Karrieren in Preußen ‒ Frauen in Männerdomänen
Jahrestagung der Preußischen Historischen Kommission widmete sich vom 1. bis 3. November 2018 der Gender-Perspektive in der maskulin-dominierten Monarchie der Hohenzollern
Die preußische Monarchie wird primär mit maskulinen Herrschaftsallegorien besetzt – die preußischen Uniformen der „Langen Kerls“, die strenge Disziplin in den Militärkorps oder die Tafelrunde Friedrichs des Großen, an der nur Männern die Teilnahme gestattet war, prägen hier weithin das Bild. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Einführung des Frauenwahlrechtes in Deutschland 1918 setzte die diesjährige Expertentagung der Preußischen Historischen Kommission – organisiert vom Chemnitzer Institut für Europäische Geschichte in Kooperation mit dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin – hierzu einen Kontrapunkt. Gefragt wurde nach den Handlungsspielräumen weiblicher Akteure in preußisch-deutschen Männerdomänen unter Bezugnahme auf Perspektiven der Frauen-, Gender- und Sozialgeschichte. Vier Sektionen spannten den Bogen vom alltäglichen Leben der Frauen in ihrem Arbeitsumfeld, über Kunst, Militär, Politik und Diplomatie.
Prof. Dr. Angelika Schaser (Hamburg) rekonstruierte in ihrem Beitrag „Quellen der Kreativität in geschlechter-geschichtlicher Perspektive“ und verwies darauf, dass die Voraussetzung der Kreativität das Genie ist, welches jedoch männlich definiert sei und eine automatische Unterordnung der Frau bewirke. In Kombination mit den gesellschaftlich auferlegten Rollen wurden Frauen an der Herausbildung von Kreativität gehindert. Persönlichkeiten, denen dies dennoch gelang, stellte Dr. Birgit Verwiebe (Berlin) anhand von Gemälden der Alten Nationalgalerie Berlin vor. Deren Bestand umfasst 1800 Gemälde, doch nur 34 Werke (1,9 Prozent) entsprangen den Pinseln von Malerinnen und auch diesen wenigen gelang ihr Erfolg nur, weil sie aus Künstlerfamilien stammten, teuren Privatunterricht erhielten oder bedeutende männliche Förderer besaßen.
Die Sektion „Militär“ verdeutlichte, dass Frauen in dieser eindeutig von Männern geprägten Domäne gleichwohl am Krieg beteiligt waren – als Mägde, Dirnen oder Gastgeberinnen. Ausnahmen stellten die als Männer verkleideten Kombattantinnen dar. Frauen wurden dabei vielfach zum Symbol stilisiert und fungierten entweder negativ als Feindbilder wie Maria Theresia, oder positiv als Heldinnen im Sinne der „Jungfrau von Orléans“. Die Vorträge von Prof. Dr. Marian Füssel (Göttingen) „Unsichtbare Zeuginnen? Frauen im Siebenjährigen Krieg“ und Dr. Thomas Weißbrich (Berlin) „Frauen in Uniform. Ein preußischer (Alb-)Traum“ thematisierten damit verbundene Ambivalenzen. Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Inhaber der Professur für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der TU Chemnitz und Vorsitzender der Preußischen Historischen Kommission, verwies in seinem Resümee auf die Quellen-, Wahrnehmungs- und Deutungsprobleme, die mittels ihrer sexistischen Aufladung das damalige Weltbild prägten und die Forschung bis heute beeinflussen.
Das galt auch für die am letzten Konferenztag behandelte Thematik, welche die Rolle der Frau in „Politik und Diplomatie“ und deren Handlungsspielräume in der dynastisch bestimmten Fürstengesellschaft in den Blick nahm. Prof. Dr. Birgit Aschmann (Berlin) vermittelte einsichtsvoll, wie die erste deutsche Kaiserin Augusta als „political player“ politische Macht durch das Arrangieren dynastischer Heiratsbeziehungen zu erringen bestrebt war. Dr. Pauline Puppel (Berlin) vermaß am Beispiel von Bismarcks Ehefrau Johanna Handlungsoptionen von Diplomatengattinnen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen.
Die diesjährige Tagung zeichnete sich durch eine Verbindung der oftmals aus der Zeit gefallen scheinenden Preußenforschung mit Aspekten der als modern geltenden Genderwissenschaft aus. Preußische Themen erwiesen durch diese ungewohnte Verbindung, einmal mehr, ihre ungebrochene Aktualität.
Die Tagungsergebnisse werden im Berliner Verlag Duncker & Humblot als Buchveröffentlichung 2019 erscheinen.
(Autorin: Antonia Sophia Podhraski)
Mario Steinebach
13.11.2018