Forschungsthemen
Modellierung elektronischer und optischer Eigenschaften neuer Halbleitermaterialien
Bei der Entwicklung neuer Halbleitermaterialien und -bauelemente ist eine Simulation der elektronischen und optischen Eigenschaften in vieler Hinsicht hilfreich: Zur Abschätzung des (wissenschaftlichen und ökonomischen) Potentials eines Materials, zur Optimierung der Strukturparameter, zum Erkennen von Verlustprozessen etc. Grundvoraussetzung solcher Simulationen ist eine parameterfreie Theorie, die nicht auf Parametern und somit steten experimentellen Input angewiesen ist. Hierfür kommen nur numerisch sehr komplexe und aufwändige Methoden in Frage, wie Vielteilchentheorien oder Multi-Skalen-Simulationen. Parameter semi-empirischer Methoden werden dabei aus Ab-initio-Rechnungen mikroskopischer Systeme extrahiert, um makroskopische Simulationen durchführen zu können.
Häufig werden Monte-Carlo-Simulationen verwendet, die die Bewegung individueller Ladungsträger durch ein Material betrachten, um bedeutsame Größen wie Ladungsträgermobilität oder Leitfähigkeit zu bestimmen. Die Ladungsträger können dann von einem Molekül auf ein benachbartes übergehen (Hopping). Durch diese wiederholten, zufälligen Bewegungen können die gewünschten Größen abgeschätzt werden. Für die Korrektheit der Ergebnisse ist jedoch die Kenntnis der Wahrscheinlichkeiten für einen solchen Übergang sowie die Abhängigkeit dieser Wahrscheinlichkeiten von Verschiebungen oder Verkippungen der Moleküle von fundamentaler Bedeutung.
Aktuell modellieren und bestimmen wir diese Hoppingraten mittels Marcus-Transfer-Theorie sowie durch die Betrachtung der elektronischen Struktur der Moleküle auf Basis von Dichtefunktional-basiertes Tight-Binding (DFTB), implementiert im Softwarepaket dftb+. Das Ziel ist die Berechnung einer Verteilung dieser Übergangswahrscheinlichkeiten für verschiedene Moleküle bzw. Kombinationen von Molekülen in Abhängigkeit derer relativer geometrischer Ausrichtungen.
Kooperationen:
Florian Günther (Universidade de São Paulo, Instituto de Física de São Carlos, Brazil)
Abschlussarbeiten:
R. Silligmann: Bestimmung von intermolekularen Übergangsraten in Abhängigkeit der geometrischen Freiheitsgrade mittels first principles Methoden, Masterarbeit
Photoluminenzenz-Spektrum von MoS2
Mittels Monte-Carlo-Simulationen können die Bewegungen individueller Ladungsträger und Exzitonen durch ein Material betrachtet werden. Basierend auf Materialparametern ist es dabei möglich makroskopisch große Systeme zu simulieren, umfangreiche Parameterstudien durzuführen. Die Ladungsträger und Exzitonen können dabei von einem Molekül auf ein benachbartes übergehen (Hopping). Durch diese wiederholten, zufälligen Bewegungen können gewünschten Größen wie Ladungsträgermobilität und Leitfähigkeit bestimmt werden.
Aktuell untersuchen wir die Photolumineszenz niedrigdimensionaler ungeordneter Materialien, welche z.B. für Solarzellen verwendet werden. Dazu führen wir Kinetik-Monte-Carlo-Simulationen für Exzitonen-Hopping mit periodischen Randbedingungen durch, wobei wir Exziton-Exziton-Wechselwirkung explizit mitbetrachten und durch attraktive Dipol-Dipol-Wechselwirkung im Grenzfall großer Abstände nähern.
