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Vertrieben, geehrt, vergessen

Neuerscheinung: Erste Biographie über Sigmund Neumann (1904-1962) vorgelegt, der zu den Gründungsvätern der Politikwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zählt

  • Cover: be.bra wissenschaft verlag

Obwohl heute selbst in Fachkreisen weitgehend vergessen, gehört der emigrierte, 1904 in Leipzig geborene Historiker und Politikwissenschaftler Sigmund Neumann zu den Pionieren vergleichender Diktatur- und Parteienforschung. Schon in der Weimarer Republik der SPD nahe stehend, sah sich Neumann wie seine Lehrer Alfred Weber und Karl Mannheim als Demokrat, schätzte aber methodisch auch seinen in der NS-Zeit später sehr anpassungsfähigen Leipziger Lehrer Hans Freyer, der ihn wissenschaftlich, wie hier erstmals herausgearbeitet wird, stark beeinflusste.

Angesichts des „internationalen Bürgerkriegs“ der Jahre 1914 bis 1945 – ein Terminus, den Neumann ohne Ängste verwendete – verstand er sich von Anfang an als Demokratielehrer. Politische Bildung war ihm schon vor seinem Exil, das ihn 1933 zunächst nach Großbritannien, dann in die Vereinigten Staaten führte, kein abstraktes Feld für Theoretiker. Im Gegenteil: Politikwissenschaft und politische Bildung galten ihm als zwei Seiten einer Medaille – ein Verständnis, das im Fach heute bei weitem nicht mehr als Selbstverständlichkeit gilt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1949 unterstützte Neumann den Neuaufbau der Politikwissenschaft. Als Gastprofessor wirkte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der Freien Universität Berlin, an beiden Universitäten wurde ihm die Ehrendoktorwürde verliehen.

Die von Dr. Michael Kunze, der an der Philosophischen Fakultät der TU Chemnitz promoviert wurde, vorgelegte Studie rekonstruiert nun beides: einerseits Neumanns Leben in Deutschland bis zur Emigration und seine Reisen zurück in die Heimat nach 1945 im Auftrag der Amerikaner. Zum anderen gibt sie Aufschluss über seine Arbeit als Wegbereiter der komparatistischen Politikwissenschaft und ordnet diese ein in den Stand der Wissenschaft seiner Zeit, ohne den Blick auf Neumanns Aktualität außer Acht zu lassen.

Zum Autor: Dr. Michael Kunze

Geboren 1982 in Zwickau, studierte Michael Kunze von 2002 bis 2007 Politikwissenschaft, Sozial- und Wirtschaftsgeographie sowie Soziologie an der TU Chemnitz und an der Universität Bradford (Nordengland) und wurde 2014 mit der Arbeit „,Die politische Gesamtlage ist schwer erschüttert‘. Sigmund Neumann als Demokratielehrer im Zeitalter des internationalen Bürgerkrieges“ an der TU Chemnitz promoviert. Er war Wirtschaftsredakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und arbeitet seit Herbst 2014 als Journalist für die Chemnitzer „Freie Presse“.

Bibliographische Angaben: Kunze, Michael: Sigmund Neumann. Demokratielehrer im Zeitalter des internationalen Bürgerkriegs. (Biographische Studien zum 20. Jahrhundert, Bd. 4. Herausgegeben von Frank-Lothar Kroll). be.bra wissenschaft verlag: Berlin 2015. 300 Seiten. ISBN 978-3-95410-052-1. Preis: 42 Euro.

Zur Buchvorschau: http://www.bebra-wissenschaft.de/verzeichnis/titel/678--sigmund-neumann.html

Weitere Informationen erteilt Dr. Michael Kunze, www.michael-kunze.net

Mario Steinebach
15.05.2015

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