Der Bachelor Wirtschaftswissenschaften geht ins zweite Jahr
Bilanz und Perspektiven: Im Gespräch mit Studiendekan Prof. Dr. Rainhart Lang und Michael Meyer, Fachschaftsvertreter in der Prüfungskommission
Im Gespräch: Prof. Dr. Rainhart Lang und Michael Meyer Foto: Mario Steinebach |
Der Bachelor-Studiengang Wirtschaftswissenschaften läuft nun fast ein Jahr. Wie beurteilen Sie den Start?
Lang: Insgesamt positiv. Wir wurden vom Ansturm überrollt und mussten kurzfristig weitere Übungsgruppen einrichten, um unseren Anspruch auf eine gute Betreuung umzusetzen. Etwa 400 Studenten studieren inzwischen im Studiengang, wobei ein nicht unerheblicher Teil aus den traditionellen Diplomstudiengängen in die Bachelor-Studiengänge umgestiegen ist. Erste Rückmeldungen der Studierenden zeigen, dass die Kompetenz der Dozenten, die Übungsmaterialen, die Stoffvermittlung und die vertrauensvolle Atmosphäre in den Lehrveranstaltungen sehr geschätzt und überwiegend positiv bewertet werden. Einige Probleme gab es bei den Einschreibungen in die Übungsgruppen, der Information der Studierenden, aber auch bei der Verfügbarkeit von Büchern, was vor dem Hintergrund der angesprochenen Studierendenzahl auch nicht sehr verwundert.
Wie verliefen denn die ersten Prüfungen?
Lang: Einerseits zeigte das Prüfungsgeschehen, dass die Studierenden den Stoff gut beherrschen. Andererseits kam es zu kurzfristigen Prüfungsabmeldungen durch die Studierenden in einzelnen Fächern sowie zu Fehlversuchen. Da wurden die Anforderungen in einzelnen Prüfungen doch etwas unterschätzt. Der insgesamt für die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, Vor- und Nachbereitung sowie Lernen für die Prüfungen und Durchführung der Prüfungen verwendete Zeitaufwand von etwa 40 Wochenstunden hat da offenbar bei einigen nicht ganz gereicht. Uns ist schon klar, dass die drei Jahre erhebliche Anforderungen an die Studierenden stellen und wir hoffen sehr, dass durch ein effektiveres Studium und eine rationellere Vorbereitung auch eine erfolgreiche Bewältigung der Prüfungsanforderungen möglich ist.
Herr Meyer, stimmen Sie der Gesamtbilanz von Prof. Lang zu?
Meyer: Grundsätzlich ja. Es hat natürlich niemand erwartet, dass bereits im ersten Durchlauf alles reibungslos läuft. Wenn es einmal zu Problemen kam, wurde versucht, schnell eine studentenfreundliche Lösung herbeizuführen. Es gibt aber auch Einzelprobleme, auf die ich als Studentenvertreter hinweisen muss. Beispielsweise geht der Lernaufwand, der die angestrebten durchschnittlichen 40 Zeitstunden pro Woche ausmachen sollte, von der etwas verklärten Situation aus, dass alle Studenten ihr Studium als reines Vollzeitstudium wahrnehmen können. Sieht man sich allerdings einmal die Realität an, so muss man doch zugestehen, dass es für viele schon aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, diese wöchentlichen 40 Stunden einzig für das Studium aufzuwenden. Viele werden nebenher sicherlich noch einer Arbeitstätigkeit nachgehen - eine Situation, die im derzeit universitätsweit umgesetzten System etwas zu wenig Beachtung findet. Hier sollte schnellstmöglich beispielsweise über die Möglichkeit der Wahrnehmung des Studiums als Teilzeitstudium nachgedacht werden. Man sollte bei all der erfolgsorientierten Studienplanung auch nicht vergessen, dass sich das studentische Leben nicht einzig in Studium und Arbeiten erschöpfen sollte, sondern auch eine angemessene Freizeitgestaltung möglich bleiben muss.
