Verfolgt, bejubelt, vergessen
Neuerscheinung zur Leipziger Buchmesse: Politische Biographie über den DDR-Autor Bruno Apitz beleuchtet Licht und Schatten seines Lebens - Vortrag am 14. März 2015 bei "Leipzig liest"
Der in Leipzig geborene Schriftsteller und Kommunist Bruno Apitz (1900–1979) erlangte mit seinem Werk „Nackt unter Wölfen“ (1958) weltweite Anerkennung – er war der erste und vielleicht weitstrahlenste Weltbestseller der DDR-Literatur überhaupt. Ein Buch, das in der DDR auch zur Schullektüre gehörte. Apitz, selbst acht Jahre in Buchenwald inhaftiert, erzählt darin die Geschichte eines kleinen jüdischen Jungen, der im Frühjahr 1945 in einem Koffer ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht und bis zum Tag der Befreiung im April 1945 von kommunistischen Häftlingen vor der SS versteckt und damit gerettet wird. Bis heute wurde das Buch weltweit über drei Millionen Mal verkauft und in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Hinzu kam Frank Beyers DEFA-Verfilmung in Schwarz-Weiß.
Dennoch fehlte bislang eine fundierte politische Biographie über den Autor. Der Historiker der Technischen Universität Chemnitz Dr. Lars Förster schließt diese Lücke und gibt der Forschung wie auch interessierten Laien eine differenzierte und quellenbasierte Biographie an die Hand. Dafür hat er Quellen aus elf Archiven in sechs Städten zusammengetragen und ausgewertet sowie mit Zeitzeugen gesprochen. So entstand nicht zuletzt auch ein lebendiges Charakterbild eines höchst sensiblen und einfühlsamen Autors.
Förster beleuchtet wesentliche Facetten von Apitz’ politischem Leben neu, teilweise erstmals - darunter seine bislang unbekannten Schattenseiten. „Wenig bekannt ist nämlich die Tatsache, dass Apitz beim Schreiben von `Nackt unter Wölfen´ lange kämpfen und etliche Umarbeitungen seines Textes hinnehmen musste, bevor das Manuskript in Druck gehen durfte. Dies ist wichtig zu wissen, gerade weil Apitz seit dem Ende der DDR vorgeworfen wurde, im Roman ein übertrieben positives Bild der kommunistischen Häftlinge entworfen zu haben“, so Förster. Kaum veröffentlicht wurde bisher, dass sich Apitz von der Staatssicherheit anwerben ließ. So leitete er von 1957 bis 1959 Post an das MfS weiter, schrieb zwei Berichte und kehrte dem Geheimdienst der DDR bald wieder den Rücken. „Apitz’ frühe Kündigung zeigt“, so Förster, „dass er von der Stasi nie völlig überzeugt war“. Er hatte auch so seit Anfang der 1960er Jahre seine Schwierigkeiten mit der SED. Davon gelangte aber nichts an die Öffentlichkeit, die Konflikte wurden nach innen ausgefochten. Förster versucht diese Ambivalenzen in seinem Buch in einem differenzierten Licht nachvollziehbar zu machen.
Grundlage des zur Leipziger Buchmesse (12. bis 15. März 2015) im be.bra wissenschaft Verlag erscheinenden Buches ist seine Dissertationsschrift, die im Sommersemester 2014 von der Philosophischen Fakultät der TU Chemnitz im Fach Europäische Geschichte angenommen worden ist. Betreut wurde sie von Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Inhaber der Professur für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der TU Chemnitz, der zugleich Herausgeber der Reihe „Biographische Studien zum 20. Jahrhundert“ im be.bra wissenschaft verlag ist. Zu seinem Buch wird Förster in den kommenden Wochen bundesweit zahlreiche Vorträge halten, unter anderem am Samstag, 14. März 2015, um 14 Uhr im Rahmen von Europas größtem Lesefest „Leipzig liest“ in der Geschäftstelle der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen (Harkortstraße 10, 04107 Leipzig).
Aktuell entsteht in Farbe eine Neuverfilmung von „Nackt unter Wölfen“, die am 1. April 2015 um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen sein wird. Ein Tag vorher gibt Förster im MDR Fernsehen für das Magazin „Geschichte Mitteldeutschlands“ (Sendetermin: 31. März 2015, 21.15 Uhr) in einem Beitrag über Bruno Apitz als wissenschaftlicher Experte Auskunft über seine Forschungsergebnisse.
Försters Anliegen ist es vor allem, Bruno Apitz’ Leben und Werk wieder stärker ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Als geradezu sinnbildlich für das Vergessen des Schriftstellers erscheint der Umstand, dass die 1985 enthüllte Gedenktafel an seinem Leipziger Geburtshaus in der Elisabethstraße 15 entfernt wurde, obwohl die Ehrenbürgerschaft der Stadt bis heute besteht. Vor diesem Hintergrund initiierte Förster in Leipzig ein internationales Symposium mit dem Titel „Verfolgt – Bejubelt – Vergessen. Zum Leben und Werk von Bruno Apitz“, das er zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen in Kooperation mit der Stadt Leipzig organisiert hat. Am Samstag, 18. April 2015, von 11 bis 17 Uhr im Festsaal im Neuen Rathaus (Martin-Luther-Ring 4, 04109 Leipzig) werden Marlis Apitz, die Witwe von Bruno Apitz, sowie Bruno-Apitz-Forscher aus aller Welt, unter anderem aus England, Österreich und Deutschland, vortragen, darunter auch Förster selbst sowie Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, der die Veranstaltung moderieren wird. Försters Engagement trägt bereits erste Früchte: Die Stadt Leipzig sendet bereits Signale, die fehlende Gedenktafel am Geburtshaus von Bruno Apitz zeitnah erneuern zu wollen.
Zur Person: Dr. Lars Förster
Lars Förster, geboren 1986, studierte von 2005 bis 2010 Europäische Geschichte an der TU Chemnitz und wurde 2014 mit der Arbeit „Bruno Apitz (1900-1979). Eine politische Biographie“ an der TU Chemnitz promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Zeitgeschichte sowie im Bereich des historischen Lernens und der politischen Bildung. Bis Ende März 2015 ist er noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Lehrerbildung der TU Chemnitz tätig; ab April 2015 zieht es den gebürtigen Chemnitzer nach Dresden, wo er am Institut für Erziehungswissenschaft der TU Dresden angehende Lehrer im Sachunterricht ausbildet.
Bibliographische Angaben: Förster, Lars: Bruno Apitz. Eine politische Biographie. (Biographische Studien zum 20. Jahrhundert, Bd. 5. Herausgegeben von Frank-Lothar Kroll). be.bra wissenschaft verlag: Berlin 2015. 250 Seiten. ISBN 978-3-95410-054-5. Preis: 36 Euro.
Zur Buchvorschau: http://www.bebra-wissenschaft.de/vzvorschau/titel/679-bruno-apitz.html
Weitere Informationen erteilt Dr. Lars Förster, E-Mail foersterlars@gmx.de.
Mario Steinebach
02.03.2015