Besenstiel statt Lineal
In den 1970er-Jahren studierte Jörg Quasniczka Maschinenbau an der TH Karl-Marx-Stadt: Es waren Zeiten ohne computergestützte Zeichenprogramme, die von den Studenten viel Kreativität forderten
Ein Hochschulstudium kann nicht nur begeistern, faszinieren und unendlichen Spaß bereiten. Vielmehr gehören oft auch eine gehörige Portion Anstrengung, viel Disziplin und Einsatz zu einer solchen mehrjährigen Ausbildung. Kaum jemand weiß das wahrscheinlich besser als Jörg Quasniczka, der von 1976 bis 1980 in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, Maschinenbau studierte: "Das Studium im Allgemeinen machte mir Spaß, nur interessierte ich mich für einige Fächer natürlich mehr als für andere. Es gab außerdem Kurse wie zum Beispiel die höhere Mathematik, die mir Schwierigkeiten machten. Da aber gerade die Ingenieurswissenschaften vielfältig auf mathematischen Grundlagen basieren, musste ich mich dort gehörig anstrengen, um die Anforderungen zu bewältigen. Am Ende gelang mir das auch", erinnert sich Quasniczka und ergänzt: "Dafür hatte ich die stärker praxisorientierten Fächer in Richtung Zerspanung, Bohren, Drehen und Fräsen oder auch technisches Zeichnen besonders gern." Gerade das technische Zeichnen war zur damaligen Zeit noch eine echte Herausforderung. So konnten sich die Konstrukteure nicht etwa wie heute auf moderne Computerprogramme verlassen. Vielmehr war Zeichnen in den 1970er-Jahren noch mit Handarbeit und viel Fingerspitzengefühl verbunden. "Wir Technologen zeichneten meistens auf unseren Zimmern. Der Zeichensaal war von den Konstrukteuren besetzt. Große Zeichnungen wurden in Ermangelung eines entsprechenden Zeichenbrettes auf dem Fußboden vollendet. Ich kann mich erinnern, dass ich lange Striche mit dem Besenstiel ziehen musste, da ich ein entsprechendes Lineal nicht besaß", so Quasniczka.
Doch letztlich lohnte sich die Mühe für den Maschinenbaustudenten. So erhielt Quasniczka im Anschluss an sein Studium eine Anstellung als Technologe in einem Zweigwerk des Motorradwerkes Zschopau: "Als junger Ingenieur konnte ich mich ein wenig austoben. Doch das Werk lag weit abgeschieden im Flöhatal am Hetzdorfer Viadukt und ich suchte doch mehr die Nähe zu Chemnitz. Also wechselte ich ins Sportgerätewerk Niederwiesa als Produktionsleiter. Zur Wende 1989 arbeitete ich als IT-Gruppenleiter im Barkas-Werk Frankenberg. Es war schnell klar, dass dieses Werk von massiven Umstrukturierungen und Personalabbau betroffen sein wird. So war es für mich und viele andere unumgänglich, sich beruflich neu zu orientieren", sagt Quasniczka, der aus diesem Grund nach Paderborn zur Benteler-Gruppe wechselte und dort für einen Zeitraum von acht Jahren in der Presserei als Fertigungsingenieur arbeitete. Gern erinnert sich Quasniczka noch heute an die vielfältigen und interessanten Projekte, die den gesamten Fertigungsablauf für Formteile umfassten. Neben der Fabrikplanung oder der Produktion von Pressteilen war Quasniczka dabei unter anderem auch für das sogenannte Hot Stamping, also die Herstellung von Blechen unterschiedlicher Blechdicke sowie das Schweißen in Pressen verantwortlich.
Vor allem aufgrund der Begeisterung für seine damaligen Aufgaben stand Quasniczka 1999 vor einer schwierigen Entscheidung: "1999 hatte ich die Möglichkeit, als Unterstützung für Product Launches in die USA zu gehen - zunächst auf Delegierungsbasis für eine begrenzte Zeit. Da auch angeboten wurde, bei längerem Aufenthalt die Familie mit zu überführen, entschlossen wir uns, das anzunehmen und zogen im Jahre 2000 nach Elkhart in Indiana." In Goshen, dem neuen Unternehmensstandort, arbeitete Quasniczka in verschiedenen Positionen, um die damals neue Technologie des Hot Stampings für den Markt in den USA vorzubereiten. Rückblickend war Quasniczka in diesem Zusammenhang besonders über die fundierte Ausbildung an seiner Hochschule dankbar: "Von der Fabrikplanung bis zu Zeitstudien, Widerstandspunktschweißen und der Werkstoffkunde mit Eisenkohlenstoff-Diagramm war alles gefragt. Teilweise waren die Inhalte noch sofort abrufbar - einiges musste ich aber auch erst wieder nachlesen."
Aus der eigentlich auf zwei Jahre begrenzten Unterstützung wurden so zehn Jahre und der Erhalt der Green Card komplettierte die Auswanderung aus Deutschland schließlich. Seit 2012 arbeitet Quasniczka nun in Tennessee. Das Unternehmen MAGNA International hatte den deutschen Auswanderer für eine Stelle als Technischer Leiter abgeworben. Der ehemalige TH-Student ist nun verantwortlich für Neuanläufe, Prozessentwicklung und Instandhaltung in einem Werk mit 770 Beschäftigten.
(Autorin: Ina Huke)
Katharina Thehos
30.04.2013