Ein weiterer Problemkreis ist im Bereich des Prüfungsgeschehens zu finden. Hier spielt sicherlich nicht nur eine Rolle, dass die Anforderungen an die Prüfungen unterschätzt wurden, sondern hier muss man auch wieder ein strukturelles Problem einer fehlenden Flexibilität bei der Prüfungsorganisation feststellen. Es ist zwar richtig, dass die Studenten im Laufe des Semesters einen fortwährenden Prüfungsvorbereitungsprozess durchschreiten, dennoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es sehr wichtig ist, sich in einem engen zeitlichen Rahmen vor dem Prüfungstermin nochmals intensiv auf die Einzelfächer vorzubereiten - insbesondere dann, wenn die Studenten neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit oder einem freiwilligen Engagement nachgehen. Allerdings finden die Prüfungen direkt im Anschluss an die Vorlesungszeit in einem dicht gedrängten Zeitraum statt, was dazu führt, dass es durchaus realistisch ist, dass an drei bis vier aufeinander folgenden Tagen jeweils eine Prüfung zu inhaltlich vollständig verschiedenen Themen stattfindet. Dass sich in dieser Situation viele Studenten dazu entscheiden, die eine oder andere Prüfung lieber in das nächste Semester zu verschieben, ist sicherlich verständlich. Ein von den Studentenvertretern in den verschiedenen Gremien der Universität angestoßener Diskussionsprozess zur Verlängerung oder Verlegung der Prüfungszeiträume scheint bisher nicht das erforderliche Gehör zu finden.
Was gibt es Neues ab dem Wintersemester 2007/08?
Lang: Derzeit steht eine "Novellierung" der Studiendokumente an, die noch vor der Sommerpause im Senat beschlossen werden soll. Die wichtigste Änderung besteht darin, dass wir ein weiteres interessantes Berufsfeld und damit zusätzliche Einsatzmöglichkeiten anbieten wollen. Zusammen mit der Professur Berufs- und Wirtschaftspädagogik wird ein entsprechendes Berufsfeld offeriert, das die Studierenden auf ein späteres Studium des entsprechenden Master-Studienganges und damit auf eine Tätigkeit als Dozent in berufsbildenden und Weiterbildungseinrichtungen vorbereiten soll. Bei den Sprachen haben wir eine Eingrenzung vorgenommen und konzentrieren uns nunmehr auf die Ausbildung in der Wirtschaftssprache Englisch, was den Vorteil hat, dass auch eine entsprechende fachliche Vertiefung im Sinne des Ausbildungszieles einer Arbeitsfähigkeit in der Fremdsprache erreicht werden kann. Im Ergebnis einer Zielvereinbarung mit dem Rektorat wird der Studiengang weiter keinen Numerus Clausus erhalten. Natürlich hoffen wir, dass wir im kommenden Semester etwas besser auf einen möglichen Ansturm von Studierenden vorbereitet sind.
Wie beurteilen die Studierenden die Neuerungen?
Meyer: Die angesprochene Fokussierung auf das Englische als im Normalfall einzig wählbare Fremdsprache mag zwar vor dem Hintergrund der Dominanz dieser Sprache vor allem in der Fachwelt nachvollziehbar sein, dennoch wäre eine größere Wahlfreiheit wünschenswert, wenngleich dies unter dem aktuell im gesamten deutschen Bildungsbereich vorherrschenden Sparwahn sicherlich nur unter erschwerten Bedingungen umsetzbar ist. Die mit dem neuen Studiensystem angestrebte Internationalisierung bleibt so natürlich schon in den Startlöchern auf der Strecke. Sieht man sich die Wachstumsregionen der Welt an, mit denen auch unsere Absolventen in Zukunft konfrontiert werden können, so ist das Englische dort doch nur in begrenztem Maße als Hauptsprache ansässig. Nichtsdestotrotz sind neben der Einführung einer neuen Vertiefung natürlich noch weitere Verbesserungen umgesetzt worden. Insbesondere der Bereich der Vermittlung sozialer Kompetenzen ist hier zu nennen, der auf Wunsch der Studenten etwas von der Vermittlung theoretischer Grundlagen weg hin zur eher praktischen Orientierung entwickelt wurde.
Inzwischen haben auch andere Hochschulen einen Bachelor-Studiengang Wirtschaftswissenschaften eingeführt. Warum sollten Studierende nach Chemnitz kommen?
Lang: Ich denke, dass unser Studiengang nach wie vor eine Anzahl von attraktiven Besonderheiten bietet, die auch für den späteren Einsatz bedeutsam sind. Gegenüber anderen universitären Angeboten ist besonders die Sprachausbildung sowie die explizite Vermittlung sozialer Kompetenzen, aber auch die angebotene Berufsfeldorientierung mit Praktikum herauszustellen. Gegenüber Fachhochschulen und Angeboten der Berufsakademien können wir dagegen auf die bewusst breite wissenschaftliche Grundlagenausbildung im Fach verweisen, die die Gewähr gibt, dass die Studierenden im Anschluss an ihr Bachelor-Studium auch den Zugang zu verschiedenen Masterangeboten haben, unbeschadet eines gewählten Berufsfelds. Fachhochschulabsolventen etwa haben dagegen aufgrund eines oft schmaler zugeschnittenen und berufsnäheren BA-Studiums eine beschränktere Auswahl von Masterstudiengängen bzw. müssen aufgrund fehlender wissenschaftlicher Vorbildung erhebliche Arbeit in Brücken- und Übergangskurse stecken.
