0 0
 
 

Die Gründung Portugals ist eng mit der Person Afonso Henriques (dt.: Alfons I.) verbunden. Gibt es auch noch so viele Geschichten um seine Verdienste für das Land, so muss man bereits bei der Suche nach seinen Lebensdaten feststellen, dass einige Ungereimtheiten auftauchen. Ob Afonso Henriques im Jahre 1108 oder 1109[1] geboren ist, vermag niemand genau zu sagen. Die Mehrheit der Wissenschaftler scheint sich jedoch für letzteres Jahr auszusprechen und geht zudem davon aus, dass die Stadt Coimbra sein Geburtsort ist. Fest steht, dass er als Sohn Heinrichs von Burgund und Theresias von Kastilien geboren wurde. Diese erhielten von Theresias Vater, König Alfons V. von Kastilien, die Grafschaft Portucale.

Nach dem frühen Tode von Afonsos Vater im Jahre 1112 übernahm zunächst Theresia die Regentschaft. Aufgrund ihrer Liaison mit dem galizischen Grafen von Trava strebte sie die Vereinigung der Grafschaft Portucale mit dessen Territorium an. Dabei stieß sie jedoch auf den Widerstand ihres eigenen Sohnes, der die Unabhängigkeit der portugiesischen Grafschaft anstrebte. Am 28. Juni 1128, in der Schlacht von São Mamede, einem Ort in der Nähe von Guimarães, unterlagen Theresias Truppen den militärischen Kräften Afonsos[2].

Das als Portucale bezeichnete Herrschaftsgebiet war begrenzt auf die nördliche Region zwischen Minho und Leiria. Im südlichen Teil des heutigen Portugals herrschten muslimische Mauren. Die Bedrohung durch die Araber sowie die noch immer andauernde Abhängigkeit von Kastilien-Leon prägten Afonsos Amtszeit. Unter ihm begann Portucale, sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen und nach Süden auszudehnen. Dies brachte ihm auch den Titel Alfons der Eroberer ein. Zunächst besiegte er Kastilien-Leon bei den Schlachten um Cerneja (1137) und Val-de-Vez (1139). Der Triumph über ein maurisches Truppenkontingent in der Schlacht bei Ourique (1139) war für die Unabhängigkeitsbestrebungen von Afonso Henriques entscheidend. Seit diesem Sieg führte er den Titel Afonso I., König von Portugal[3]. Daher ging das Jahr 1139 als Gründungsjahr des portugiesischen Königreiches in die Geschichte ein.

Afonso Henriques, der bis zu seinem Tod am 6. Dezember 1185 regierte, gilt als der erste König Portugals und begründete zugleich die Dynastie der portugiesischen Könige aus dem Hause Burgund.

Im Estado Novo (dt.: Neuer Staat) fokussierte sich die Erinnerung an die Gründung des Landes auf den ersten König, der als Befreier der Nation zur Gründerfigur erhoben wurde. Daraus resultiert, dass die Erinnerung an Afonso Henriques im heutigen Portugal in Form von Monumenten allgegenwärtig ist.

Im Portugal dos Pequenitos (dt.: Portugal der Kleinen), einem in der Zeit des Estado Novo in Coimbra erbauten Themenpark für Kinder, findet man eine Statue, die Afonso Henriques darstellt. Das Denkmal steht relativ zentral in dem Themenpark, so dass die Besucher es kaum übersehen können. Es zeigt den König als Kämpfer zu Pferde, triumphierend mit erhobenem Schwerte und zu seinen Füßen die bezwungenen Mauren. Dieses Monument steht auf einem breiten Sockel, in den die Orte eingeprägt sind, die unter Afonso Henriques in verschiedenen Schlachten erobert werden konnten. Die Darstellung greift den historischen Ereignissen voraus: Während Afonso sich hier noch im Kampf gegen die Mauren befindet, deutet sein Wappen bereits den Sieg an. Die kreuzförmig angeordneten Schilde stehen für die Eroberung maurischer Festungen.

Bezeichnenderweise erleidet das sonst so makellose Image Afonsos hier einen 'Kratzer': Erosionen am Monument konnte der fest im Sattel sitzende König vermutlich nicht abwehren, so dass ihm sein Schwert behelfsmäßig mit einer blauen Wäscheleine festgebunden werden musste.

Besonders deutlich wird die ideologische Funktion Afonsos als Erinnerungsort nationaler Identität, wenn man die Inschrift betrachtet, die sich an der Vorderseite dieses Denkmals befindet. Sie besagt: Fixem as Crianças este Nome, esta Figura e esta Idéa, 1940 (dt.: Kinder behaltet diesen Namen, diese Figur, diese Idee, 1940). Die Funktion des Erinnerungsortes Afonso Henriques findet sich im Sinne der Erziehung zur Vaterlandsliebe ebenfalls in den Schulbüchern des Estado Novo wieder. Das Buch der dritten Klasse widmet dem ersten portugiesischen König einen kompletten Text. Der abschließende Satz verdeutlicht die rhetorische Rolle von Afonso Henriques als Gründungsmythos der souveränen Nation Portugal:

"Als der Held die Augen schloss und in den Sarg sank, war die Unabhängigkeit Portugals bereits auf all diesen Siegen stark gefestigt. Noch heute ist unsere Flagge - wenn wir sie hissen, um der Welt die Unabhängigkeit Portugals zu beweisen - ein Ruf des Ruhmes, der durch die Luft geht und den Namen nennt: Afonso - der Gründer!"[4]

