Wie gut ist der Sportunterricht in Sachsen?
Sportwissenschaftler der TU Chemnitz legen Ergebnisse des ersten Teilmoduls der Studie "SportQ" zum Thema "Qualität des Sportunterrichts und Fitness sächsischer Schüler" vor
Rumpfbeugen gehören zu den sportmotorischen Tests, die die Schüler im Rahmen des zweiten Teilmoduls der Studie "SportQ" absolvieren müssen. Foto: TU Chemnitz |
Die vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus 2006 in Auftrag gegebene Studie "SportQ" umfasst drei Teilmodule, die auf eine Untersuchung der Fitness sächsischer Schüler, der Qualität und Wirksamkeit des Sportunterrichts in Sachsen und der Umsetzung der aktuellen Sportlehrpläne abzielt. Die Ergebnisse der ersten Teilstudie, einer Befragung von Schülern und Lehrern zum Sportunterricht, liegen nun vor. Für die Schülerbefragung wählten die Chemnitzer Sportwissenschaftler je zehn Gymnasien und Mittelschulen aus dem Regierungsbezirk Chemnitz aus; 1.102 Schüler der Klassenstufen fünf, sieben und neun haben sich beteiligt. Die Lehrerbefragung wurde als Vollerhebung aller Sportlehrer in Sachsen angelegt. "Der Rücklauf der Lehrerbefragung liegt bei 58 Prozent, wodurch die Studie repräsentative Ergebnisse für den gesamten Freistaat liefert", berichtet Prof. Dr. Albrecht Hummel, Inhaber der Professur Sportpädagogik/-didaktik des Instituts für Sportwissenschaft der TU Chemnitz.
Hohe Zufriedenheit trotz Diskrepanz zwischen Wünschen und Angebot
Wie bereits die sächsische Schulsportuntersuchung 2002/03 ergab, sind mehr als 70 Prozent der Schüler mit ihrem Sportunterricht zufrieden. Ein Viertel der Schüler gaben dem Sportunterricht im laufenden Schuljahr sogar die Note "sehr gut". Dabei bewerteten Jungen ihren Sportunterricht positiver als Mädchen. Der Unterricht wird insgesamt als bewegungsreich und relativ anstrengend eingeschätzt.
"Die Ergebnisse unserer Studie weisen auf eine Diskrepanz zwischen Schülerwünschen und dem Sportartenangebot im Unterricht hin. So werden aus Schüler- und Lehrersicht vor allem traditionelle Sportarten wie Gerätturnen, Volleyball, Leichtathletik und Fußball am häufigsten unterrichtet. Die heutige Generation Schüler wünscht sich jedoch auch Trendsportarten wie Inline-Skating und Klettern im Schulsport", so Prof. Hummel. Aus Lehrersicht ist diese Diskrepanz erklärbar: Da der Sportunterricht überwiegend in der Turnhalle und auf dem Sportplatz stattfindet, sind die Möglichkeiten zur Umsetzung von alternativen Sportarten begrenzt. Die Lehrer weisen darauf hin, dass Schwimmhallen, Freibäder, freie Gelände oder Wintersportgebiete nur im Rahmen von Exkursionen, Sporttagen oder Projekten genutzt werden können.
Trotzdem sind mehr als 80 Prozent der Schüler mit den materiellen und räumlichen Bedingungen des Sportunterrichts zufrieden. Kritik wurde lediglich, wie bereits 2003, an ungenügend ausgestatteten, baufälligen und maroden Sportanlagen, zu kleinen und zu alten Turnhallen und Umkleideräumen sowie unzureichenden sanitären Anlagen geäußert.
Nutzung außerunterrichtlicher Sportangebote unbefriedigend
75 Prozent sächsischer Schüler haben pro Woche mindestens drei Schulstunden Sport. Was den außerunterrichtlichen Schulsport betrifft, so bieten 40 Prozent der befragten Schulen sportbezogene Arbeitsgemeinschaften an, die von cirka zehn Prozent der Schüler wahrgenommen werden. Joachim Golde, Referent des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus, erachtet daher "die Einhaltung der vorgegebenen Sportstundenzahlen an sächsischen Mittelschulen und Gymnasien sowie die Ausrichtung der außerunterrichtlichen Sportangebote auf die Wünsche der Schüler für wesentlich, will man dem zunehmenden Bewegungsmangel im Alltag und den damit verbundenen gesundheitlichen Folgen entgegenwirken".
Einen Sportförderunterricht gibt es, nach Angaben der Lehrer, an 42 Prozent der Mittelschulen und Gymnasien. "In Anbetracht sinkender motorischer Leistungen von Schülern, findet der Sportförderunterricht noch immer an zu wenigen Schulen statt, obwohl sich das Angebot im Vergleich zur Untersuchung von 2003 mehr als verdoppelt hat", sagt Thomas Borchert, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur Sportpädagogik/-didaktik und Projektkoordinator. Im Mittel sind Jungen in ihrer Freizeit zwei bis vier Stunden pro Woche sportlich aktiv, Mädchen bewegen sich dagegen nur ein bis zwei Stunden. 15 Prozent der Schüler treiben nur selten Sport. Auch bei der Mitgliedschaft im Sportverein zeigen sich Unterschiede, und zwar hinsichtlich des Bildungsniveaus: "Ungefähr 60 Prozent der Gymnasiasten betreiben eine oder mehrere Sportarten in einem Sportverein, bei den Mittelschülern sind es nur etwa 45 Prozent. Die beliebteste Sportart bei den Jungen ist nach wie vor Fußball, Mädchen bevorzugen Leichtathletik und Volleyball", berichtet Michael Rieß, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur.
Im Schuljahr 2004/05 wurde in Sachsen eine neue Generation von Lehrplänen für den Sportunterricht an sächsischen Mittelschulen und Gymnasien verbindlich. Mit diesem zeigen sich sächsische Sportlehrer mehrheitlich "sehr zufrieden". Lediglich 2,5 Prozent verwenden den aktuellen Sportlehrplan nach eigenen Angaben noch nicht. "Die Ursachen dafür liegen zum einen in Unterrichtsroutinen, persönlichen Interessen und Erfahrungen der Sportlehrer, die sich im Verlauf der Berufskarriere manifestiert haben. Zum anderen zeigt sich hier ein wesentliches Problem der Lehrplanarbeit, das darin besteht, dass die Lehrplantexte nicht gradlinig zur praktischen Realisierung führen", so Prof. Hummel.
Weitere Untersuchungen
Im Dezember 2007 startete das zweite Teilmodul der Studie "SportQ". Ziel dessen ist es, den "Zusammenhang zwischen motorischer Leistungsfähigkeit und dem sozioökonomischen Status sächsischer Schüler" zu analysieren. Das dritte Teilmodul, das im zweiten Quartal 2008 beginnen wird, untersucht die Wirksamkeit von Schulsport auf das individuelle gesundheitsbezogene Bewegungs- und Ernährungsverhalten von Schülern. Die Ergebnisse der gesamten Studie wird das Sächsische Staatsministerium für Kultus Ende 2009 präsentieren.
Weitere Informationen erteilt Thomas Borchert, Professur Sportpädagogik/-didaktik, Telefon 0371 531-36817, E-Mail thomas.borchert@phil.tu-chemnitz.de.
Katharina Thehos
18.03.2008