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Angewandte Gerontopsychologie und Kognition
Demenzinterventionen
Angewandte Gerontopsychologie und Kognition 

Nicht-medikamentöse Interventionen bei Demenz

Ca. 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenz leben aktuell in Deutschland.

Sowohl sie als auch Ihre Angehörigen stehen vor der Aufgabe, den Alltag trotz der in Folge der Demenz eingeschränkten kognitiven Leistungsfähigkeit zu meistern und das Leben auch weiterhin zu genießen. Die Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung einer Demenz sind sehr limitiert.


Eine wertvolle Unterstützung bieten nicht-medikamentöse Interventionen.

Auf dieser Seite können Sie sich vor allem über Ergotherapie und Verhaltenstherapie bei Demenz erkundigen, da diese Interventionen ihre Wirkung besonders alltagsnah entfalten.1 Natürlich gibt es darüber hinaus noch einige weitere nicht-medikamentöse Interventionen für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, wie beispielsweise kognitive Stimulation, Logopädie, Physiotherapie, Milieutherapie, Musiktherapie etc.


Quelle: Deutscher Verband der Ergotherapeuten (DVE) - https://dve.info/service/presse/pressefotos


Ergotherapie für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen

Ergotherapie ist ein strukturiertes Verfahren zum Erhalt größtmöglicher Selbstständigkeit in den persönlich bedeutsamen Lebens- und Interessensbereichen der Menschen mit Demenz. Besondere Beachtung findet dabei die Wohnumgebung und es wird die Einbeziehung der Angehörigen angestrebt.

Ergotherapie bei Demenz - Das Wichtigste in Kürze

Ergotherapie ist viel mehr als Beschäftigung.
Ergotherapie bei Demenz bietet eine Unterstützung bei persönlich bedeutsamen Alltagsbetätigungen und trägt so maßgeblich zum Erhalt der Selbstständigkeit und der Zufriedenheit von Menschen mit Demenz sowie zur Entlastung pflegender Angehöriger bei.

Die Therapie umfasst unter anderem:
  • Alltagsaktivitäten, berücksichtigt werden individuelle Prioritäten, Interessen & Stärken
  • Beratung/Edukation der Angehörigen, z.B. zu Krankheitsverlauf, Alltagstraining, Ressourcen
  • (Um)Gestaltung der Umgebung, z.B. zur Reduktion von Stürzen, Stärkung der Orientierung
  • Übung von Abläufen und Nutzung von Hilfsmitteln, z.B. in Form von Rollator-Training

Ergotherapie wirkt sich unter anderem auf folgende Bereiche positiv aus:
  • die Selbstständigkeit der Menschen mit Demenz wird erhöht und/oder erhalten 1, 2
  • die Menschen mit Demenz werden aktiviert und können ihren wichtigen Betätigungen (wieder) nachgehen 1, 3 dabei wird der Selbstwert der Menschen mit Demenz gesteigert
  • problematisches Verhalten wird reduziert 1, 4
  • die Lebensqualität wird gesteigert 4
  • die Belastung der pflegenden Angehörigen wird reduziert 2, 4

Die Versorgung mit Ergotherapie kann bei Demenz extrabudgetär erfolgen.

Mehr dazu unter „Extrabudgetäre Versorgung“ und in der PDF zur Budgetierung.

Ergotherapie sollte im Hausbesuch stattfinden, da immer wieder Bezug auf das persönliche Wohnumfeld der Menschen genommen wird.

Ergotherapie kann in verschiedenen Phasen angewendet werden, sollte aber im Optimalfall bereits mit Diagnosestellung initiiert werden.


Die S3-Leitlinie Demenzen empfiehlt Alltagstraining bei Demenz.
„Es gibt Evidenz, dass ergotherapeutische, individuell angepasste Maßnahmen bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Demenz unter Einbeziehung der Bezugspersonen zum Erhalt der Alltagsfunktionen beitragen. Der Einsatz sollte angeboten werden.“

Empfehlungsgrad B, Evidenzebene Ib, Leitlinienadaptation NICE-SCIE 2007 (S3-Leitlinie Demenzen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, & Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde)


Einige der Wirksamkeitsnachweise

[1] Gitlin, L., Corcoran, M., & Winter, L. (2001). A randomized, controlled trial of a home environmental intervention: Effect on efficacy and upset in caregivers and on daily function of persons with dementia. The Gerontologist, 41, 4-14. https://doi.org/10.1093/geront/41.1.4

[2] Graff, M. J. L., Vernooij-Dassen, M. J. M., Thijssen, M., Dekker, J., Hoefnagels, W. H. L., & Olde Rikkert, M. G. M. (2006). Community based occupational therapy for patients with dementia and their care givers: randomised controlled trial. BMJ, 333, 1196-1199. https://doi.org/10.1136/bmj.39001.688843.BE

[3] Phinney, A., Chaudhury, H., & O’Connor, D. L. (2007). Doing as much as I can do: The meaning of activity for people with dementia. Aging & Mental Health, 11, 384-393. https://doi.org/10.1080/13607860601086470

[4] Pimouguet, C., Le Goff, M., Wittwer, J., Dartigues, J.-F., & Helmer, C. (2016). Benefits of occupational therapy in dementia patients: Findings from a real-world observational study. Journal of Alzheimer’s Disease, 56, 509-517. https://doi.org/10.3233/JAD-160820


Literatur

Flotho, W., & Sibold, C. (2014). HED-I Häusliche Ergotherapie bei Demenz. Interventionsprogramm für Menschen mit leichter bis mittlerer Demenz und ihre Angehörigen im häuslichen Umfeld. Idstein: Schulz-Kirchner.

