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Sparen ist immer mit Kompromissen verbunden

Prof. Dr. Friedrich Thießen über Hintergründe des Sparens und wie man in Niedrigzins-Zeiten sein Geld trotzdem gut anlegen kann – Ein Interview

Deutschland, so sagt man, ist ein Land der Sparer. Doch das stimme mit aktuellen Erhebungen nicht überein. Gerade mal rund 50 Prozent der Deutschen legen Geld beiseite. Die andere Hälfte spare nicht, sagt Prof. Dr. Friedrich Thießen, Inhaber der Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der Technischen Universität Chemnitz. Im Interview für „Uni aktuell“ spricht er über die Geschichte des Sparens, das Sparverhalten der Deutschen und warum Zinsen und Sparen wenig miteinander zu tun haben.  

Herr Prof. Thießen, warum spart der Mensch?

Ohne Nahrungsaufnahme kann der Mensch nicht lange leben. Die Notwendigkeit zur Vorsorge kann als Beginn des Sparens betrachtet werden. Nach dem Sesshaftwerden füllten Menschen Vorräte in Töpfe, verschlossen sie und hängten Zeichen über den Inhalt an. Das war der Beginn der Schrift. Später sparte man auch in Metallen. Daraus entwickelte sich das Münzgeld, wie wir es heute kennen. Sparen ist also etwas Uraltes und von zentraler Bedeutung für Menschen.

Gibt es weitere Gründe für das Sparen?

Man unterscheidet das Sparen aus dem Vorsorgemotiv und aus dem Spekulationsmotiv. Im ersten Fall will man für Notzeiten vorsorgen. Im zweiten Fall will man aus einer günstigen Wertentwicklung Vorteile ziehen. Zum Vorsorgesparen gehört auch, sich durch besonders bedeutende Vorräte, zum Beispiel inForm von Vermögen, in der gesellschaftlichen Hierarchie nach oben zu arbeiten. Wer oben steht, lebt sicherer.

Gibt es unterschiedliche Arten zu sparen?

Man kann das Sparen nach den Instrumenten einteilen, in denen man spart. Dazu gehören Bargeld, Spareinlagen, Wertpapiere und Sachvermögen. Man kann auch nach den Motiven des Sparens unterscheiden, also Vorsorge oder Spekulation. Oder man unterscheidet nach den Wirkungen wie Zins-, Wachstums- und Stabilisierungseffekte.

 

"Wer zu viel spart, verschlechtert seine Lebensqualität, weil er nicht konsumieren kann."

 

Gibt es auch Fehler, die man als Sparer machen kann?

Fehler gibt es viele. Ein vielleicht exotisches aber leicht verständliches Beispiel: Wer sein Geld in chinesische Ming-Vasen anlegt und es kommt ein Erdbeben, der kann mit leeren Händen dastehen.

Historisch gesehen waren auch Deutsche Reichsanleihen (von der Regierung herausgegebene Wertpapiere mit festen Zinsen und Laufzeiten, um den Staatshaushalt zu unterhalten, Anm. d. Red.) keine gute Idee. Wer demgegenüber im letzten Krieg noch besohlte Schuhe hatte, war King. Vermögen in Form von Wald wurde nicht bombardiert. Eine gute Ausbildung war im Nachkriegsboom von Nutzen.

Wer in Pfandbriefen spart, weil er denkt, dahinter stehen reale Immobilien, hat Pech, wenn eine Inflation kommt. Denn der Pfandbrief verbrieft nur eine nominale Geldforderung, aber keinen direkten Anspruch auf die Immobilie – so passiert 1923 (gemeint ist die Hyperinflation der Weimarer Republik, Anm. d. Red.).

Wer zu viel spart, verschlechtert seine Lebensqualität, weil er nicht konsumieren kann. Ich nutze wieder ein eher ausgefallenes Beispiel: Im Schwarzwald wurden Bäume geschlagen, die inzwischen schon so lange lagern, dass sie verrotten. Wer hingegen zu wenig spart, auf den kann eine Katastrophe warten. Wieder ein exotisches, aber eingängiges Beispiel: Wenn ein Vulkanausbruch à la Krakatau (gemeint ist der Ausbruch im August 1883, der massive weltweite Auswirkungen hatte, Anm. d. Red.) kommen sollte, dessen Asche die Erde mehrere Jahre umkreist und das Klima so verändert, dass der Anbau von Feldfrüchten unmöglich wird, dann wird derjenige, der nicht für mehrere Jahre Lebensmittel eingelagert hat, diese Zeit nicht überleben.

 

"Es ist ein großer Irrtum, das Sparverhalten primär mit den niedrigen Zinsen in Verbindung zu bringen."