Auch im Innenhof des Castelo de São Jorge, der Burg von Lissabon, befindet sich eine Statue von Afonso Henriques. Die hochgelegene Festung war zur Zeit der Süderoberung der Kern der Stadt und Mittelpunkt der Verteidigung durch die Araber. Die Figur steht auf einem hohen Sockel und zeigt Afonso als Feldherr in Rüstung, mit gezücktem Schwert und einem Schild, in das das Wappen der Grafschaft Portucale eingeprägt ist. Sie ist eine Kopie der Statue, die in Guimarães unterhalb der Burg errichtet wurde. Das Original wurde um das Jahr 1910 mit der Einführung der Republik und somit noch vor dem Estado Novo erbaut[5]. Jedoch erfuhr die Statue einen Standortwechsel von der Praça do Toural im Zentrum von Guimarães an den Rand des Burggeländes. Die Verlegung könnte mit der Wiedereinweihung der Festung im Jahre 1940 zusammengefallen sein und darin begründet liegen, dass der Staat versuchte, den Gründungsmythos noch stärker zu betonen, indem er den Vater der Nation nahe der 'Geburtsstätte' Portugals platzierte.

In selbstbewusster Haltung scheint der König seine Gegner zu erwarten. Allerdings deutet die Position seines Schildes nicht darauf hin, dass er eine Verteidigung für notwendig erachtet. Die Aufstellung der originalen und kopierten Statue an zentralen Orten und die Darstellung des Königs könnten widerspiegeln, wie positiv das Salazar-Regime die portugiesische Vergangenheit bewertete und sich möglicherweise selbst im Lichte der Politik des 20. Jahrhunderts sah: Weder von europäischer noch von kolonialer Seite fühlte sich der Staat bedroht oder sah einen Grund, sich ernsthaft verteidigen zu müssen.

Im Gegensatz zu jenem Denkmal, auf dem Afonso sein Schwert förmlich an die Hand gebunden ist, hält er es nun auf den beiden Burgplätzen ganz selbstständig. Die Statuen sehen gepflegt und unbeschädigt aus. Der gute Zustand der Figuren könnte der Tatsache geschuldet sein, dass sie sich an Orten befinden, an denen dem König größere internationale Beachtung von touristischer Seite geschenkt wird.

Es ist nicht möglich, Portugal zu bereisen, ohne Afonso Henriques in Form von Statuen und Gemälden überall zu begegnen. Seine Denkmäler sind stets so errichtet worden, dass sie zentral und unübersehbar sind. Die Darstellung erfolgt dabei immer auf ein und dieselbe Weise. Ein hierfür repräsentatives Bild hängt im Rathaus von Guimarães: Afonso Henriques ist lebensgroß dargestellt. Im Hintergrund ist die Burg von Guimarães abgebildet. Wie üblich trägt er eine Rüstung und ist zudem in einen roten, majestätisch wirkenden Umhang gekleidet. In stolzer Pose hält er in der einen Hand sein Schwert, in der anderen sein Schild. Auf diesem ist auch deutlich das Wappen der Grafschaft Portucale zu sehen: ein blaues Kreuz auf silberfarbenem Grund. Obwohl dieses Motiv nie in die portugiesische Flagge aufgenommen wurde, ähnelt es den blauen Schilden, die sich auf dieser wieder finden.

Als Afonsos wichtigstes Verdienst gilt, dass er Portugal ermöglichte, sich zu dem zu entwickeln, was es später wurde: ein souveräner Staat und eine Entdeckernation. So verwundert es nicht, dass der Eroberer in dem landesweiten TV-Wettbewerb Os Grandes Portugueses (dt.: Die großen Portugiesen), der von Oktober 2006 bis März 2007 dauerte, den vierten Platz belegte [Link TV-Sendung]. Damit liegt Afonso vor allen anderen Königen, die unter die beliebtesten Portugiesen gewählt wurden. Sogar das Stadion des Fußballclubs Vitória de Guimarães, in dem während der Europameisterschaft 2004 Gruppenspiele ausgetragen wurden, ist nach dem ersten portugiesischen König benannt (Estádio Dom Afonso Henriques). Dies zeigt den hohen Stellenwert, den er noch heute in der portugiesischen Bevölkerung innehat.

Melanie Preisner, Bianca Dost und Lena Förster



[1] Vgl. Ruhl 1993: 167.
[2] Vgl. Anderson 2000: 28.
[3] Vgl. ebd.
[4] Ministério da Educação Nacional (o.J.): 20.
[5] Vgl. Zona de tourismo de Guimarães 2004: 13.



Bibliografie:

  • Anderson, James Maxwell (2000): The History of Portugal. Westport, Conn.: Greenwood Press.
  • Ministério da Educação Nacional (Hg.) [o.J.]: O livro da terceira classe. [o.O.]: [o.V.].
  • Ruhl, Klaus-Jörg (1993): Spanien-Ploetz. Die Geschichte Spaniens und Portugals zum Nachschlagen. Freiburg i. Br., Würzburg: Ploetz.
  • Zona de tourismo de Guimarães (Hrsg.) (2004): Weltkulturerbe. Stadtführer Guimarães. [o.O.]: [o.V.].

Zurück zu Gedenken | Gründungsmythen