Einmal Orient und zurück
Chemnitzer Student Sebastian Baier verfasste seine Diplomarbeit in Syrien und konzipierte dafür einen Energiespeicher
Sebastian Baier lebte von Januar bis August 2007 in Syrien. Für seine Diplomarbeit konzipierte er einen Kies-Luft-Wärme-Speicher vor der Universitätspoststelle der Al-Baath University. Fotos: privat |
"Ich habe ein wunderschönes Land kennen gelernt, geprägt von solch einer großen Gastfreundschaft und Unvoreingenommenheit gegenüber anderen Menschen, wie ich es in Deutschland bisher noch nie erlebt habe. Vor allem seine eindrucksvolle Geschichte hat mich begeistert." Das Land, von dem der ehemalige Chemnitzer Student Sebastian Baier so schwärmt, kennen die meisten wahrscheinlich nur aus den Nachrichten: Syrien. Von Januar bis August 2007 lebte und arbeitete der 28-Jährige an der Al-Baath University in Homs, das 160 Kilometer nördlich von Damaskus liegt und 1,5 Millionen Einwohner zählt. Das Ziel des Aufenthaltes war die Erarbeitung seiner Diplomarbeit zum Thema "Einsatz von Kies-Luft-Wärme-Speichern in Gebieten mit aridem Klima". Wie gut eine Diplomarbeit in rund 2.500 Kilometern Entfernung und die TU Chemnitz zusammenpassen, bewies Sebastian Baier eindrucksvoll mit dem Prädikat "Sehr gut".
Die Idee, seine Diplomarbeit im Ausland zu schreiben, entstammt der Reiselust des Absolventen der TU: "Ich reise gern und es war für mich eine gute Kombination, einerseits Erfahrungen im internationalen Wissenschaftsbereich zu sammeln und andererseits gleichzeitig so nah eine andere Kultur erleben und erfahren zu dürfen." Vermittelt und unterstützt wurde er dabei von Dr. Ulrich Schirmer von der Professur Technische Thermodynamik. Die Professur pflegt langjährige partnerschaftliche Beziehungen zur Fakultät für Maschinenbau und Elektrotechnik an der syrischen Universität. Diese führten auch schon in vergangener Zeit zu zahlreichen Austauschen und Gastaufenthalten zwischen den beiden Universitäten. Prof. Radwan Al Masri, der Sebastian Baier an der Al-Baath University betreute, ist seines Zeichens selbst ehemaliger Promovend der Chemnitzer Universität. Er unterstützte den ehemaligen Studenten des Systems Engineering bei der Konzeption des Energiespeichers, der zur Klimatisierung der auf dem Campus gelegenen Universitätspoststelle dient. "Die dazu benötigte Energie wird mittels einer Gesteinschüttung gespeichert und über ein Kanalsystem dem Gebäude zugeführt. Mein Aufgabenbereich umfasste die gesamte Phase der Projektplanung und -durchführung. Ich berechnete die Wärmelasten und den dazugehörigen Kühl- und Heizbedarf. Mit Hilfe meiner netten Kollegen stellte ich den Bauantrag bei den arabischen Behörden, konstruierte und überwachte schließlich den Bau der Anlage", erklärt Sebastian Baier. Um das Gebäude zu erwärmen und abzukühlen, wurde eine Betonkammer mit Kies gefüllt und als laufendes System mit Außenluft durchströmt. "Bei über 40 Grad im Sommer ist jedoch vor allem die Kühlung während des Tages wichtig", weiß Baier aus eigener Erfahrung. Nachts wird der Kiesspeicher entladen, indem er von Außenluft durchströmt wird. Um die Poststelle zu klimatisieren, wird die Kiesschüttung tagsüber mit Wärme aus dem Haus beladen, so dass das Gebäude abkühlt. Die Vorteile eines solchen Systems liegen in der Konstruktion. "Gegenüber dem großen Stromverbrauch von Klimageräten arbeitet die Anlage stromsparend und umweltschonend. Auch in Syrien werden auf lange Sicht hin die Stromkosten steigen. Die Technologie ist so günstig einsetzbar", betont Sebastian Baier. Auch Studenten sollen an der Anlage ausgebildet werden, die schon seit September dieses Jahres problemlos läuft. Eine recht aufwändige Steuerung mit zwei Rechnern kann unter anderem die Daten der elf Temperaturfühler in verschiedenen Ebenen der Kiesschüttung, des umgebenden Erdreiches sowie der Außen- und Raumtemperatur auslesen. Damit ist die Anlage auch zu Lehrzecken einsetzbar: "Aus diesem Grund wurden auch zahlreiche Druck- und Volumenstrommessstellen integriert."
Die Freundlichkeit als Grundvoraussetzung der arabischen Kultur beeindruckte Sebastian Baier während seines Aufenthaltes am meisten: "Schon während der ersten Minuten wurde mir sehr entgegengekommen und mit einem höchst beeindruckenden Maß an Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft begegnet. So lernte ich auch die Familien meiner Kollegen kennen. Die geknüpften Beziehungen pflegen wir auch heute noch in gegenseitigen Besuchen und bauen sie weiter aus." Auch wenn sich die Mentalität an manchen Stellen unterscheidet, sieht er zwischen einer deutschen und syrischen Universität kaum Unterschiede. "Die Lerninhalte sind ähnlich, jedoch haben die Studenten wesentlich mehr Prüfungen zu absolvieren", erzählt Baier. Die Lebenshaltungskosten sind im Vergleich zu Chemnitz jedoch niedriger, was bei dem Auslandsaufenthalt des ehemaligen Studenten wichtig war, finanzierte er außer seinem Wohnheimplatz in der Universität doch alles selbst. Seine freie Zeit nutzte er vor allem, um das Land zu erkunden und die Leute kennen zu lernen: "Syrien ist geprägt von vielen Festungen, Burgen und Kirchen. Sie sind Zeugen einer 5.000-jährigen Geschichte, die von Türken, Kreuzrittern, Arabern und Juden erzählen. Selbst einen Abstecher in den Libanon ließ ich mir nicht nehmen. Vor allem da treffen alte und neue Geschichte aufeinander und bilden eine beeindruckende Kulisse."
Ob sich sein ungewöhnlicher Diplomarbeitsplatz auf seine Karriere ausgewirkt hat, kann der frischgebackene Diplom-Ingenieur nicht sagen. Doch hatte er mehr Arbeitsangebote als geschriebene Bewerbungen. "Bei der Stellensuche habe ich mich bewusst für den Osten entschieden. Ich bin halt ein Lokalpatriot", gesteht er. Dabei sei jedoch nicht das Geld das wichtigste, sondern die Firma, die zu einem passen muss. Zugesagt hat er schließlich der SLG Prüf- und Zertifizierungs- GmbH in Hartmannsdorf als Prüfingenieur für Klima- und Heiztechnik. Ob es ihn bald wieder ins Ausland zieht, weiß Sebastian Baier noch nicht. Eins steht jedoch jetzt schon fest: An der Volkshochschule lernt er seit seinem Auslandsaufenthalt arabisch - auch um sich mit seiner Freundin in ihrer Muttersprache verständigen zu können. Man sieht: Nicht nur gute Diplomarbeitsthemen lassen sich im Ausland finden.
(Autorin: Nicole Leithold)
Katharina Thehos
23.11.2007