Abschlussarbeiten:
M. Schwuchow: Hopping von Ladungsträgern in niedrig-dimensionalen Halbleitern mit Unordnung: Simulation von Photolumineszenz unter Berücksichtigung von Coulomb-Wechselwirkung, Masterarbeit
Publikationen:
C. Wagner et al.: Kinetic Monte-Carlo Simulation of Exciton Hopping: Urbach Tails in Gas-Molecule Decorated MoSe2, Phys. Status Solidi B, Vol. 258, 11, 2100186 (2021)
M. Schwuchow et al.: Mirror particle effects in kinetic Monte Carlosimulations including Coulomb interaction withperiodic boundaries, International Conference on Numerical Simulation of Optoelectronic Devices (NUSOD), (2021)
Zustandsdichte von 4 Lagen Bismut auf Graphen, Vergleich Theorie vs. Experiment
Bismut zeigt eine Vielzahl interessanter Eigenschaften, sowohl als Volumen-Material als auch als dünner Film. Z.B. ist Bismut ein topologischer Isolator, zeigt starke Spin-Orbit-Effekte, hat einen Halbmetall-Halbleiter-Übergang bezüglich der Filmdicke und dünne Schichten zeigen Quantentrogzustände ähnlich denen des harmonischen Oszillators.
Aktuelles Ziel ist der Experiment-Theorie-Vergleich dünner Bismut-(110)-Schichten auf Graphen, um Einblicke in die Struktur und die elektronischen Eigenschaften zu erhalten. Mit Hilfe von Dichtefunktionaltheorie-Rechnungen für Bismut-(110)-Multilagen auf Graphen werden dabei die strukturellen und elektronischen Eigenschaften untersucht. Insbesodere die Kristallstruktur und die Zustandsdichte in Abhängigkeit der Lagenanzahl ist dabei von Interesse. Vergleiche können dann mit Rastertunnelmikroskiopie-Messungen gezogen werden.
Kooperationen:
Christoph Tegenkamp, Chitran Ghosal (TU Chemnitz)
Uwe Gerstmann (Universität Paderborn)
Publikationen:
F. Teichert et al.: Do equidistant energy levels necessitate a harmonic potential?, Optical and Quantum Electronics 53, 403 (2021)
Laserdynamik und Nichtgleichgewichtseffekte
Laser werden in vielen Bereichen des täglichen Lebens, z.B. der Telekommunikation und der Medizin, immer wichtiger. Theoretisch werden sie aber oft mit sehr einfachen Modellen beschrieben, die z.B. aufgrund der hohen Dichte und schnellen Streuung eine Gleichgewichtsverteilung der Ladungsträger im Halbleiterlaser voraussetzen. Diese Näherung ist vor allem bei Lasern mit sehr hoher Leistung fragwürdig, wird aber meist aus numerischen Gründen angewandt. Eine Modellierung der vollen Dynamik der Ladungsträger erfordert einen hohen Rechenaufwand, ist aber auf modernen Computersystemen durchaus möglich und zeigt interessante Effekte, beispielsweise eine mögliche Optimierung von Lasersystemen im Hinblick auf Leistung oder Geschwindigkeit durch Variation der Form des anregenden Pulses.
Modendynamik einer Laserdiode mit Moden-Rollen
Einfache Modelle zur Simulation der Laserdynamik basieren oft auf Raten-Gleichungen. Diese sind aber oftmals unzureichend zur Beschreiben diverser in der Realität auftretender Effekte, welche durch Vielteichen-Effekte hervorgerufen werden. Für eine detailiertere und exaktere Beschreibung müssen daher mikroskopische Viel-Teilchen-Theorien herangezogen werden, so die Halbleiter-Bloch-Gleichungen mit einbezogener Coulomb- und Elektron-Phonon-Streuung.
Derzeit simulieren wir (Al,In)GaN-basierte Kanten-Emitter-Laser-Dioden. Diese zeigen longitudinale Moden-Wettbewerb-Phänomene, welche verantwortlich für den Moden-Hopping-Effekt sind, d.h. die Moden werden ein- und ausgeschaltet, was zu einem Moden-Rollen von hohen zu niedrigen Frequenzen führt. Dieser Effekt wird hervorgerufen durch Schwingungen der Ladungsträgerdichte, was zu einer asymmetrischen Kopplung zwischen benachbarten Moden führt.
