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Vom Sattlersohn bis zum visionären Professor

Vor 175 Jahren wurde Carl Julius von Bach geboren, einer der bedeutendsten Chemnitzer Absolventen – Er gilt als einer der großen Köpfe des deutschen Maschinenbaus – In den 1870er Jahren verfolgte er die Idee, Frankreich und England durch einen Tunnel zu verbinden

"Sie haben die traurige Tatsache zu konstatieren, dass selbst ein wohldisziplinierter deutscher Magen den Gehorsam verweigert" – mit diesen Worten erklärte Carl Julius Bach bei einem Vortrag im Jahr 1874, weshalb es nötig sei, England und Frankreich durch einen Tunnel zu verbinden. Doch die Seekrankheit war nicht der einzige Bedarfsgrund, den er zu nennen wusste: "Die ganze Angelegenheit ist von hohem politischen, kommerziellen und sozialem Interesse, denn sie lenkt die Aufmerksamkeit ebensowohl des Staatsmannes, als des Kaufmannes und des Philanthropen auf sich." Zu transportierende Güter müssten nicht mehr mühselig vom Zug aufs Schiff und wieder zurück verladen werden, wodurch nicht nur die Kosten, sondern auch die Gefahr einer Beschädigung sinken. Recht genaue Pläne für einen entsprechenden Bau präsentierte der 27-Jährige, bis hin zu einer Abschätzung des finanziellen Aufwandes: mit 200.000.000 Mark veranschlagte er die Baukosten, die "jährliche Totaleinnahme für Personen- und Güterverkehr wird unter Zugrundelegung der statistischen Zahlen über Import und Export zu 24.000.000 Mark berechnet".

Hilfe beim Bau der ersten Wasserleitung in Chemnitz

Am 8. März 1847 in Stollberg im Erzgebirge geboren, wuchs Carl Julius Bach in einer Familie von Sattlern, Wagenbauern und Strumpfwirkern auf und heuerte 1863 – nach Abschluss einer Lehre bei einem Stollberger Schlossermeister – in Chemnitz bei der Fabrik von Richard Hartmann im Dampfmaschinenbau an. Ein Jahr später schrieb er sich an der Königlichen Höheren Gewerbschule – einer der Vorläufereinrichtungen der TU Chemnitz – ein, wechselte aber bald aus finanziellen Gründen an die Königliche Werkmeisterschule, die er 1866 verließ – mit der Gesamtnote 1 und einer Silbermedaille für besondere Leistungen. Im Auftrag seines Lehrers Prof. Wilhelm Kankelwitz unterstützte er anschließend den Bau der ersten Wasserleitung in Chemnitz.

27 Regalmeter: Der größte Nachlass im Chemnitzer Universitätsarchiv

1873 schließlich erlangte er am Karlsruher Polytechnikum sein Diplom. Fünf Jahre später erhielt er einen Ruf ans Polytechnikum in Stuttgart, wo er bis zu seinem Ruhestand 1922 wirkte – mit Erfolg: Er prägte die Lehre im Maschinenbau durch die Verbindung von praktischer Tätigkeit mit profundem Fachwissen sowie die Ergänzung der technischen Fächer um Recht, Wirtschaftswissenschaften und Philosophie. Außerdem baute er die erste deutsche Materialprüfanstalt auf. Sein Buch "Die Maschinenelemente" erschien in 13 Auflagen und wurde in drei Sprachen übersetzt, seine gesamte literarische Arbeit beläuft sich auf 256 Titel. 1895 erhielt er – als eine von zahlreichen Auszeichnungen – das Ehrenkreuz des Ordens der Württembergischen Krone und durfte sich künftig "von Bach" nennen. Er stand in Kontakt mit bedeutenden Wissenschaftlern seiner Zeit, wie Robert Bosch, Carl von Linde, Rudolf Diesel, Ferdinand von Zeppelin, Werner von Siemens. Mit 27 laufenden Metern ist sein Nachlass der größte, den das Universitätsarchiv der TU Chemnitz hütet, darunter Briefe, Notizen, Aufsätze und Manuskripte. Allein die ausgegangene Post ist auf rund 35.000 Blatt festgehalten, die eingegangene füllt 18.000 Blatt. in der Geschäftskorrespondenz sind rund 2.500 Korrespondenzpartner verzeichnet.

Ein "Gründervater" der Freundesgesellschaft der TU

1877 heiratete Bach, er wurde Vater von drei Kindern. Sohn Julius war Professor für maschinentechnische Fächer an der Staatlichen Akademie für Technik in Chemnitz. Auch selber hielt von Bach Kontakt zu seiner einstigen Alma Mater – und unterstützte 1921 maßgeblich die Gründung der "Gesellschaft von Freunden der Gewerbeakademie, Bauschule, Maschinenbauschule, Färbereischule und Gewerbelehrerbildungsanstalt", ein Vorläufer der heutigen Freundesgesellschaft der TU Chemnitz. Im Ergebnis dieses Werbens konnte am 8. Mai 1921 die Gründungsversammlung im Festsaal der Technischen Staatslehranstalten abgehalten werden. Es waren fast 190.000 Mark an einmaligen und jährlichen Beiträgen eingegangen, die von ca. 220 Mitgliedern repräsentiert wurden. Carl Julius von Bach wurde zum Ehrenvorsitzenden gewählt und unterhielt fortan enge Beziehungen zu seiner früheren Ausbildungseinrichtung. Am 10. Oktober 1931 starb Carl Julius von Bach in Stuttgart.

Ehre, wem Ehre gebührt

1997, zu seinem 150. Geburtstag, benannte sein Geburtsort Stollberg ein Gymnasium nach ihm; dort und auch im Chemnitzer Süden erinnert eine Straße an von Bach. An der TU gehörte er 1986 zu den Wissenschaftlern, denen aus Anlass des 150-jährigen Jubiläums der Ingenieurausbildung ein Denkmal gesetzt wurde: eine Plastik des Künstlers Johannes Schulze aus Plauen. 1994 schließlich fanden die Überlegungen, die der junge Bach bereits 120 Jahre zuvor formulierte, ihre Vollendung: Der Eurotunnel zwischen England und Frankreich wurde freigegeben.

(Quelle: "175 - Das etwas andere Jubiläumsbuch", 2011 erschienen im Universitätsverlag Chemnitz)

Mario Steinebach
01.03.2022

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