Gitlin, L., & Corcoran, M. (2005). Occupational therapy and dementia care. The home environmental skill-building program for individuals and families. North Bethesda, MD: American Occupational Therapy Association, Inc.

Holthoff, V., Reuster, T., & Schützwohl, M. (2013). ERGODEM. Häusliche Ergotherapie bei Demenz - ein Leitfaden für die Praxis. Stuttgart: Thieme.

Voigt-Radloff, S., Rühlemann, A., & Hüll, M. (2012). WHEDA - Wirksame Häusliche Ergotherapie für Demenzerkrankte und Angehörige. Behandlungsmanual. Idstein: Schulz-Kirchner.


Weitere Informationen finden Sie unter anderem unter:

DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten):

BED (Bundesverband für Ergotherapeuten in Deutschland e.V.):

Frau Gudrun Schaade (Ergotherapeutin, Autorin):





Extrabudgetäre Versorgung

gemäß Heilmittel-Richtlinie und Heilmittelkatalog, Stand Oktober 2020

Die Verordnung von Ergotherapie bei Demenz ist extrabudgetär möglich.

Ab Inkrafttreten des neuen Heilmittelkatalogs (01.01.2021) gibt es zur Vereinfachung nur noch ein Rezept für alle Heilmittel.
Kreuzen Sie für Ergotherapie nach der neurologischen Eingangsdiagnostik Folgendes an:

Heilmittel/Fachgruppe: Ergotherapie
Diagnosegruppe: PS4, 3.4 Dementielle Syndrome (ehemals PS5)
Extrabudgetäre Verordnungen: Besondere Verordnungsbedarfe für Heilmittel nach § 106b Abs. 2 Satz 4 SGB V

Sehen Sie umseitig, welche Diagnosen eine extrabudgetäre Verordnung von Ergotherapie erlauben.

Hirnleistungstraining oder psychisch-funktionelles Training
Außerdem können Sie zwischen Hirnleistungstraining und psychisch-funktionellem Training wählen. Für das Hirnleistungstraining steht pro Einheit eine halbe Stunde Zeit für angeleitete kognitive Übungen zur Verfügung. Die psychisch-funktionelle Behandlung beinhaltet das wertvolle Training täglicher Aktivitäten und es stehen pro Einheit 60 Minuten zur Verfügung.

Literatur

(2020). Heilmittel-Richtlinie und Heilmittelkatalog. Das Standardwerk für die Verordnung von Heilmitteln. Intellimed.


Weitere Informationen finden Sie unter anderem unter:

Kassenärztliche Bundesvereinigung:





[1] Frankenstein, L. & Jahn, G. (2020). Behavioral and Occupational Therapy for Dementia Patients and Caregivers. GeroPsych, 33. https://econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1024/1662-9647/a000225


Verhaltenstherapie für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen

Mit Hilfe von Verhaltenstherapie werden psychologische Symptome bei Demenz, wie beispielsweise Depressionen, Angst, Apathie oder Agitiertheit reduziert, es wird Konflikten vorgebeugt und der Alltag der Menschen mit Demenz wird sinnhaft strukturiert.

Verhaltenstherapie bei Demenz – Das Wichtigste in Kürze

Verhaltenstherapie kann auch bei einer Demenz sehr von Nutzen sein.

Menschen mit Demenz kann eine verhaltenstherapeutische Therapie dabei helfen, die Diagnose zu akzeptieren, sich auf den Alltag mit eingeschränkten kognitiven Kapazitäten vorzubereiten und Sekundärsymptome wie Depressionen oder Angst zu reduzieren.

Angehörigen hilft sie, den Menschen mit Demenz besser zu verstehen, Konflikte zu vermeiden und das Kompetenzerleben zu steigern. So kann depressiven Symptomen vorgebeugt werden.


Die Therapie umfasst unter anderem:
  • Tagesstrukturierung zum Aufbau und zur Stabilisierung von Alltagsaktivitäten
  • Biografiearbeit zum Erhalt kognitiver Funktionen und zur Stärkung des Selbstwertgefühls
  • Verhaltensmanagement zur Reduzierung herausfordernden Verhaltens
  • Paarberatung und Kommunikationstraining zur Auflösung krankheitsbedingter Konflikte
  • Veränderung dysfunktionaler Kognitionen zur Neubewertung der Lebensumstände

