Architektur, die begeistert
Architekturpreis BDA-Sachsen 2021: Architekten und Bauherr des Gebäudes der Universitätsbibliothek der TU Chemnitz erhalten besondere Anerkennung der Jury

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Das denkmalgeschützte Industriegebäude der „Alte Aktienspinnerei“ an der Straße der Nationen 33 in Chemnitz wurde mit viel Liebe zum Detail zur neuen Universitätsbibliothek für die TU Chemnitz umgebaut. Sie erstrahlt seit September 2020 in neuem Glanz. Der Freistaat Sachsen investierte rund 53 Millionen Euro, davon sind rund 13,6 Millionen Euro Mittel der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Foto: TU Chemnitz/Jacob Müller -
Das Herz der neuen Universitätsbibliothek in der „Alten Aktienspinnerei“ ist der zentrale Lesesaal, in den viel Tageslicht einfällt. Er erstreckt sich über drei Etagen. In der unteren Etage befinden sich 54 Leseplätze an langgezogenen Tischreihen, im Laubengang in der Mitte sind 36 Einzel-Leseplätze angeordnet und in der oberen Etage befinden sich 20 kleine Leseräume, die für einen bestimmten Zeitraum gebucht werden können. Foto: TU Chemnitz/Jacob Müller
Der Landesverband Sachsen des Bundes Deutscher Architekten (BDA) verlieh im vergangenen Monat seinen 11. Architektur-Preis. Diese Auszeichnung bemerkenswerter Leistungen auf dem Gebiet der Architektur und des Städtebaus im Freistaat Sachsen, die seit 1991 alle drei Jahre ausgelobt wird, gilt der gemeinsamen Leistung und dem persönlichen Engagement von Bauherren und Architekten. Sie soll dazu beitragen, das öffentliche Bewusstsein für die Umwelt zu schärfen und unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und ökologischer Gesichtspunkte Maßstäbe in der Architekturentwicklung zu setzen. Die Jury wählte in diesem Jahr aus 53 eingereichten Arbeiten drei Preisträger und sieben Anerkennungen aus. Eine der Anerkennungen - bestehend aus einer Urkunde und einer Plakette - ging an die ARGE Aktienspinnerei – bestehend aus den Architekten Siegmar Lungwitz, Lydia Heine, Thorsten Mildner (alle Dresden) und Thomas Rabe (Berlin) sowie an den Bauherrn – den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement – für den Umbau der Alten Aktienspinnerei zur Universitätsbibliothek der Technischen Universität Chemnitz.
Was ist das Besondere an diesem Bauwerk? Das historische Gebäude der Alten Aktienspinnerei bestand vor dem Zweiten Weltkrieg aus einem zentralen fünfgeschossigen Mittelbau mit Zierbekrönung sowie zwei langgestreckten viergeschossigen Seitenflügeln mit Satteldach und markanten Ecktürmen. Aufgrund der Umnutzung des historischen Industriegebäudes zur Bibliothek und der heutigen komplexen Anforderungen an ein modernes Gebäude waren umfangreiche Anpassungen des Bestandes erforderlich. Die beiden Seitenflügel wurden weitgehend erhalten. Die Kubatur sowie die Fassadengestaltung der historischen Aktienspinnerei wurden in ihrer ursprünglichen Form wieder hergestellt. Die Fenster erhielten ihre alten Formate mit Bögen, Sandsteingesimse und -gewände wurden wieder hergestellt und das Erdgeschoss erhielt seinen Bossenputz zurück. Der Mittelbau sowie die äußeren Giebelfelder der Seitenflügel wurden entkernt und mit einer geänderten inneren Struktur, die der neuen Nutzung durch die Bibliothek Rechnung trägt, aufgebaut. Ein Anbau nördlich des Mittelbaus schafft nun Raum für das Magazin. Im Gebäude entstand eine Nutzfläche von insgesamt 12.354 Quadratmeter. Dem Typus der bestehenden Gebäudestruktur folgend wurden in den seitlichen Gebäudeflügeln die Freihandbereiche der Bibliothek angeordnet. Der Mittelteil wurde mit zentralen Funktionen wie Eingangshalle, Haupterschließung und Lesesaal besetzt. Die Verwaltung wurde an den Giebelseiten im Osten und Westen und im Mittelbau untergebracht.
Die Bauarbeiten begannen im April 2014 mit dem Rückbau leerstehender Gebäude rund um das Hauptgebäude. Ab Oktober 2014 wurden die Seitenflügel beräumt, von allen Einbauten befreit und in den Rohbauzustand versetzt. Dabei wurden etwa 6.500 Tonnen Bauschutt zum großen Teil in Handarbeit aus dem Gebäude gebracht. Das wertvolle gusseiserne Tragwerk mit gemauerten Kappengewölben wurde wieder sichtbar gemacht. Im Juli 2015 begann die Komplettentkernung des Mittelbaus. Die Außenwände wurden parallel dazu statisch gesichert und im Anschluss die Baugrube für den Mittelbau und den Magazinanbau hergestellt. Insgesamt wurden etwa 21.500 Tonnen Abbruchmaterialien beseitigt. Auch mit Überraschungen mussten die Bauleute umgehen. Der extrem schlechte Baugrund musste verstärkt und die Deckenkonstruktionen stellenweise umfangreich saniert sowie teilweise erneuert werden. Insgesamt wurden rund 330 Stahlfenster eingebaut, etwa 185 Kilometer Kabel verlegt und allein im Freihand-Bereich rund 22.000 Regalmeter aufgebaut.
Mario Steinebach
15.12.2021