Kooperationen:
Ulrich T. Schwarz (TU Chemnitz)
Abschlussarbeiten:
E. Kuhn: Simulation der Modendynamik von Fabry-Pérot-Laserdioden unter Berücksichtigung mikroskopischer Effekte, Dissertation
Publikationen:
E. Kuhn et al.: Modeling mode competition in laser diodes, Optical and Quantum Electronics 51, 206 (2019)
E. Kuhn et al.: Mode rolling effects in nitride laser diodes, Engineering Research Express 2, 035036 (2020)
Phoxonische (photonische und phononische) Kristalle
Phoxonische Kristalle sind Metamaterialien mit räumlich periodisch variierenden Materialeigenschaften. Analog zu Kristallgittern aus der Festkörperphysik tritt das Phänomen von erlaubten und verbotenen Energiebereichen auf – nur nicht für Elektronen, sondern für Phononen bzw. Photonen.
Bandstruktur eines phononischen Kristalls
Bei phononischen Kristallen variiert u.a. die Dichte räumlich periodisch, wodurch die Ausbreitung mechanischer (z.B. akustischer) Wellen auf verschiedene Weisen manipuliert werden kann. Durch ihre besonderen Eigenschaften versprechen phononische Kristalle zahlreiche Anwendungen wie akustische Spiegel, Geräusch- und Schwingungsisolation, Verminderung der Gruppengeschwindigkeit von Schallwellen bis hin zur Beeinflussung thermischer Eigenschaften auf der Nanometerskala durch die Manipulation von Gitterschwingungen.
Wir modellieren die Skulptur „Denk- und Wahrnehmungsmodell zum Phänomen der Farbe“ auf dem Campus der TU Chemnitz. Dieses Kunstwerk erfüllt durch die periodische Variation in Form von regelmäßig angeordneten, von Luft umgebenen Metallstangen die Anforderungen eines phononischen Kristalls. Dabei berechnen wir Bandstrukturen für unterschiedliche Material-Kombinationen anlehnend an die Abmessungen des Kunstwerks.
Abschlussarbeiten:
D. Röhlig: Modellierung zweidimensionaler phononischer Kristalle, Bachelorarbeit
Photonische Kristalle weisen einen räumlich periodisch variierenden Brechungsindex auf. Diese sind in der Lage die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen signifikant zu beeinflussen. Die Tatsache, dass amorphe photonische Kristalle im Gegensatz zu geordneten Strukturen in ihren Reflexionseigenschaften weniger winkelabhängig sind, macht sie vor allem für die Herstellung von Strukturfarben interessant. Als Antireflexions-Beschichtungen ermöglichen sie zudem die Effizienzsteigerung von Solarzellen.
Derzeit untersuchen wir den Einfluss von Unordnung in zweidimensionalen photonischen Systemen. Anhand von Anordnungen dielektrischer Zylinder im Quadratgitter wird getestet, inwieweit sich Unordnung bzgl. der regulären Gitterpositionen, der Radien, der dielektrischen Konstanten oder bzgl. Fehlstellen auf die Transmissionsspektren auswirkt und welche Mechanismen mögliche Veränderungen bestimmen. Von Interesse ist dabei vor allem der Übergang zwischen geordneten und amorphen photonischen Kristalle.