Meyer: Neben den im Studiengang verwurzelten Vorteilen, die bereits angesprochen wurden, muss natürlich auch noch auf den Standort, also Chemnitz an sich, verwiesen werden. Auch wenn sich die Situation in den letzten Jahren etwas verschlechtert hat, so ist die Universität doch noch immer als überschaubar zu bezeichnen. Mit ihren knapp 10.000 Studenten, wovon etwa 2.300 an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften studieren, ist sie fern vom Massenbetrieb anderer Einrichtungen. Die engagierte Professorenschaft und die erreichbaren Dozenten können sich hier noch auf einzelne Studenten konzentrieren und das Studium kann so auch in problematischen Situationen schnell und zielorientiert in einer angenehmen Atmosphäre verfolgt werden.
Wie schätzen Sie die Kooperation zwischen Fakultät und Studierendenvertretern ein?
Lang: Ich denke, dass es uns insgesamt gelungen ist, mit der Studienkommission und der Prüfungskommission sowie den Veranstaltungsevaluierungen, aber auch der Möglichkeit des direkten Kontaktes, eine gute Basis zu schaffen, damit wir auftretende Probleme im Studiengang schnell erkennen können und damit auch in der Lage sind, kurz- oder langfristig Lösungen zu erarbeiten. Das trifft etwa auf Engpässe wie die Sprachausbildung oder die Anerkennung von Prüfungen zu. Vorschläge aus den Evaluierungen wurden aufgegriffen und wurden an die verantwortlichen Professuren weitergeleitet mit der Bitte um Beachtung bei der künftigen Planung der Veranstaltungen. Fragen der Qualität sind gerade bei diesem Studiengang aufgrund der großen Zahl von Wechslern und der erheblichen Zahl der Studierenden von besonderem Gewicht. Insgesamt bin ich sehr dankbar für die überwiegend konstruktiven Vorschläge und bitte auch um Verständnis, wenn nicht alle zum Teil guten Ideen umgesetzt werden können. Unbeschadet davon kann der Informationsfluss noch verbessert werden.
Meyer: Die Kooperation ist sehr gut. Insbesondere in der Studienkommission werden Probleme aus der Studentenschaft eingebracht und erarbeitete Lösungen zurück in die Studentenschaft getragen. Woran man sicherlich noch arbeiten muss, ist das Verständnis für Verfahrensweisen im universitären Betrieb, die doch etwas formalisiert sind und mit Hilfe von Anträgen und eher selten mit informellen Anfragen vorangetrieben werden. Solche Unklarheiten führen doch hin und wieder zu Verzögerungen. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Vertretungsgedanke auch weiter fortsetzen wird, obwohl das auf sechs Semester verkürzte und konzentriertere Studium vielen Studenten sicherlich nicht mehr erlauben wird, sich langfristig in den studentischen Vertretungen zu engagieren und für andere einzusetzen.
Es gab ja auch einige Kritiken am Aufbau des Studiengangs, so zur Gestaltung der recht großen Module, die zum Teil über mehr als zwei Semester laufen und angeblich die Mobilität einschränken.
Lang: Uns war bei der Gestaltung der Module wichtig, dass diese die zu vermittelnden Qualifikationen, die Wissens- und Kompetenzbereiche in ihren Grundproportionen widerspiegeln. Wir haben uns gegen eine kleinere Zerlegung in 20 und mehr Module, wie zum Teil in anderen Studiengängen anzutreffen, entschieden, da es diesen Entwürfen eben genau an der erforderlichen Transparenz mangelt. Bei der Anordnung der Module war weiter zu beachten, dass manche Kompetenzen eben auch schrittweise und studienbegleitend aufzubauen sind, etwa bei der Sprachausbildung oder bei sozialen Kompetenzen, wo die einzelnen Veranstaltungen wie Wissenschaftliches Arbeiten oder Interkulturelle Kommunikation und Kooperation bewusst in solche Semester gelegt werden, wo die dort vermittelten Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen durch das Ausarbeiten von Seminararbeiten oder einen Auslandsaufenthalt unmittelbar zur Anwendung anstehen. Es handelt sich also um eine wohlüberlegte Strukturierung, die vor allem auch dadurch unterstützt wird, dass nach dem Bachelor- und Masterprinzip ja jede Veranstaltung mit einer Prüfung abschließen muss. Insofern sind die über mehrere Semester laufenden Module eben auch kein Mobilitätshemmnis, weil die Studierenden ja jede Veranstaltung mit entsprechenden studienbegleitenden Prüfungsleistungen abschließen können. Im übrigen erwarten auch unsere SOKRATES-Studenten, die für ein Semester an der Uni weilen, dass ihre einzelnen Veranstaltungen mit Bewertungen und Credits versehen werden.