 

Lohnt Sparen trotz niedriger Zinsen?

Es ist ein großer Irrtum, das Sparverhalten primär mit den niedrigen Zinsen in Verbindung zu bringen. Wer aus Vorsorge spart, wird dies selbst bei negativen Zinssätzen tun – sonst hat er in der Not nichts. Und wer aus spekulativen Gründen zurücklegt, der hofft auf Preissteigerungen. Ob sie oder er zwischenzeitlich Zinsen erhält oder nicht, spielt dabei kaum eine Rolle. Sparen und Zinsen haben entgegen der landläufigen Meinung relativ wenig miteinander zu tun. Fragen Sie sich selbst, ob Sie Ihr Sparen wegen niedriger Zinsen eingeschränkt haben: sehr wahrscheinlich nicht. Nützlich kann es jedoch sein, bei niedrigen Zinsen besser darüber nachzudenken, wie man spart.

Wie lässt sich das Sparverhalten der Deutschen beschreiben?

Die deutschen Haushalte sparen im Schnitt etwa zehn Prozent ihres Einkommens. Früher waren es sogar bis zu 15 Prozent. Insgesamt gesehen wird zu viel gespart. Notzeiten sind selten geworden. Es geht derzeit fast immer aufwärts. Die Sparmittel können im Inland gar nicht verwendet werden. Sie fließen deshalb ins Ausland. Wir haben einen riesigen Kapitalexport, der viele Länder ärgert, vor allem die US-Regierung. Die Beträge sind so groß, dass wir von diesem gesparten Geld möglicherweise nicht mehr viel wiedersehen werden. Es sind im übertragenen Sinne die eben beschriebenen verlorenen Holzstapel des Schwarzwaldes. Volkswirtschaftlich gesehen sparen aber nicht nur Private, sondern auch der Staat und der Unternehmenssektor können sparen.

Welche Generationen-Unterschiede sehen Sie beim Sparen?

Dass die jüngeren Generationen weniger sparen als die älteren – so eine viel gehörte Vermutung – kann man nicht sagen. Es ist eher so: Kinder sparen ihr Taschengeld und kaufen sich dann irgendwann einmal etwas Großes. Jüngere Familien nehmen Kredite auf, um ihre Immobilie zu erwerben – sie entsparen. Ältere haben ihr Haus getilgt und legen ihr Einkommen zurück – sie sparen also. Den Älteren bleibt gar nichts anders übrig. Denn sie haben einen „sparsamen“ Lebensstil im Lauf ihres Lebens entwickelt, an den sie sich gewöhnt haben und den sie nicht aufgeben wollen. Was sollen sie also mit dem überschüssigen Einkommen machen? Sie legen es zurück.

Gibt es Bevölkerungsgruppen, die besser sparen als andere?

Was heißt „besser“? Etwa die Hälfte der Bevölkerung spart nicht einmal einen Cent. Sie verlässt sich auf die staatlichen Versorgungsleistungen, die alle denkbaren Notlagen abdecken. Wozu soll man da sparen? Die ganz Reichen sparen extrem viel. Wie sollen sie ihr Geld auch ausgeben? Der Mensch hat als biologisches Wesen nur bestimmte Bedürfnisse. Mehr Konsum schafft nicht immer mehr Befriedigung. Es können auch nicht alle unendlich viel investieren, denn die Wirtschaft wächst derzeit nur mit etwa zwei Prozent pro Jahr. Manche gründen Stiftungen und helfen anderen in Notlagen. Wenn ganz Reiche ihr Geld in Form von überdimensionierten Yachten oder selten genutzten Appartements anlegen, ist das volkswirtschaftliche Verschwendung, weil dieses Geld praktisch nur einen ganz minimalen Nutzen stiftet.

 

"Grundsätzlich gilt, dass sich die Menschen zu viel um die Zukunft sorgen. Sie haben zu wenig Zutrauen in eine positive Entwicklung."

 

Wie wichtig ist das Thema Sparen für Studierende? Lohnt es sich für sie, Geld zurückzulegen?

Nach der Theorie des Lebenseinkommens, die sogenannte ‚Permanente Einkommenshypothese‘, versucht jeder Mensch, seine Ausgaben über die Lebenszeit zu glätten. Das hieße für Studierende, einen Kredit aufzunehmen und einen gehobenen Lebensstil zu pflegen. Dazu würde ich nicht unbedingt raten. Aber viel zu sparen, ist auch unsinnig. Manche Banken raten, frühzeitig in Aktien zu investieren, um an der langfristig sicheren und hohen Rendite für die Rente zu partizipieren. Aber: Jedes Zurücklegen ist mit momentanem Konsumverzicht verbunden, und man muss abwägen, wie viel einem sofortiger und späterer Konsum aus der späteren Sicht wirklich wert ist. 100 Euro heute zurückgelegt können einem sehr wehtun, während 300 Euro im Zuge eines erfolgreichen Berufslebens einen Klacks darstellen.