Elektromagnetische Welle hoher Transmission in einem photonischen Kristall
Kooperationen:
Thomas Blaudeck (TU Chemnitz, Zentrum für Materialien, Architekturen und Integration von Nanomembranen (MAIN))
Abschlussarbeiten:
D. Röhlig: Unordnung in photonischen Strukturen – Theorie und Anwendungen, Masterarbeit
Publikationen:
E. Kuhn et al.: Disorder explains dual-band reflection spectrum inspherical colloidal photonic supraparticle assemblies, Nano Select 2, 12, 2461 (2021)
D. Röhlig et al.: The Role of Disorder in Elementary Photonic Components, IEEE Proceedings, Smart Systems Integration (SSI) 2022, 9901424 (2022)
D. Röhlig et al.: Simultaneous occurrence and compensating effects of multi-type disorder in two-dimensional photonic structures, Nano Select 4, 6, 368 (2023)
Derzeit leiden mehr als 5 Prozent der Weltbevölkerung an einer Einschränkung ihres Hörvermögens. Die häufigste Ursache für die Beeinträchtigung dieser Sinnesfunktion ist eine Störung in der Cochlea. Man spricht auch von einer Schallempfindungsschwerhörigkeit. Ein Ansatz um dieses Problem zu lösen, stellen optische Cochlea Implantate da. Hierbei werden die Elektroden durch Lichtemitter ersetzt.
Aktuell untersuchen wir, wie sich die Interaktion von monochromatischem Licht und Gewebe verhält und wie weit sich dieser Zusammenhang auch mit Gewebephantomen simulieren lässt. Dabei werden verschiedene Ansätze der Strahlen- und Wellenoptik zur Simulation genutzt und gegenübergestellt.
Kooperationen:
Ulrich T. Schwarz, Lea Schott (TU Chemnitz)
Abschlussarbeiten:
T. Witke: Simulation winkelabhängiger Lichtstreuung in Gewebephantomen für die Anwendung von optischen Cochlea-Implantaten, Masterarbeit
Erneuerbare Energien und Artenschutz
Erneuerbare Energien treten vor dem Hintergrund globaler Krisen sowie der Endlichkeit fossiler Brennstoffe immer weiter in den Vordergrund. Einer der mittlerweile meist etablierten Wege zur Erschließung derselben, ist der Ausbau von Windparks. Zur Vorbeugung der sogenannten „Verspargelung“ ländlicher Regionen wird immer weiter der flache Meeresraum um die Küstenregionen in der Nord- und Ostsee zum Bau von Offshore-Windparks genutzt. Bis zum Jahr 2030 soll die installierte Leistung von Offshore-Windenergie laut Ministerium für Energie und Klimaschutz in Deutschland auf mindestens 30GW und bis 2045 auf 70GW Durchschnittsleistung steigen.
Der Bau großer Windparks stellt sowohl die Unternehmen als auch die öffentliche Hand in Bezug auf den Schutz und Erhalt der marinen Habitate vor große Herausforderungen. Besonders die heimische Fauna ist großer Schallbelastung ausgesetzt. Um die Fundamente der Windradschäfte im Meeresboden zu verankern, werden Metallpfeiler mit hydraulischen Hämmern hineingerammt. Hierbei werden Spitzenschallpegel von bis zu 200 dB erreicht. Seit 2013 gilt das Schallschutzkonzept für den Offshore-Ausbau in der Nordsee, welches besagt, dass der Spitzenschalldruckpegel von 190 dB nicht überschritten werden darf. Ein Ansatz zur Reduktion des verursachten Schalls im Dauerbetrieb wird in Form eines „Blasenvorhangs“ entwickelt. Hierbei wird ein Schlauch mit einem Innendurchmesser von 100 cm um den Schaft des Windrades auf dem Meeresboden gelegt. Dieser sondert einen konstanten Strom an Blasen mit einem variierenden Durchmesser von 1-3 cm ab. Ziel unserer Untersuchungen ist es, den emittierten Schall der Windradschäfte sowie den Einfluss der Interferenzen mittels Computer-Simulationen zu beschreiben und deren Auswirkung auf die Fauna der Nordsee am Beispiel von Schweinswalen zu diskutieren.
Kooperationen:
Joseph Schnitzler (Tierärztliche Hochschule Hannover)