Gemeinsam Ausstellungen erleben: Multitouch im Museum
TU Chemnitz und Sächsisches Industriemuseum wollen nicht nur Kindern neue Wege aufzeigen, wie das in Ausstellungen erworbene Wissen spielerisch vertieft werden kann
Museen haben es in unserer digitalen Welt nicht leicht, Wissen auf moderne Art und Weise zu vermitteln oder einen zeitgemäßen Zugang zu Exponaten zu schaffen, die aus einer anderen Zeit stammen. Einen innovativen Weg geht in Chemnitz das Sächsische Industriemuseum gemeinsam mit der Technischen Universität. Bereits jetzt wird dieser im Ausstellungsbereich des Museums sichtbar - hier steht ein farbenfroher Tisch mit beleuchteter Oberfläche. Um ihn herum sitzen gerade vier begeisterte Kinder, die virtuelle Spielkarten mit den Fingern hin- und herschieben. Ziel der Spieler ist es, gemeinsam Museumsexponate nach ihrem Entstehungsjahr zu ordnen. Abwechselnd dürfen die Spieler immer jeweils eine Karte in die Mitte legen. Wer falsch liegt, bekommt Strafkarten. Gewonnen hat der Spieler, der als erster keine Karten mehr besitzt.
Klingt simpel, ist es aber nicht. Denn hinter diesem interaktiven Multitouch-Tisch, seinem ausgeklügelten Design und der im Inneren verborgenen Software steckt ein langjähriges Projekt des interdisziplinären Graduiertenkollegs "CrossWorlds" an der TU, das in Kooperation mit dem Industriemuseum durchgeführt wird. Bereits seit April 2012 arbeiten der Informatiker Michael Storz und die Sozialwissenschaftlerin Kalja Kanellopoulos an der Entwicklung dieses mehrnutzerfähigen Tisches. Unzählige Videoaufnahmen von Nutzersituationen, Skizzen, Fotos sowie Gespräche mit Museumsbesuchern und -personal wurden bereits ausgewertet. Und auch aktuell läuft bis zum 11. Dezember 2013 eine groß angelegte empirische Studie. Jedes Zwischenergebnis fließt in die Optimierung und Weiterentwicklung des Tisches ein. Finanziert wird das Projekt noch bis April 2015 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. "Dann verbleibt das komplette Equipment im Industriemuseum, wo die Besucher am 46-Zoll-Bildschirm und der darauf liegenden Multitouch-Oberfläche künftig sogar einen Pkw Trabant selbst zusammenbauen können", verrät Dr. Rita Müller, wissenschaftliche Referentin im Sächsischen Industriemuseum.
Und noch weitere technische Finessen sollen bis zum Projektende hinzukommen. "Unser Ziel ist es, dass der Tisch durch integrierte Kameras die Nutzer erkennen kann, um je nach Anzahl oder geschätztem Alter automatisch geeignete Interaktionsangebote machen zu können", sagt Storz. Betreut wird das Projekt an der TU Chemnitz durch Prof. Dr. Claudia Fraas (Professur Medienkommunikation) sowie Prof. Dr. Maximilian Eibl (Professur Medieninformatik). Eingebunden ist auch die Produktdesignerin Julia Franke aus Chemnitz, die mit den TU-Forschern ein auf das Industriemuseum zugeschnittenes Designkonzept für den interaktiven Tisch entwickelte. "Die Anordnung der verschiedenen Frei-, Sitz-, Knie- und Trittflächen soll unterschiedlichen Nutzergruppen wie Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, älteren Besuchern oder Rollstuhlfahrern eine barrierefreie Interaktion ermöglichen", erläutert die Designerin. Unterstützt wird das Entwicklerteam weiterhin von Studenten der Informatik und der Medienkommunikation.
In der laufenden empirischen Studie wird über einen Zeitraum von vier Wochen hinweg der aktuelle Prototyp des Multitouch-Tisches im Industriemuseum getestet. Dieser stieß bisher bei den Besuchern auf große Resonanz. So nahmen bereits über 500 Personen an der Untersuchung teil. "Nicht nur die Kinder sind von dem interaktiven Tisch begeistert, auch von Erwachsenen bekommen wir sehr positives Feedback", so Kanellopoulos. Das aufgezeichnete Videomaterial und die protokollierten Gespräche werden mit sozialwissenschaftlichen Methoden ausgewertet und analysiert. In der Folge wird das Design des Tisches und seiner Anwendungen von den Forschern sukzessive weiterentwickelt und optimiert. Erste Anpassungen des Kartenspiels konnten bereits im Verlauf der Studie vorgenommen werden.
Weitere Informationen erteilt Kalja Kanellopoulos, Telefon 0371 531-32493, E-Mail kalja.kanellopoulos@phil.tu-chemnitz.de, http://crossworlds.info
Mario Steinebach
09.12.2013