Grundsätzlich gilt, dass sich die Menschen zu viel um die Zukunft sorgen. Sie haben zu wenig Zutrauen in eine positive Entwicklung. Es wird alles gut werden. Studierende sollten nicht mehr sparen, als die nächste größere Ausgabe kostet, das kann der Umzug oder das nächste Fahrrad sein. Nach dem Studium sollte man dagegen vom Einkommen ordentlich zurückzulegen, um genug Eigenkapital für Immobilienbesitz aufzubauen. Eine größere Immobilie ist im Regelfall mit mehr Zufriedenheit verbunden.

Für mehr Erträge, wo soll man am besten anlegen?

Die Zinsen sind niedrig, aber die Wirtschaftsleistung steigt. Man muss dort investieren, wo man an der steigenden Wirtschaftsleistung partizipiert – mit all den damit verbundenen Risiken. Das können Aktien, aber auch eine eigene Unternehmung sein. Den Vorsorgeteil des Sparens, also den Anteil für kurzfristige Anschaffungen und Notlagen, muss man liquide halten. Da kommt man an den niedrigen Zinsen nicht vorbei.

Es gibt neben diversen Finanzprodukten auch die sogenannten Exchange-Traded-Funds (ETFs), also Investment Fonds, die an der Börse gehandelt werden und gerade einen Boom erleben. Haben ETFs das Sparverhalten der Deutschen beeinflusst?

Die Deutschen lassen sich in Gelddingen durch fast nichts beeinflussen – außer durch Modeerscheinungen. ETFs sind eine gute Möglichkeit, zu einer preiswerten diversifizierten, also gestreuten, Vermögensanlage zu gelangen. Banken haben sie nie aktiv angeboten und viele Deutsche haben sie nicht nachgefragt. Heute gibt es einen Hype um diese Produkte. Es werden jetzt Varianten angeboten, die mit hohen Kosten verbunden sind. Ich befürchte, genau die werden jetzt gekauft.

Gibt es Spartipps, die in der Gesellschaft unterschätzt werden?

Tausende! Das Problem ist die Gier der Menschen. Vernünftiges Sparen ist immer mit Kompromissen verbunden. Das wollen die Menschen nicht hören. Sie wollen die eierlegende Wollmilchsau. Sie wollen den Geheimtipp, das Insiderwissen, sie wollen von allem das Maximale und das ohne Risiko. Wer mit einem vernünftigen Rat kommt, wird eher belächelt. Grundsätzlich gilt: Hohe Renditen kommen mit hohem Risiko. Wer schnell viel will, muss viel riskieren. Wer diversifiziert, verstetigt. Überraschungen erlebt, wer Risiken eingeht, die er nicht einschätzen kann, so wie es aktuell etwa bei Kryptowährungen wie „Bitcoin“ der Fall ist.

 

"Als Faustregel kann gelten: So viel Rente anstreben, wie die späteren Freunde und Nachbarn haben werden. Dann fällt man gesellschaftlich nicht zurück. Das ist erfahrungsgemäß ein wichtiger Baustein für das eigene Glück."

 

Soll man für die Altersvorsorge auch privat vorsorgen?

Das wüsste ich auch gerne. Man muss in jungen Jahren abschätzen, wie man sich im Alter fühlen und was man dann für Ziele haben wird. Wenn man zum Beispiel weiß, dass man im Alter gerne im Garten seines Häuschens vor sich hin pusseln wird, braucht man nicht viel Geld und sollte in der Jugend lieber konsumieren. Wenn man sich aber an einen ausgabefreudigen Lebensstil in jüngeren Jahren gewöhnt, wird man im Alter vielleicht nicht mehr davon abweichen wollen. Wer sich bewusst teure Pläne für sein Alter ausmalt, muss frühzeitig viel zurücklegen. Als Faustregel kann gelten: So viel Rente anstreben, wie die späteren Freunde und Nachbarn haben werden. Dann fällt man gesellschaftlich nicht zurück. Das ist erfahrungsgemäß ein wichtiger Baustein für das eigene Glück.

Haben Sie gute Tipps für Sparfüchse?

Für vernünftig orientierte Sparfüchse empfehle ich die billigsten ETFs eines soliden Anbieters auf Standardaktienportfolios. Damit wird man langfristig am sichersten eine gute Rendite erzielen.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Nina Schreyer, Pressestelle und Crossmedia-Redaktion.

Matthias Fejes
14.06.2018

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