Damit Baumaterialien mit der Architektur mithalten
Form trifft Technologie: Die Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung der TU Chemnitz forscht an Leichtbautechnologien für Brücken, Überdachungen und Hallen
Das Dach des Münchner Olympiastadions und die Kirche Sagrada Familia in Barcelona sind zwei bekannte Beispiele für organische Architektur - die Form des Bauwerkes entsteht dabei aus seiner Funktion und dem verbauten Material heraus. "Diese organische Architektur hat sich beim Bau von Gebäudehüllen in den vergangenen Jahren weit verbreitet. Neben der Freiform-Gestaltung steht dabei die Integration von Funktionen in die Gebäudehülle im Vordergrund - etwa die Beleuchtung oder Energieerzeugung", sagt Dr. Sandra Gelbrich von der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung (SLK) der Technischen Universität Chemnitz und ergänzt: "Mit konventionellen Materialen wie Stahlbeton, Stahl oder Holz kann so etwas nicht umgesetzt werden. Gebraucht werden neue Leichtbaukomponenten und variable Herstellungstechnologien." Gelbrich leitet seit dem 1. Mai 2011 das Verbundforschungsprojekt "Entwicklung von neuen, leichtbaugerechten Strukturkomponenten und Verarbeitungstechnologien für neue Generationen von Tragwerken", an dem neben der Professur SLK der TU Chemnitz auch die Fiber-Tech Group und die Unternehmensgruppe Erfurth + Partner sowie die Hentschke Bau GmbH, die Steelconcept GmbH und das Sächsische Textilforschungsinstitut STFI e.V. beteiligt sind. Gefördert wird das Projekt für 25 Monate mit mehr als zwei Millionen Euro von der Sächsischen AufbauBank (SAB).
Das Augenmerk liegt auf dem Einsatz von neuen Faser-Kunststoff-Verbunden (FKV), deren Festigkeit und Steifigkeit richtungsabhängig und dadurch variabel ist. Außerdem sind sie kaum anfällig für Rost. Die FKV können speziell für ihre späteren Aufgaben maßgeschneidert werden und sind extrem leicht. Die Wissenschaftler wollen das Potenzial der FKV für den Einsatz als Baumaterial besser ausschöpfen. "Dafür sind neue Lösungskonzepte nötig. Im Forschungsprojekt soll die Basis für die Anwendung leichtbaugerechter Strukturkomponenten in modularer Bauweise für Tragwerke geschaffen werden. Dazu zählen etwa Brücken, Überdachungen und Hallen", sagt Gelbrich und ergänzt: "Durch die zielgerichtete Kombination von neuartigen, kosten- und energieeffizienten Leichtbautechnologien und fortschrittlichen Funktionsbauweisen streben wir die Entwicklung von flexibel gestalteten Tragsegmenten in Verbundbauweise für neue Generationen von Tragwerken an."
Das Projekt wird auch von der Stadt Chemnitz unterstützt. So finden unter Leitung von Baubürgermeisterin Petra Wesseler ab Oktober 2011 projektbegleitende Workshops statt, die sich mit Material, Formfindung und Technologie für Architekten und Ingenieure beschäftigen. Zudem stellt die Stadt Chemnitz eine Referenzfläche für die im Projekt entwickelten und umgesetzten Demonstratoren zur Verfügung. Die Wissenschaftler planen zwei verschiedene Tragwerke: eine Leichtbaubrücke und einen Leichtbaupavillon. "Wir sind zuversichtlich, dass durch dieses Projekt ein Alleinstellungsmerkmal für die Stadt Chemnitz entsteht und somit auch ein Mehrwert für die beteiligten sächsischen Unternehmen erzielt wird", sagt Prof. Dr. Lothar Kroll, Inhaber der Professur SLK, und ergänzt: "Herausragend für das Forschungsprojekt ist zudem die Zusammenarbeit mit dem Atelier des gebürtigen Chemnitzers Prof. Frei Otto, der in beratender Funktion wichtige Denkanstöße in Richtung Formfindung und Technologie gibt." Otto zählt zu den wichtigsten Vertretern organischer Architektur - von ihm stammt unter anderem das Dach des Münchner Olympiastadions.
Weitere Informationen erteilt Projektleiterin Dr. Sandra Gelbrich, Telefon 0371 531-32192, E-Mail sandra.gelbrich@mb.tu-chemnitz.de.
Katharina Thehos
03.06.2011