Wie geht es an Ihrer Fakultät weiter mit der Einführung neuer Studiengänge?
Lang: Die Fakultät ist dabei, die Master-Studiengänge zu entwerfen und bis Ende des Jahres sollen die Studien- und Prüfungsordnungen für diese Master-Studiengänge fertig sein. Wir beabsichtigen dann, etwa im Jahr 2008, eine Clusterakkreditierung aller Bachelor- und Master-Studiengänge der Fakultät, also des gesamten Systems. Davon versprechen wir uns weitere Impulse für die Bachelor-Studiengänge, aber auch Hinweise zur endgültigen Ausgestaltung der Master-Studiengänge vor dem Start. Erfahrungen, etwa mit den Qualitätssicherungssystemen der Bachelor-Studiengänge, werden wir dann ebenfalls auf die Master-Studiengänge übertragen.
Welche Studiengänge sind konkret geplant?
Lang: Es wird einen Master-Studiengang im Bereich der Volkswirtschaftslehre mit einem Schwerpunkt in Umweltpolitik, dem nachhaltigen Wirtschaften und bei internationalen Finanzmärkten geben. Hinzu kommen vier spezialisierte betriebswirtschaftliche Master-Studiengänge in den Feldern Rechnungswesen, Steuern und Controlling, im Wertschöpfungsmanagement, kommunikationsorientiertes Marketing sowie Personal- und Organisationsentwicklung. Die Studiengänge werden jeweils durch mindestens drei oder vier Professuren der Fakultät verantwortlich gestützt und bieten breite Möglichkeiten der Profilierung. Der letztgenannte Studiengang wird durch ein verpflichtendes Auslandssemester international ausgerichtet und soll durch ein komplettes englischsprachiges Semester-Angebot seitens der entsprechenden Professuren der Fakultät auch die Internationalisierung fördern, in dem Partneruniversitäten ihre Studierenden nach Chemnitz schicken können. Darüber hinaus bietet die Fakultät ja schon ab Herbst 2007 den Master-Studiengang Wirtschaftswissenschaften für Juristen an. Weitere Master-Studiengänge werden in Kooperation mit anderen Fakultäten realisiert. So der Master in Finanzmanagement mit der Fakultät für Mathematik oder der Masterstudiengang in Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Maschinenbau. In Kooperation mit der Philosophischen Fakultät ist zunächst der Master-Studiengang im Bereich der Wirtschaftspädagogik geplant. Zu weiteren Kooperationen z.B. bei der Wirtschafskommunikation sowie im Sportmanagement gibt es erste Gespräche. Das klingt zunächst nach sehr vielen Veranstaltungen, kann jedoch dadurch bewältigt werden, indem verschiedene Master-Studiengänge auf gleiche Lehrangebote zurückgreifen.
Herr Meyer, blicken sie angesichts dieser Vorhaben optimistisch in die Zukunft?
Meyer: Ich gehe natürlich davon aus, dass die Erfahrungen, die mit dem unerwarteten Ansturm im letzten Semester verbunden waren, Eingang in die Planungen für die zweite Immatrikulationsrunde finden - der Diskussionsprozess in den letzten Monaten hat gezeigt, dass alle Beteiligten da auf einem guten Weg sind. Bei den geplanten Master-Studiengängen bleibt natürlich zu hoffen, dass diese zulassungsfrei bleiben und im Zweifel jeder Bachelor-Absolvent die Möglichkeit erhält, auch den zweiten Teil des Studiensystems zu durchlaufen. Ich erwarte dabei insbesondere von der Universitätsleitung den Kooperationswillen, die Auswirkungen der bereits angesprochenen Öffnung der Bachelor-Studiengänge auch für den Master-Bereich durchzuhalten. Denn es sollte ja nicht nur Ziel der Universität sein, Bachelor-Absolventen in die Welt zu entlassen, sondern dafür zu sorgen, die Fachleute von morgen durch ein möglichst tiefgründiges Master-Angebot von den Absolventen der Fachhochschulen und ähnlicher Einrichtungen abzuheben.
(Das Gespräch führte Mario Steinebach.)
Mario Steinebach
20.07.2007