Mensch und Technik im Einklang
An der Professur Allgemeine Psychologie und Human Factors starteten Projekte zur Mensch-Technik-Interaktion – Fachübergreifende Kooperation mit Partnern innerhalb und außerhalb der Universität
An der Professur Allgemeine Psychologie und Human Factors der Technischen Universität Chemnitz, die derzeit von Dr. habil. Franziska Bocklisch geleitet wird, starteten in den letzten Monaten mehrere Projekte, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden „Es handelt sich um zwei innovative Projekte zur Mensch-Technik-Interaktion – das Projekt ‚Kognitionsbasierte Mensch-Technik-Interaktion‘, kurz Ko-MTI, und das Projekt ‚Privatsphären-Analyse und Nutzerspezifische Datenschutz-Empfehlungen für Apps und Mobilgeräte‘, kurz PANDERAM“, sagt Bocklisch.
Methodenbaukasten zur Beschreibung und Gestaltung komplexer Mensch-Technik-Interaktionen
Das Ziel von Ko-MTI ist die Erarbeitung eines Methodenbaukastens zur Beschreibung und Gestaltung komplexer Mensch-Technik-Interaktionen beispielsweise bei der Bedienung. Grundlage hierfür ist eine ganzheitliche systemische Betrachtungsweise, um die relevanten kognitiven Prozesse des Menschen bei der Interaktion mit der Technik zu analysieren. Dafür werden neben klassischen psychologischen Methoden, wie der Befragung, Verhaltensbeobachtung, Experimenten und Eye-Tracking, auch leistungsfähige Algorithmen der Künstlichen Intelligenz zur kognitiven Modellierung verwendet. Diese Algorithmen müssen möglichst transparent und für den Menschen verstehbar sein und können dann für praktische Anwendungen eingesetzt werden, z. B. zur Erkennung der Fahrerabsicht beim Spurwechsel oder des Fahrerzustands beim hochautomatisierten Fahren. „Ko-MTI ist ein sehr interdisziplinäres Projekt. Es wird von den Kolleginnen und Kollegen aus der Fakultät für Informatik mitgetragen sowie von einer Vielzahl assoziierter Projektpartner mit universitärem und industriellem Hintergrund unterstützt. Die Methodik kann breit angewendet werden. Wir arbeiten sie derzeit für Beispiele aus dem Mobilitätsbereich und für den Bereich Digitale Systeme aus“, so Bocklisch.
Für mehr Transparenz und Handlungsoptionen bei der Nutzung von Apps
Hier besteht ein enger Zusammenhang zum PANDERAM Projekt, das sich mit der Privatsphären-Analyse und der Ableitung nutzerspezifischer Datenschutz-Empfehlungen für Apps und Mobilgeräte befasst. „Wir wollen die digitale Souveränität von Smartphone- und App-Nutzerinnen und -Nutzern im Umgang mit den eigenen Daten stärken. Denn wer weiß eigentlich schon, was mit den Daten genau passiert, an wen sie geschickt und wofür sie noch genutzt werden?“, merkt Susen Döbelt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Professur Allgemeine Psychologie und Human Factors, an. Gemeinsam wolle der Forschungsverbund aus Wissenschaft, Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Vertretern Transparenz schaffen und echte Handlungsoptionen für die Nutzenden generieren. „Unser Aufgabenschwerpunkt liegt hierbei auf der Umsetzung des nutzerzentrierten Gestaltungsprozesses im gesamten Projekt und auf der Ausarbeitung von Nutzerassistenz durch Spezifikation von Verhaltensstufen und spezifischen Maßnahmen“, so Döbelt weiter.
Fachübergreifende Kooperation zur Lösung komplexer Fragestellungen
Beide Projekte zielen auf die Entwicklung gut bedienbarer Technik, die Nutzerinnen und Nutzer sowie Bedienerinnen und Bediener unterstützt und dabei Spielraum für Entscheidungen und selbstbestimmte Handlungen lässt. „Vor dem Hintergrund der rasanten technischen Entwicklung hin zu Cyber-Physischen-Produktions-Systemen und Industrie 4.0 werden wir an der Stelle gefordert sein und uns auch über die zukünftige Rolle des Menschen in derart komplexen, domänenübergreifenden Systemen Gedanken machen müssen. Das geht natürlich nur in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit, denn hier können viele Fachdisziplinen wertvolle Beiträge leisten“, erklärt Bocklisch.
Neben den genannten Projekten werden daher an der Professur Allgemeine Psychologie und Human Factors auch Forschungsprojekte mit der Fakultät für Maschinenbau der TU Chemnitz und dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU Chemnitz vorangetrieben, denn ohne „handfeste“ Technik lassen sich Mensch-Technik-Interaktionsprozesse nicht erforschen und menschengemäß gestalten. Exemplarisch werden gemeinsam mit den Partnern verschiedene Produktionsprozesse und Aufgabenstellungen betrachtet, u. a. der Aufbau von Produktionsassistenz beim Beschichten hochverschleißbeanspruchter Bauteile, die Identifikation und Vermeidung von Fehlern bei der Bedienung von Werkzeugmaschinen oder die Abbildung von Expertenwissen beim Teach-in von Industrierobotern. „Wir haben hier ambitionierte Ziele. Wir möchten Erkenntnisse der kognitiven Psychologie mit der angewandten Forschung im Bereich Human Factors verbinden und dann auch noch einen Know-how-Transfer in die regionale sowie überregionale Industrie schaffen. Denn das Ziel des Ko-MTI-Projektes ist die Ausgründung eines Start-ups. Wir erhalten aber viel positive Resonanz und Unterstützung, für die wir sehr dankbar sind und wir freuen uns, die Themen in den nächsten Jahren hier weiter auszuarbeiten“, fasst Bocklisch zusammen.
Ansprechpartner für die Projekte sind Dr. Franziska Bocklisch (Ko-MTI), Telefon 0371 531-36530, E-Mail franziska.bocklisch@psychologie.tu-chemnitz.de, und Susen Döbelt (PANDERAM), Telefon 0371 531-33615, E-Mail susen.doebelt@psychologioe.tu-chemnitz.de.
Weiter Informationen finden Interessierte auf der Homepage der Professur Allgemeine Psychologie und Human Factors und auch in den Forschungspublikationen zur Fahrerabsichtserkennung mittels selbstlernender adaptiver Algorithmen und zur Kognitionsbasierten Mensch-Technik-Interaktion beim Thermischen Beschichten und der Rolle des Menschen in Cyber-Physischen Systemen.
Mario Steinebach
15.06.2020