Thesen zu den Handlungsfeldern des Arbeitskreises
A. Anforderungen an Mathematiklehrpläne für Gymnasien
A.1 Den wesentlichen Inhalt bilden die kulturellen elementarmathematischen Errungenschaften, das Grundvokabular der mathematischen Fachsprache, das korrekte logische Argumentieren und Schließen, das Erkennen und Formalisieren struktureller Gemeinsamkeiten. Im Sinne der Studienbefähigung werden die notwendigen mathematischen Grundlagen für den Beginn voneWiMINT-Studiengängen gelegt.
A.2 Im Geiste einer begründenden Wissenschaft zielen Mathematiklehrpläne darauf ab, dass der Lehrstoff aufbauend und ohne inhaltliche Lücken erklärend vermittelt wird. Nicht propädeutisch begründ- und vermittelbare Inhalte sind, unabhängig von deren gesellschaftlicher Bedeutung, für die Schulmathematik nicht geeignet.
Bei hoher gesellschaftlicher Bedeutung mag in anderen Schulfächern der Einsatz fortgeschrittenerer mathematischer Techniken auch ohne deren Verständnis unvermeidbar sein; für eine mathematische Einführung sollte dort auf entsprechende Hochschulstudiengänge verwiesen werden.
A.3 Bei der Lösung mathematischer Aufgaben, egal ob mit oder ohne Anwendungsbezug, ist die mathematisch nachvollziehbare Entwicklung und Begründung eines Lösungs- oder Rechenwegs das Lehrziel und nicht die Ermittlung einer Zahl. Beschreibt ein mathematischer Ausdruck die Lösung korrekt und ist auch eine Zahl gefragt, kann die abschließende Berechnung per Taschenrechner erfolgen. Die Umsetzung im Taschenrechner muss dabei selbsterklärend und ohne vorherige Kenntnis des Geräts möglich sein.
A.4 Anwendungen und elektronische Medien unterstützen die Veranschaulichung und Vermittlung mathematischer Inhalte und Erkenntnisse, sie sind jedoch selbst weder Zweck noch Lehrinhalt des Mathematikunterrichts.
Der Einsatz mathematischer Konzepte in der Modellierung und Berechnung realer Anwendungen ergibt sich in den Fächern wie Informatik, Physik, Chemie und Wirtschaftskunde von selbst und bewirkt, dass die Vorteile abstrakter Begriffsbildung und anwendungsunabhängiger Erkenntnisse über deren breite Einsatzbarkeit auch für Schüler erkennbar werden.
A.5 In Ausrichtung auf Studium und Beruf werden etablierte mathematische Begriffe auch in der Schule inhaltlich konsistent mit der Fachsprache eingeführt und angewendet. Insbesondere hat in der Lehre und in Aufgabenstellungen ein Beweis stets den fachmathematischen Ansprüchen eines Beweises zu genügen.
In Ausnahmefällen können rein schulmathematische Begriffsbildungen aus didaktischen Gründen unverzichtbar sein, sie sind möglichst zu vermeiden. So erfordert etwa das reale Leben die Bearbeitung von Problemstellungen, die nicht mit schulüblichen Operatoren formuliert sind.
B. Anforderungen an schriftliche Abiturprüfungen im Fach Mathematik
B.1 Eine Mathematiknote "gut" (>= 10 Punkte) im Abiturzeugnis dient als verlässlicher Nachweis der Beherrschung der für den Beginn eines WiMINT-Studiengangs notwendigen mathematischen Grundlagen ohne weitere Vorbereitung. Weder Abitur noch Schulmathematik sind Selbstzweck.
B.2 Dem aufbauenden Charakter der Mathematik entsprechend werden die elementarmathematischen Grundlagen aus Sekundarstufe I und II in vergleichbarer Gewichtung geprüft.
B.3 In der Bearbeitung der Aufgaben steht die eigenständige Ermittlung, Darstellung und Begründung eines geeigneten Lösungswegs, gegebenenfall bis zu einem elektronisch berechenbaren mathematischen Ausdruck, im Vordergrund. Die Bewertung berücksichtigt vorrangig diesen Aspekt, Zahlenwerte sind nur sekundär von Interesse.
Da Taschenrechner mit Computeralgebrasystem (CAS-Rechner) für schulübliche Aufgabenstellungen die Lösungswege bereits Schritt für Schritt ausgeben können, erschweren sie die Erstellung von aussagekräftigen Abituraufgaben und die Beurteilung der Kompetenzen der Schüler. Ihr Einsatz ist im Abitur kontraproduktiv. Aus Sicht der in der Schule zu vermittelnden und im Abitur zu überprüfenden mathematischen Fähigkeiten ist in beiden Abiturteilen der Einsatz elektronischer Hilfsmittel eher hinderlich und langfristig verzichtbar.
B.4 Textaufgaben beschränken sich sprachlich auf die dringend erforderlichen Elemente, die für die exakte Beschreibung der zugrundeliegenden mathematischen Aufgabenstellung erforderlich sind.
Echte Modellierungsaufgaben sind für Prüfungssituationen meist zu anspruchsvoll. Sprachlich komplizierte Anwendungseinkleidungen vertrauter Aufgabenmuster benachteiligen überwiegend Schüler mit Lese-Rechtschreibschwäche, authistischen Zügen oder Migrationshintergrund. Das Abitur in Mathematik prüft das Verständnis der mathematischen Fachsprache und die Fähigkeit, Lösungswege mathematischer Aufgabenstellungen mathematisch korrekt zu beschreiben, nicht aber die sprachlichen Fähigkeiten.
C. Medien
C.1 Das "Vormachen" und "Nachahmen" sind zentrale Stützpfeiler menschlichen Lernens und dies gilt auch für den Mathematikunterricht. Kreidetafel und elektronische Medien dienen Lehrern und Schülern dabei parallel als unterstützende Arbeitsflächen und Illustrationswerkzeuge. Wesentliche gedankliche oder konstruktive Schritte logischer oder geometrischer Natur sind stets im Einzelnen durchzuführen und darzustellen.
C.2 Das Erlernen des Umgangs mit elektronischen Medien und komplexen mathematischen Werkzeugen ist nicht Ziel des schulmathematischen Unterrichts.
C.3 Unterrichtsmaterialien und insbesondere Lehrbücher eröffnen den Schülern einen unabhängigen zweiten Weg zu einem vertieften Verständnis des Schulstoffs. Sie entlasten die Lehrkräfte bei der Bereitstellung geeigneter Übungsaufgaben. Lehrbücher beachten dabei A.5 in besonderer Weise.
Auch bei elektronischen Aufgaben ist die Ermittlung, Darstellung und Begründung des Lösungswegs das Ziel und nicht ein dabei anfallender Ergebniswert. Insbesondere sollen Lehrkräfte erkennen können, bei welchen gedanklichen Schritten noch Schwierigkeiten bestehen.
D. Lehramtsausbildung und Fortbildung
D.1 Didaktische Fähigkeiten und fachliche Kompetenz bilden gemeinsam die Grundlage erfolgreichen Unterrichts. Aus- und Fortbildungen sind auf Erhalt und Erweiterung beider Aspekte gleichermaßen ausgerichtet.