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Diversität und Denkfreude als Erfolgsfaktoren

Erste Antrittsvorlesung an der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften: Prof. Dr. Anja Strobel und Prof. Dr. Bertolt Meyer stellten am 3. Februar 2015 ihre Forschungsthemen vor

  • Prof. Dr. Bertolt Meyer sprach über die wachsende Heterogenität in der Gesellschaft. Sein Fazit auf die Frage, ob Diversität gut oder schlecht ist: „Es kommt darauf an.“ Foto: Katharina Thehos
  • Prof. Dr. Anja Strobel referierte über die Freude am Denken: „In EEG-Untersuchungen, also bei der Darstellung der hirnelektrischen Aktivität, finden wir bei Personen mit höheren Ausprägungen im `Need for Cognition´ bereits Hinweise auf eine automatisierte, habitualisierte Hinwendung zu neuen Reizen, die vielleicht mit Informationsgewinn einhergehen, praktisch eine sehr schnelle Reaktion, bereits auf vorbewusster Ebene.“ Foto: Katharina Thehos

„Diversität und Denkfreude als Erfolgs­faktoren in Schule und Beruf: Betrach­tungen auf Gruppen- und Individual­ebene“ lautete der Titel der gemeinsamen Antritts­vorlesung von Prof. Dr. Anja Strobel und Prof. Dr. Bertolt Meyer am 3. Februar 2015. Beide wurden im Jahr 2014 auf ihre Professuren am Institut für Psychologie der Technischen Universität Chemnitz berufen. Mit ihrer Antritts­vorlesung bildeten sie eine Premiere an der Fakultät für Human- und Sozial­wissenschaften. „Wir möchten diese wichtige Tradition der Antritts­vorlesungen an unserer Fakultät künftig weiterführen“, sagte Prof. Dr. Thomas Milani, Dekan der Fakultät für Human- und Sozial­wissenschaften, in seinen einleitenden Worten.

Zunehmende Heterogenität in der Gesellschaft

Prof. Meyer, seit Juli 2014 Inhaber der Professur Organisations- und Wirtschafts­psychologie, sprach in seinem Teil der Vorlesung über die zunehmende Heterogenität in der Gesellschaft – von der Schule bis in den Arbeitsmarkt. Hierbei stellte er verschiedene Theorien der Diversitäts­forschung vor: Besagt die eine, dass Menschen vor allem solche anderen Menschen mögen, die möglichst gleich sind, so sagt die zweite Theorie, dass das Zusammen­bringen unterschiedlicher Erfahrungen, Wissens­schätze und Problem­lösungen ein Gewinn für alle Beteiligten ist. „Das sind zwei widersprüchliche Vorhersagen – und das macht das Forschungsfeld so spannend“, sagte Meyer, der im Folgenden auch sein präferiertes Modell vorstellte: das der „Faultlines“. „Faultlines sind das erste Konstrukt in über 40 Jahren Diversitäts­forschung, das in Meta-Analysen konsistente Ergebnisse zeigt“, so der Psychologe. Faultlines – zu Deutsch „Gruppen­bruchlinien“ – sind hypothetische Trennungs­linien, die eine heterogene Gruppe in relativ homogene Subgruppen unterteilen. Eine starke Faultline besteht beispielsweise in einem Team, das aus drei jungen männlichen Informa­tikern und zwei älteren weiblichen Juristinnen besteht. In der Feldforschung waren Faultlines bisher wegen zu komplexer Algorithmen in größeren Gruppen nicht bestimmbar. Meyer hat deshalb gemeinsam mit seinem Team einen Algorithmus entwickelt, der die Rechenzeit bei der Bestimmung von Faultlines so reduziert, dass sie in der Feld­forschung anwendbar sind. In seiner Vorlesung berichtete er von zwei darauf aufbauenden, aktuellen Untersuchungen: eine mit Teams aus Finanz­beratern und eine mit Grundschul­klassen. Schulklassen werden für die Forschung zu Diversität zunehmend relevant, da es nicht nur stets mehr Kinder mit Migrations­hintergrund gebe, sondern durch die UNESCO-Leitlinie zur Inklusion auch zunehmend Kinder mit erhöhtem Förderbedarf in Regel­schulen unterrichtet werden. Ein Ergebnis seiner Untersuchung an einer Schweizer Grundschule ist, dass das Verhalten von Schülern stark von der Einstellung ihrer Lehrer abhängt – ist ein Lehrer der Diversität in der Klasse gegenüber aufgeschlossen, sind die Kinder signifikant seltener dazu bereit, Kinder mit erhöhtem Förder­bedarf auszuschließen. Aktuell laufen derartige Untersuchungen per Fragebogen – in Zukunft wollen die Chemnitzer Organisations­psychologen um Prof. Meyer zunehmend den Einsatz von tragbaren Sensoren, so genannten Sociometric Badges, untersuchen. Mit ihnen lässt sich das Sozial­verhalten von Einzel­personen innerhalb von Gruppen messen.