Verhaltenstherapie wirkt sich vor allem auf folgende Bereiche positiv aus:
bei Menschen mit Demenz
  • Sekundärsymptomatik, wie beispielsweise Depressionen, Angststörungen 1, 6
  • Lebensqualität und Wohlbefinden 5, 7
  • Aktivität und alltägliche Betätigungen 5
  • kognitive Leistungsfähigkeit 5, 7, beispielsweise Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis

bei Angehörigen von Menschen mit Demenz
  • depressive Symptomatik 3, 8
  • Lebensqualität 4
  • Stress 3, 8 und Belastungsempfinden 1, 4
  • Kompetenz-Wahrnehmung 4

Die S3-Leitlinie Demenzen empfiehlt psychosoziale Interventionen, wie beispielsweise Reminiszenz- Verfahren und Angehörigentrainings. 2


Verschreibung

Verhaltenstherapie eignet sich vor allem für Menschen mit leichter bis mittelschwerer Demenz und ihre pflegenden Angehörigen.
Die Intervention sollte möglichst mit Diagnosestellung initiiert werden.

Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für eine Verhaltenstherapie in der Regel nur dann, wenn bei einem Menschen mit Demenz zusätzlich eine entsprechende Sekundärsymptomatik vorliegt (z.B. Depression, Angststörung) oder wenn sich bei dem Angehörigen eine Anpassungsstörung entwickelt.


Einige der Wirksamkeitsnachweise

[1] Baharudin, A., Che Din, N., Subramaniam, P., & Razali, R. (2019). The associations between behavioral-psychological symptoms of dementia (BPSD) and coping strategy, burden of care and personality style among low-income caregivers of patients with dementia. BMC Public Health, 19. https://doi.org/10.1186/s12889-019-6868-0

[2] Deutsche Gesellschaft für Neurologie, & Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (2016). S3-Leitlinie Demenzen. Stand: 24. Januar 2016. DGPPN & DGN. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/038-013l_S3-Demenzen-2016-07.pdf

[3] Hopkinson, M. D., Reavell, J., Lane, D. A., & Mallikarjun, P. (2018). Cognitive behavioral therapy for depression, anxiety, and stress in caregivers of dementia patients: A systematic review and meta-analysis. The Gerontologist, 59. https://doi.org/10.1093/geront/gnx217

[4] Jütten, L. H., Mark, R. E., Wicherts, J. M., & Sitskoorn, M. M. (2018). The Effectiveness of psychosocial and behavioral interventions for informal dementia caregivers: Meta-analyses and meta-regressions. Journal of Alzheimer’s Disease, 66. https://doi.org/10.3233/JAD-180508

[5] McDermott, O., Charlesworth, G., Hogervorst, E., Stoner, C., Moniz-Cook, E., Spector, A., Csipke, E., Orrell, M. (2019). Psychosocial interventions for people with dementia: A synthesis of systematic reviews. Aging & Mental Health, 23. https://doi.org/10.1080/13607863.2017.1423031

[6] Orgeta, V., Qazi, A., Spector, A., & Orrell, M. (2015). Psychological treatments for depression and anxiety in dementia and mild cognitive impairment: systematic review and meta-analysis. The British Journal of Psychiatry, 207. https://doi.org/10.1192/bjp.bp.114.148130

[7] Pinquart, M., & Forstmeier, S. (2012). Effects of reminiscence interventions on psychosocial outcomes: A meta-analysis. Aging & Mental Health, 16. https://doi.org/10.1080/13607863.2011.651434

[8] Selwood, A., Johnston, K., Katona, C., Lyketsos, C., & Livingston, G. (2007). Systematic review of the effect of psychological interventions on family caregivers of people with dementia. Journal of Affective Disorders, 101. https://doi.org/10.1016/j.jad.2006.10.025


Literatur

Forstmeier, S., & Roth, T. (2018). Kognitive Verhaltenstherapie für Patienten mit leichter Alzheimer-Demenz und ihre Angehörigen. Springer.

Häusler, A., Krause-Köhler, K., Niemann-Mermehdi, M., Nordheim, J., & Rapp, M. (2014). Psychosoziale Therapie bei beginnender Demenz. Das Unterstützungsprogramm für Menschen mit Demenz und ihre Partner. Mabuse-Verlag.

Werheid, K., & Thöne-Otto, A. (2010). Alzheimer-Krankheit. Ein neuropsychologisch-verhaltenstherapeutisches Manual. Beltz.


Weitere Informationen finden Sie unter anderem unter:

Deutsche Alzheimer Gesellschaft:





Artikel zu nicht-medikamentösen Interventionen bei Demenz:

https://www.doctors.today/a/nichtmedikamentoese-therapie-der-demenz-mit-ergotherapie-alltagskompetenz-erhalten-2307724
https://www.landesinitiative-demenz.de/aktuelles/neuigkeiten/ergotherapie-und-verhaltenstherapie-bei-demenz-hausaerztinnen-informieren


Weitere Informationen zu nicht-medikamentösen Interventionen bei Demenz:

Straubmeier, M., Behrndt, E.-M., Seidl, H., Özbe, D., Luttenberger, K., & Gräßel, E. (2017).
Non-pharmacological treatment in people with cognitive impairment. Deutsches Ärzteblatt International, 114.
https://doi.org/10.3238/arztebl.2017.0815
https://www.demenz-aktuell.de/therapie


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