The „accidental“ Leader? Die Rolle Deutschlands in der Welt aus britischer Perspektive
Dr. Nicholas Wright von der University of East Anglia referierte über die Veränderungen in der deutschen Außen- bzw. Sicherheits- und Verteidigungspolitik seit der Ära Kohl
Im Rahmen des von Prof. Dr. Gerd Strohmeier, Professur Europäische Regierungssysteme im Vergleich der TU Chemnitz, angebotenen Seminars „Von der Verteidigungs- zur Einsatzarmee: Die deutsche Bundeswehr im Vergleich“ sprach Dr. Nicholas Wright von der University of East Anglia in Großbritannien über die Phasen der deutschen Außenpolitik seit 1990 und wie diese sich von der französischen sowie britischen Herangehensweise, insbesondere im Kontext der Europäischen Union, abhebt.
Wright bescheinigte der deutschen Außenpolitik, eine enorme Transformationsphase zu durchlaufen und vom „leadership avoidance reflex“ unter Bundeskanzler Helmut Kohl zu einer gewachsenen Führungsrolle gefunden zu haben. Dabei verfolge die Bundesrepublik bis heute die Prinzipien der Stabilität und Vorhersagbarkeit der Außenpolitik sowie den Aufbau von Vertrauen und zunehmend auch von Selbstvertrauen in der Zusammenarbeit mit ihren multilateralen Partnern. Des Weiteren analysierte Wright die unterschiedlichen Typologien von Führung und bewertete positiv, dass Deutschland zunehmend bereit sei, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Allerdings verwies Dr. Wright auch auf das Dilemma, einerseits das Konzept der Zivilmacht beibehalten und andererseits Bündnisverlässlichkeit gegenüber internationalen Partnern demonstrieren zu wollen. Hierzu müsse Deutschland seinen Mangel an militärischer Macht („capability-expectations gap“) überwinden und sich die Frage stellen, wie es seine militärischen Verpflichtungen in Zukunft erfüllen könne. Aus britischer Perspektive sollte die Bundesrepublik als starke Wirtschafts- und Kontinentalmacht auch mehr militärische Verantwortung in einer zunehmend von Instabilitäten geprägten Welt übernehmen.
Die Ausführungen von Wright leiteten eine anregende Abschlussdiskussion unter den Studierenden ein. So wurde unter anderem über die Bedeutung der „responsiblity to protect“ diskutiert sowie über die Bedeutung militärischer Mittel in der Außenpolitik der Nationalstaaten. Auf die Frage, ob das deutsche Modell, für Auslandseinsätze ein Mandat des Bundestages zu benötigen, auch für Großbritannien und andere Länder sinnvoll sei, reflektierte Wright: „Maybe we end up like Germany, which is not necessarily a bad thing.“
Dr. Nicholas Wright ist Senior Research Associate an der School of Politics, Philosophy, Language and Communication Studies der University of East Anglia. Sein Forschungsinteresse gilt vornehmlich der Frage, wie Außenpolitik in internationalen Organisationen gemacht wird und welche Auswirkungen dies auf die Nationalstaaten hat.
(Autor: Michael Partmann)
Mario Steinebach
30.10.2014