Auf der Suche nach goldenen Passregeln
Bewegungswissenschaftler der TU Chemnitz analysieren alle Spiele der Fußball-Europameisterschaft 2012, wovon Trainer und Fußballschuh-Hersteller profitieren können
Wenn am 8. Juni das Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft zwischen Polen und Griechenland angepfiffen wird, beginnt für Christian Mitschke von der Professur Bewegungswissenschaft der Technischen Universität Chemnitz der praktische Teil seines Forschungsprojektes. Gemeinsam mit vier Studierenden des Studienganges Präventions-, Rehabilitations- und Fitnesssports wird er alle 31 Spiele genau unter die Lupe nehmen. Die Begegnungen der 16 Nationalmannschaften, die bis zum 1. Juli stattfinden, werden dazu aufgezeichnet und anschließend am Computer genau analysiert.
Das besondere Interesse der Bewegungswissenschaftler gilt dabei den Füßen aller auf den Rasen auflaufenden Fußballer. "Wir untersuchen im Bereich der unteren Extremitäten verschiedene leistungsbestimmende Faktoren bei diesen Spielern", sagt Mitschke. So interessiert dabei beispielsweise, mit welchem Teil des Fußes bzw. Schuhs ein Pass am häufigsten gespielt wird.
Jeder einzelne Pass während der Fußball-EM wird genau beschrieben. Dazu Mitschke: "Wir analysieren dabei auch, ob dieser Pass hoch oder flach beziehungsweise kurz oder weit erfolgt und ob er letztendlich erfolgreich war oder nicht. Im Weiteren wird untersucht, ob es im Passverhalten einen Unterschied zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Mannschaften gibt, ob es einen Zusammenhang zwischen der Spielzeit und der Pass- oder Schuss-Erfolgsquote gibt und inwieweit sich die einzelnen Spielpositionen in einer Mannschaftsaufstellung in Passtechnik und deren Umsetzung unterscheiden."
Wenn alle Fußball-EM-Spiele ausgewertet sind, lassen sich viele Fragen bezogen auf die beteiligten Nationalmannschaften beantworten: Existieren Unterschiede bei der Schusstechnik der Spieler einer erfolgreichen und weniger erfolgreichen Mannschaft? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Passquote und der erspielten Torchancen und Tore? Und selbst die Frage aller Fragen wollen die Chemnitzer Bewegungswissenschaftler nach der mehrwöchigen Analyse beantworten: "Warum genau wurde diese eine Mannschaft Fußball-Europameister 2012?"
"Die Ergebnisse der Spielanalyse der EM 2012 sollen den modernen und erfolgreichen Fußball der besten europäischen Nationalmannschaften detailliert aufschlüsseln", sagt Prof. Dr. Thomas Milani, Inhaber der Professur für Bewegungswissenschaft. Des Weiteren könne die Analyse interessierten Trainern Stärken und Schwächen der Mannschaften bzw. der Spielsysteme aufzeigen. "So können später unter anderem Trainingseinheiten besser geplant, Technikschwerpunkte gesetzt und Schwächen beseitigt werden", meint Milani
"Die Untersuchungsergebnisse seien auch bei der künftigen Entwicklung neuer Fußballschuhe von Bedeutung", sagt Mitschke. Aufgrund der unterschiedlich hohen positionsbedingten Beanspruchung der Schuhe und der unteren Extremität bei einzelnen Schuss- oder Passarten, könne die Materialbeschaffenheit weiter optimiert werden, um den Fußballern so ein noch besseres Ballgefühl und mehr Spielkomfort zu vermitteln. Diese Studie ergänzt bisherige Forschungsarbeiten am Institut für Sportwissenschaft der TU Chemnitz. Hier wurde beispielsweise gemeinsam mit dem Sportschuhhersteller PUMA mehr als drei Jahre an einem Fußballschuh geforscht, der den Ansprüchen von Kunstrasen genügt. "Dies zeigt, dass selbst in einem Sportschuh sehr viel Wissenschaft steckt", sagt Mitschke.
Der MDR-Sachsenspiegel berichtet vom Fußballfieber in Sachsen, unter anderem auch über die Spielanalyse der TU Chemnitz - der Beitrag ist hier zu sehen.
Weitere Informationen erteilen Prof. Dr. Thomas Milani, Professur für Bewegungswissenschaft, Telefon 0371 531-34536, E-Mail thomas.milani@hsw.tu-chemnitz.de, und Christian Mitschke, Telefon 0371 531-32196, E-Mail christian.mitschke@hsw.tu-chemnitz.de.
Mario Steinebach
08.06.2012