Ein Brett für Olympia?
2014 wurden die Snowboards der Firma silbaerg – einer Ausgründung der TU Chemnitz – zur innovativsten Marke des Jahres gekürt
Einen Draht zur Welt des Snowboards habe er schon immer gehabt. Aus dem Hobby wurde für Jörg Kaufmann, Geschäftsführer des Chemnitzer Snowboard-Herstellers silbaerg, eine Berufung. Neben seiner Doktorarbeit hat er im Kollektiv die Firma aus der TU Chemnitz 2011 ausgegründet und erfährt nun viel Anerkennung für seine Arbeit.
Die Wiege des Erfolgs liegt am Institut für Strukturleichtbau der TU Chemnitz. Unter der Leitung von Prof. Dr. Lothar Kroll entstand die Idee, die dort entwickelte, weltweit einzigartige A.L.D.-Technologie für das Snowboard nutzbar zu machen. A.L.D. steht für „Anisotropic Layer Design“ und meint die speziellen Glas- und Kohlenstofffasern um den Holzkern eines Snowboards. Diese Neuerung lässt eine Verformung der Kanten je nach Fahrsituation zu, wodurch sich das Fahrverhalten verbessert. So erhöht sich spürbar der Kantenhalt, wenn sich die Kante bei einer Kurvenfahrt in den Schnee drückt. Beim Boardslide, einem Trick, bei dem der Snowboarder mit einer 90-Grad-Drehung auf ein Hindernis springt und darüber rutscht, schafft es die Kante hingegen, sich vom Geländer abzuheben. Dadurch wird deren Abnutzung verhindert und ein Verkanten erschwert. Die dafür nötigen A.L.D.-Halbzeuge werden per Hand in Chemnitz hergestellt. Gepresst wird das Board dann bei einem Premiumhersteller in Österreich. Der Unterschied zu anderen Unternehmen der Branche besteht darin, dass jene die Fasern maschinell herstellen und später zusammenlaminieren. Das macht silbaerg zur unikalen Firma weltweit, die diese werkstoffbedingte Technologie in ein Serienprodukt integriert hat.
Dabei ist sich das Unternehmen seiner ökologischen Verantwortung durchaus bewusst. Alle Produktionsschritte werden so regional wie möglich gehalten, um die Transportwege zu Gunsten der Umweltschonung zu minimieren. Eine günstigere Herstellung in Asien lehnt silbaerg aufgrund von schlechten Arbeitsbedingungen und Dumpinglöhnen, die oft damit einhergehen, ab. Zwar seien die Produkte so in einem hohen Preissegment angeordnet, aber man könne auch versichern, Produkte von hoher Qualität anbieten zu können, erklärt Kaufmann.
Allein die Konzeption und der Businessplan konnten verschiedene Fachjurys überzeugen. Dazu zählt auch der Gewinn des ISPO BrandNew Awards, der es dem Team ermöglichte, seine Idee vor einem Fachpublikum bei der ISPO München 2011 vorzustellen. In diesem Jahr folgte dann die Nominierung durch die Jury des Plus X Awards, der innovative Produkte aus Bereichen wie Technologie, Sport und Lifestyle auszeichnet. Bewertet mit den Gütesiegeln für Innovation, hohe Qualität, Design und Funktionalität, heimsten die silbaerg-Snowboards den Preis für die innovativste Marke des Jahres in der Kategorie Sport- und Fitnessequipment ein. Damit stehen sie nun in einer Reihe mit etablierten Marken wie Bosch, Opel oder Adidas. Die Bandbreite der Auszeichnung liegt jedoch nicht nur im technischen Know-how des Teams begründet. “Der Markenaufbau kommt ja nicht wirklich aus dem Ingenieurbereich“, erklärt Kaufmann. „Wir haben mit dem Team ein gutes Händchen gehabt. Zwar wird auch die Technologie bewertet, weil es ohne sie nicht funktioniert, aber wäre der Markenauftritt nicht stimmig gewesen, hätten wir den Preis nicht bekommen.“
Im sportlichen Praxistest konnten die Boards aus Chemnitz ebenso bestehen. Bei den Hochschulmeisterschaften in den französischen Dauphine-Alpen gewannen in diesem Jahr die Wintersportler der TU Chemnitz in den olympischen Disziplinen Boardercross, Slopestyle und Halfpipe sechs Medaillen – darunter drei goldene – auf silbaerg-Snowboards. Auch der österreichische Meister von 2013 fährt in der Halfpipe auf dem Produkt von Ostdeutschlands einzigem Snowboardhersteller. Das von silbaerg unterstützte Team darf sich außerdem Vizemeister im Snowkiten und Freestyle nennen.
Was passiert aber, wenn im Winter kaum Schnee fällt? Einen Markteinbruch muss das nicht bedeuten. Zwar sei das weltweite Produktionsvolumen von Snowboards im vergangenen schneearmen Jahr zurückgegangen, „aber wir sind so aufgestellt, dass wir wachsen“, zeigt sich Kaufmann zufrieden. „Da wir uns in einer interessanten Nische bewegen, sind wir nicht ganz so wetterabhängig wie jemand, der breit aufgestellt ist und für die Masse verkauft.“ Außerdem bedeutet in der Branche wenig Schneefall auch einen höheren Verschleiß, wodurch neue Snowboards angeschafft werden müssen.
Neben verstärktem Marketing, um die Snowboards noch bekannter zu machen, sieht Kaufmann in der Stabilisierung und Internationalisierung der Produkte ein Ziel des Unternehmens. Bisher sind die größeren Absatzmärkte Deutschland und Österreich. Aber auch in die Niederlande, nach England und in die Schweiz wurden bereits Snowboards verkauft. Zuverlässige Partner in anderen Ländern, die sich mit der Marke identifizieren können, sind gern gesehen. So liegen derzeit Anfragen aus Neuseeland und Japan vor. Die Snowboards werden zudem ständig optimiert. Zentrale Themen für eine neue Serie in naher Zukunft sind dabei die Arbeit mit nachwachsenden Rohstoffen und die weitere Verbesserung der Fahreigenschaften.
Geweckt wurde auch das olympische Interesse. Seit diesem Winter unterstützt silbaerg Niklas Vogt, einen 13-jährigen Snowboarder, der im Nachwuchskader der deutschen Nationalmannschaft für die Halfpipe-Wettbewerbe der Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang trainiert. Für Kaufmann „wäre es natürlich gigantisch, wenn wir es schaffen, einen Olympia-Sieger auf einem silbaerg-Snowboard zu küren“. Die Marke sei aber auch so auf einem guten Weg. „Wir müssen schauen, dass wir alles so beibehalten, die Kunden weiterhin zufrieden sind, wir die Marke behüten und jeder Spaß mit den Snowboards hat“, hebt er abschließend hervor.
(Autor: Andy Schäfer)
Katharina Thehos
18.11.2014