Partizipationspraktiken in Genossenschaften
Welche Partizipationspraktiken lassen sich in den gegenwärtigen deutschen Genossenschaften beobachten? Welche Diskurse der Partizipation lassen sich identifizieren?
Diesen Leitfragen soll im Projekt mit Hilfe einer (Neu)Aufarbeitung der konzeptionellen und empirischen Forschungsliteratur sowie der Durchführung von Einzelfallstudien in genossenschaftlichen Betrieben nachgegangen werden.
Seit jeher beanspruchen genossenschaftliche Betriebe eine Vorbildstellung für partizipative Organisationen. Theoretische als auch empirische Studien formulieren jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich Partizipation in Genossenschaften.
Kritisiert wird die „sukzessive Entdemokratisierung“ durch das Genossenschaftsmanagement (Ringle 1990) oder die „Mitgliederapathie“ (Patera 1980). Die empirische Forschung zum Thema stellt starke Oligarchietendenzen in den wachsenden Genossenschaften fest (Runkel 2003) oder thematisiert Partizipation als „Farce“, da diese oftmals über ritualisierte Stimmabgaben zu den vorgefertigten Listen der Vertreterinnen und Vertreter kaum hinausreicht (Bonus 1994).
Die Studie zielt darauf ab, mit Hilfe des empirischen Materials und einer in der Organisationsforschung verankerten sozialkonstruktivistischen Perspektive die aktuellen Partizipationspraktiken in den Genossenschaften sowohl in ihren Handlungsmustern als auch in ihrer diskursiven Bearbeitung zu erfassen.
Im Projekt werden vor allem drei Fragen adressiert:
- In welchem Ausmaß besitzt das Ideal der partizipativen Demokratie sinnstiftende Wirkung für das Management, die Mitglieder als auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Genossenschaften und prägt die existierenden Partizipationspraktiken?
- Welche Bedeutung kommt den Formen der repräsentativen Partizipation, vor allem der Institution des Betriebsrats, in den Genossenschaften zu?
- Im welchen Verhältnis stehen die Partizipation der Mitglieder und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Genossenschaften?
Das Hauptaugenmerk der Untersuchung richtet sich auf die Durchführung von Einzelfallstudien in Genossenschaften unterschiedlicher Größe und Branchenzugehörigkeit. Dabei wird ein Design der vergleichenden Fallstudien von jeweils vier kleinen (bis 50 Mitglieder), mittleren (51 bis 1.500) und großen Genossenschaften (mehr als 1.500 Mitglieder) gewählt. Um eine möglichst breite Darstellung der Partizipationspraktiken zu erreichen, wird ein Vergleich von etablierten und sogenannten ‚neuen‘ Genossenschaften angestrebt.
Die Fallstudien bestehen jeweils aus drei Komponenten:
- qualitative Interviews mit Genossenschaftsvertretern
- Diskursanalyse auf Basis der Betriebskommunikate (Satzungen, Geschäftsberichte, Mitarbeiter- und Mitgliederzeitungen)
- teilnehmende Beobachtungen der öffentlichen Veranstaltungen in Genossenschaften