Chemnitz für den Diplomstudiengang der Soziologie einschrieb, lag bereits eine angefangene Beamtenlaufbahn hinter ihr. Aus München zog es sie zurück in die Heimat, um ihr Interesse an den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhängen in Kombination mit psychologischer Verhaltensforschung zu vertiefen. Trotz dem anfänglichen Wunsch nach mehr Praxisnähe, erfuhr die aus Limbach-Oberfrohna stammende 30-Jährige dort mehr über das theoretische Fundament sozialer Arbeit. Einen Schlüsselmoment für die Bestimmung ihres weiteren Werdegangs stellten dann ihre ersten praktischen Tätigkeiten dar, in welchen sie ihre Eignung für die Arbeit mit Menschen als ihr Zukunftsmodell entdeckte.
Insgesamt kann Janine Richter bereits auf jede Menge Praxiserfahrungen zurückblicken. Während des Studiums arbeitete sie drei Monate im Polizeipräsidium Chemnitz im Bereich der Kriminalprävention. Sie organisierte Informationsveranstaltungen und widmete sich deren Evaluation. Ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit lag dabei in der Früherziehung, die Kinder und Jugendliche davor bewahren soll, in kriminelle Milieus abzurutschen. Noch vor der Vollendung ihrer Diplomarbeit fand Janine Richter 2011 eine Anstellung bei der Agentur für Arbeit, für die sie Kontakt zu Unternehmen herstellte. Die hier gesammelten Erfahrungen konnte die Diplom-Soziologin einbringen, als sie drei Jahre später als Mitarbeiterin beim Mentosa-Projekt der TU Chemnitz tätig war. Das heute als MentYou umstrukturierte Projekt widmet sich der Suche von unternehmerischen Mentoren aus Sachsen, die Studierenden und Promovierenden in ihrem letzten Jahr vor dem Abschluss beratend zur Seite stehen können. Für die TU-Absolventin waren diese Anforderungen optimal auf ihr Know-how zugeschnitten. Nicht nur konnte sie Kontakte zu Arbeitgebern aus ihrer früheren Tätigkeit bei der Arbeitsagentur akquirieren, sondern nutzte auch dort erlernte Fertigkeiten aus der Arbeit mit den Arbeitssuchenden. Darunter fallen die Beratung zur Arbeitsmarktsituation genauso wie die Analyse von individuellen Stärken und Schwächen, die sie gemeinsam mit den angehenden Absolventen durchführte. Ihr Hauptaugenmerk lag dabei auf der Vermittlung beider Parteien. Sei es Unternehmen anzusprechen, Auswahlgespräche zu führen oder Aufgaben der Projektdurchführung – Janine Richters Wirken hatte immer eine soziale Komponente.
Nachdem ihre Anstellung, die auf ein halbes Jahr befristet war, endete, wurde die 30-Jährige auf eine Ausschreibung des Malteser Hilfsdienstes aufmerksam. Über die Aktion „Deutschland hilft!“ sollte in Chemnitz ein Ehrenamtlichen-Dienst der Malteser etabliert werden. Mit Bezug auf das landesweite Hochwasser 2013 lag der Fokus dabei auf der sozialen Nachsorge für Hochwasserbetroffene. Janine Richter wurde als eine der sachsenweit gesuchten Projektkoordinatorinnen eingestellt und suchte von nun an nach Hochwasserbetroffenen und Ehrenamtlichen, die sich ihnen annehmen. „Viele gerade ältere Betroffene sahen sich wieder mit Kriegssituationen konfrontiert oder haben schlicht niemanden, der sie besucht“, erklärt sie die Notlage der Hochwasserbetroffenen. „Die Ehrenamtlichen schenken dann den Betroffenen Zeit für einen Spaziergang oder ein Gespräch“, so die Diplom-Soziologin. Dabei sei der Umgang mit den Schicksalen der Betroffenen für sie selbst ein notwendiger Lernprozess gewesen.
In ihrer Arbeit trägt Janine Richter die Alleinverantwortung für den Standort Chemnitz und steht dabei vor einigen Herausforderungen. Für Werbung stehen ihr nicht viele Mittel zur Verfügung und so ist Netzwerkarbeit auch in Verbindung zu städtischen Organisation gefragt. Zusätzlich bereitet sie die Ehrenamtlichen in speziellen Seminaren, an deren Ende ein Zertifikat zum jeweiligen erworbenen Kompetenzbereich steht, vor. Von der Dachorganisation wird der Projektkoordinatorin in ihrer Tätigkeit viel Vertrauen entgegengebracht. „Ich bin sehr frei in meiner Arbeit und kann mir Aktionen einfallen lassen, meine Arbeitszeit frei einteilen und entscheiden, an wen ich herantrete“, so die Absolventin.
Für die Zukunft wünscht sie sich, dass sich dieses Angebot als langfristiger Besuchsdienst etabliert. „Ich war erstaunt, wie engagiert und uneigennützig die Ehrenamtlichen arbeiten. Das sind Menschen, die gern etwas zurückgeben möchten“, teilt sie ihren Eindruck. Darüber hinaus konzentriert sich der Dienst nicht nur auf Hochwasserthemen. „Einsamkeit ist eigentlich das Thema, welches das Projekt bestimmt. Die Menschen zu erreichen, die einsam sind, aber keine Unterstützung in Anspruch nehmen, ist unsere immer größer werdende Aufgabe“, stellt Janine Richter abschließend voran.
(Autor: Andy Schäfer)
Katharina Thehos
04.02.2015