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Visuelle Kommunikation und Mediensoziologie
Visuelle Kommunikation und Mediensoziologie
Visuelle Kommunikation und Mediensoziologie 

"Das Bild als soziologisches Problem. 
Herausforderungen einer Theorie visueller Sozialkommunikation"

Tagungsveranstaltung
12. – 14. November 2015

Programm

  • Susanne Regener (Siegen), Phantombilder: Über das Versprechen des vergleichenden Sehens.
  • Jo Reichertz (Essen), Visualisierungen als Mittel der Erkenntnisgewinnung.
  • Bernt Schnettler (Bayreuth), Bilder in Bewegung: Visualisierung in der Wissenschaftskommunikation.
  • Klaus Neumann-Braun (Basel), Privatfotografie und Social Web.
  • Roswitha Breckner (Wien), Visuelle Kommunikation auf Facebook. Eine biographieanalytische Perspektive.
  • Angela Keppler (Mannheim), Zum Beispiel Instagram: Über den Gebrauch von Bildern innerhalb alltäglicher Konversationen.
  • Anne Sonnenmoser (Essen), In effigie. Das Bild als Sinnhorizont körperlicher Selbstdarstellung.
  • Michael R. Müller (Chemnitz/Essen), Deixis am Bild – Über den fotografischen Umbau sozialer Situationen.
  • Jeanette Böhme (Essen), Morphologie des Bildes: Ikonische Kompositionen sozialer Sinnformen.
  • Jürgen Raab (Landau), Formverweise und Sinngestalten. Überlegungen zu einer wissenssoziologischen Symboltheorie fotografischer Bilder.
  • Hans-Georg Soeffner (Essen), Die Geste in der Fotografie.
  • Mathias Blanc (Lille) & Hubert Knoblauch (Berlin), Religion im Bild. Der Papst in Deutschland und das Publikum.
  • Aglaja Przyborski (Wien), Handeln in und mit Medien.
  • Aida Bosch (Erlangen), Das Bild als Aktant.
  • Felix Keller (St. Gallen), Nach der ‚Bilderflut‘ – anonyme Fotografien.
  • Ruth Ayaß (Klagenfurt), „Tsunami Girl“: Die Genese eines ikonographischen Bildes.
  • Marija Stanisavljevic (Landau), Provozierte Sehstörungen. Visualisierungsstrategien der Protestkommunikation.
  • Daniel Šuber (Würzburg), Zwischen Index und Symbol: Beobachtungen zur Semiotik und Pragmatik des Bildgebrauchs in Serbien.

Konzeption

Die theoretische Herausforderung, die sich aus der Tatsache eines gesellschaftlich weithin routinierten, alltäglichen Gebrauchs moderner Bildmedien ergibt, besteht im Kern darin, die Bedeutung und die Folgen solch eines Bildmediengebrauchs für zeitgenössische und zukünftige Vergesellschaftungsweisen zu beschreiben. Dass soziale Austauschprozesse heute zunehmend auch in neuartigen, technisierten sozialen Umgebungen stattfinden, mag eine zunächst triviale Feststellung sein. Weit weniger trivial ist indes die Frage, in welcher Art und Weise solche Bilder in die „Wechselwirkungen“ (Simmel) zwischen Individuen eingreifen und welche gesellschaftlichen Austausch-, Beziehungs- und Wissensformen so überhaupt erst möglich werden. ––– Für die Sprache sind entsprechende Vermittlungs- und Modulationsleistungen in vielfältigen Aspekten und auf unterschiedlichsten Ebenen beschrieben worden – so etwa die soziale Synchronisation von Situationserfahrungen durch „Zeigwörter“ (Bühler), die objektunabhängige Wissenstra­dierung durch die „Wortsprache des Menschen“ (Lorenz), die Realisierung sozialer Strukturen und Positionen durch „Beziehungsbegriffe“ (Elias), die Steigerung von praktischer und theoretischer Phantasie durch ‚sprachliche Abstraktionen und Handlungsentlastungen‘ (Gehlen), die Rationalisierung von Recht, Religion und Wissen durch schriftliche Fixierungen und Systematisierungen oder die diskursive Erzeugung von Normalitätsvorstellungen. In Hinblick auf zeitgenössische Bildproduktionen und Bildsysteme stellen sich im Vergleich hierzu noch beachtliche Forschungsaufgaben, gerade auch dann, wenn man die gegenwärtige Fortentwicklungen und mediale Ausdifferenzierung bildhafter „Symbolnetze“ (Cassirer) in privaten, politischen, technischen oder ökonomischen Handlungs- und Lebensbereichen bedenkt. Mit der Genese medienglobaler Bildwissensbestände (mediascapes), mit der zunehmenden gesellschaftlichen Verfügbarkeit fungibler Displaytechnologien, mit der komplexen Durchdringung von face-to-face- und face-to-media-Situationen und ähnlichen Phänomenen der Medialisierung sozialen Sehens und Zeigens stellen sich auch theoretisch grundlegende Fragen: Auf welchen Ebenen der Modulation sozialer Wechselwirkungen spielen jeweilige Formen des Bildmediengebrauchs eine signifikante Rolle? Oder präziser gefragt: Was folgt aus jeweiligen Formen des Bildmediengebrauchs in Hinblick auf die soziale Synchronisation von Umwelterfahrungen, auf die Strukturen sozialer Anerkennungs- und Bewährungsordnungen, auf die Gestalt sozialer Beziehungen, gesellschaftlicher Gebilde und personaler Imagebildungen oder auf die Emergenz praktischer, weltanschaulicher oder politischer Phantasie? Und mit welchen theoretischen Begriffen und Konzepten lassen sich solche Prozesse und Strukturen beschreiben (bzw. nicht mehr beschreiben)? ––– Wenn wir, diesen Fragestellungen entsprechend, programmatisch vom Bild als einem „soziologischen Problem“ (Simmel) sprechen, so ist es uns mit dieser Formulierung mitnichten um disziplinäre Abgrenzungsversuche bestellt. Ganz im Gegenteil, mit der Konzeption der Tagung wenden wir uns an Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher sozial-, kultur- oder geisteswissenschaftlicher Disziplinen. Hierbei verfolgen wir aber in der Tat das spezielle Anliegen, das Augenmerk der gemeinsamen Diskussion statt auf inhaltlich-ideografische oder bildtheoretisch-formale Fragestellungen auf die sozialkommunikativen Besonderheiten zeitgenössischer und ggf. historischer Formen des Bildmediengebrauchs zu lenken. Im Vordergrund soll also das Bild als „un phénomène social total“ (Mauss) stehen, d.h. die Einbettung gesellschaftlicher Bildproduktionen und Bildsysteme in soziales Handeln, die Fülle ihrer sozialen Funktionen und die soziohistorischen Zusammenhänge ihrer medialen Weiterentwicklung. Willkommen sind insbesondere Beiträge, die diese theoretische Problemstellung anhand empirischer Fallbeispiele diskutieren und weiterentwickeln.

Eine gemeinsame Tagung des Instituts für Medienforschung der TU Chemnitz und des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen im Rahmen des durch die DFG geförderten Forschungsprojektes „Das Selbstbild in der Bilderwelt“.  Veranstaltung und Organisation: Michael R. Müller & Hans-Georg Soeffner.