Vorhersage schulischer und akademischer Leistungen

Prof. Strobel, die seit April 2014 die Professur Persönlich­keits­psychologie und Diagnostik inne hat, stellte ihre Forschung zur kognitiven Motivation – der „Freude am Denken“ – vor. Dieses in der Psychologie als „Need for cognition (NFC)“ bekannte Merkmal lässt sich beispiels­weise gegenüber der Intelligenz abgrenzen und unter anderem per Frage­bogen erheben. „Personen mit hohem NFC erleben intellektuell herausfordernde Aufgaben als interessant und suchen aktiv Informationen, um Probleme zu lösen“, erklärte Strobel. Zum Einsatz kommen könne der NFC-Fragebogen zum Beispiel zur Vorhersage schulischer und akademischer Leistungen. Entsprechende Frage­bögen für Erwachsene und Jugendliche sind bereits etabliert – eine Version für Kinder im Grundschul­alter entwickelte Strobel in der Vergangen­heit gemeinsam mit ihrer Trierer Kollegin Prof. Dr. Franzis Preckel. „Die Reliabilität und Validität dieses Fragebogens ist nachgewiesen, und er liegt inzwischen auf Englisch, Französisch und Finnisch vor. Dadurch kommt er auch in internationalen Kooperationen, zum Beispiel in Luxemburg, zum Einsatz, berichtete Strobel. Zudem setzten Strobel und ihre Kooperations­partner das neue Instrument bei einer Studie in der finnischen Stadt Vantaa ein, wo sie rund 4.000 Schüler aus den Klassen­stufen 3, 6 und 9 untersuchten. Hierbei zeigte sich, dass die gemessene Freude am Denken vor allem zwischen der dritten und der sechsten Klasse erheblich abgefallen ist. „Da dies zum Beispiel in Deutschland die Zeitspanne ist, in der der Wechsel von der Grund- auf eine weiter­führende Schule stattfindet, ist es wichtig, dieses Ergebnis in Zukunft weiter zu untersuchen und Ursachen aufzuklären“, blickte Strobel auf eine der Forschungs­fragen, der sie sich in ihrer Zeit an der TU Chemnitz widmen möchte. Eine weitere Frage für ihre Chemnitzer Arbeit sieht sie darin, ob sich Zusammen­hänge zwischen dem NFC und einem erfolgreichen Studien­abschluss bzw. einem Studien­abbruch feststellen lassen.

Zur Person: Prof. Dr. Anja Strobel und Prof. Dr. Bertolt Meyer

Anja Strobel ist gebürtige Karl-Marx-Städterin. Nach dem Diplomstudium der Psychologie an der TU Dresden wurde sie dort 2004 zur Diagnose von Interviewer­kompetenz im Eignungs­bereich promoviert. Bis 2010 war sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig, bevor sie auf die Junior­professur Prozess­orientierte Diagnostik in Dresden berufen wurde. Im Winter­semester 2011/2012 vertrat sie ihre jetzige Professur an der TU Chemnitz, danach die Professur Diagnostik und Intervention an der TU Dresden. Aktuell beschäftigt sie sich intensiv mit zwei Aspekten und möchte sie in Kontakt mit Partnern der Region in Chemnitz verfolgen: mit dem Persönlich­keits­­merkmal „Freude am Denken“ als Grundlage für schulische und berufliche Leistungen sowie mit „moralischem Handeln“ im Unternehmens­kontext und dessen Voraussetzungen auf Seiten der handelnden Personen.

Bertolt Meyer stammt aus Hamburg. Nach dem Diplom-Studium der Psychologie an der Universität Hamburg und an der Humboldt-Universität Berlin promovierte er mit einem Stipendium der Studien­stiftung des deutschen Volkes 2008 an der Humboldt-Universität Berlin. Parallel arbeitete Meyer im vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „Internetökonomie“. Ab Oktober 2007 bis März 2014 war er Ober­assistent in Sozial- und Wirtschafts­psychologie an der Universität Zürich. Ab April 2014 hat er – wie bereits im Winter­semester 2012/2013 – die Professur für Wirtschafts- Organisations- und Sozial­psychologie an der TU Chemnitz vertreten, bevor er am 1. Juli 2014 auf die neugeschaffene W3-Professur für Organisations- und Wirtschafts­psychologie berufen wurde. Er forscht zu den Auswirkungen von Diversität in Arbeits­teams, zu Determinanten guter Führung und zu Gesundheit am Arbeitsplatz.

Weitere Informationen
zur Professur Organisations- und Wirtschaftspsychologie: https://www.tu-chemnitz.de/hsw/psychologie/professuren/owpsy,
zur Professur Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik: https://www.tu-chemnitz.de/hsw/psychologie/professuren/ppd

Katharina Thehos
05.02.2015

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