Faszinierende Einblicke in den „Werkzeugkasten unserer Sprache“
Chemnitzer Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Winfried Thielmann lädt zu einem unterhaltsamen und lehrreichen Streifzug durch die Welt der Sprachen und Wortarten ein
Substantiv, Verb, Präposition – damit beschäftigt man sich schon in der Grundschule. Doch es wird oft nicht vermittelt, welche sprachlichen Mittel es gibt und wie sie ihre jeweiligen Funktionen beim sprachlichen Handeln realisieren. „Ich bin der festen Überzeugung, dass jemand, der weiß, wie Sprache funktioniert, Gesprochenes und Geschriebenes tiefer auffasst und so viel besser hörer- und leserbezogen kommuniziert“, sagt Prof. Dr. Winfried Thielmann, Inhaber der Professur Deutsch als Fremd- und Zweitsprache sowie Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Fremdsprachen der Technischen Universität Chemnitz. „Sprache ist etwas, womit wir etwas tun. Wer spricht, will bei seinem Hörer etwas erreichen“, so Thielmann.
Deshalb vermittelt der Chemnitzer Sprachwissenschaftler in dem jetzt im Verlag De Gruyter erschienenen Germanistischen Arbeitsheft „Wortarten. Eine Einführung aus funktionaler Perspektive“ das Rüstzeug, um Wortarten nicht nur korrekt zu erkennen, sondern auch ihre Funktionen besser zu verstehen. Ratsam ist unbedingt die Lektüre des ersten Kapitels, in dem der Autor aufzeigt, woher die Wortartenbestimmungen kommen. Darin erläutert er auch Wortarten in anderen Sprachen und weist auf spezifische Probleme hin, die bei einer Bestimmung und Charakterisierung der Wortarten des Deutschen aufgetreten sind und Sprachwissenschaftler bis heute beschäftigen.
Thielmann nähert sich den Wortarten mit dem funktional-pragmatischen Konzept der sprachlichen Felder und deren fünf Grundfunktionen – Nennen, Zeigen, metakommunikativ Operieren, Lenken und Malen. Er stellt Sprache als einen hochkomplexen Werkzeugkasten vor, der aus sehr vielen, Einzelwerkzeugen – den sprachlichen Mitteln – besteht, die es wiederum in verschiedenen Ausführungen gibt. Dazu ein Beispiel aus dem Vorwort des Buches: Allen Nennwörtern (Tisch, essen, schön) ist es gemein, dass man mit ihnen etwas benennt (z. B. Gegenstände, Handlungen oder Eigenschaften). Aber welches Mittel wir wählen, hängt davon ab, was genau wir beim Hörer damit erreichen wollen. Wenn ein Autor schreibt „Anna fuhr die Rolltreppe herab“, steht man als Leser in seiner Vorstellung unten an der Rolltreppe und sieht Anna auf sich zukommen. Schreibt der Autor dagegen „Anna fuhr die Rolltreppe hinab“, steht man oben an der Rolltreppe und blickt auf Annas Rücken. Dieser Unterschied wird allein durch „hin“ und „her“ erreicht – sprachliche Werkzeuge, die nichts benennen, sondern Richtungen zeigen.
Viele weitere Beispiele erleichtern das Verständnis und zahlreiche Übungsaufgaben dienen der Reflexion und Festigung des Wissens. Das Buch, das auch als Nachschlagewerk genutzt werden kann, richtet sich an alle, die Sprache unterrichten, und an alle, die sich für Sprache interessieren.
Bibliografische Angaben: Thielmann, Winfried: Wortarten. Eine Einführung aus funktionaler Perspektive. Erschienen in Germanistische Arbeitshefte, 49, Berlin: De Gruyter, 2021. 242 Seiten, ISBN: 9783110667943, DOI: https://doi.org/10.1515/9783110667967
Kontakt: Prof. Dr. Winfried Thielmann, Telefon 0371 531-37354, E-Mail winfried.thielmann@phil.tu-chemnitz.de.
Mario Steinebach
19.04.2021