„Kritische Reflexion statt Verbot und blindes Vertrauen“
Gelungener Auftakt für „TUCteach“: Rund 220 Interessierte verfolgten die Impulse und Beiträge von Lehrenden, Forschenden und Studierenden über die Bedeutung von KI-Technologien für die Hochschullehre
Im Mai 2023 fand die erste Veranstaltung im Rahmen des neuen Weiterbildungs- und Diskussionsformates „TUCteach“ von Lehrenden für Lehrende an der Technischen Universität Chemnitz mit rund 220 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Im Fokus der Veranstaltung standen die Chancen und Risiken, die sich aus den nun in der Breite verfügbaren KI-Technologien wie ChatGPT für Studium und Lehre ergeben.
Eine Aufzeichnung und Dokumentation der Veranstaltung ist online verfügbar.
Technologische Grundlagen und Einbindung in die Lehre
Prof. Dr. Maximilian Eibl, Prorektor für Lehre und Internationales der TU Chemnitz, eröffnete die erste Ausgabe von „TUCteach“ und stellte fest, dass sich die Lehre einmal mehr wandeln wird. Er betonte: „Studierende müssen den Umgang mit KI-Technologien im Studium lernen.“
Darin waren sich auch die Expertinnen und Experten einige: Alle sprachen sich gegen pauschale Verbote und für einen kritisch-reflektierten Einsatz von KI-Technologien aus.
Zunächst führte Dr. habil Julien Vitay, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Künstliche Intelligenz (Leitung: Prof. Dr. Fred Hamker) in die technologischen Grundlagen von textgenerierenden Modellen. Er charakterisierte ChatGPT als fortschrittliches Sprachmodell, dass auf der Grundlage von statistischen Wahrscheinlichkeiten und Trainingsdaten Wort- und Satzfolgen ermittelt und ausgibt.
Dr. Daniel Pietschmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienforschung, berichtet von seinen Erfahrungen beim Einsatz von ChatGPT und Co. in der eigenen Lehre. Er zeigte auf, wie die verschiedenen Eingaben (sogenannte „Prompts“) zu unterschiedlichen Ergebnissen führen und wie diese mit den Studierenden diskutiert wurden.
Plädoyer für reflektierten Umgang
In kurzen Statements verdeutlichten anschließend sechs Expertinnen und Experten der TU Chemnitz aus den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI), Neurorobotik, Techniksoziologie, Mathematik, Physik kognitiver Prozesse und aus der Studierendenschaft ihre Perspektive auf das Spannungsfeld KI-Anwendungen und Hochschullehre. Auch wenn die Beteiligten in den Details unterschiedliche Perspektiven auf das Thema „KI“ hatten, stimmten sie in wesentlichen Punkten mit Blick auf die Lehre überein: „Kritische Reflexion statt Verbot und blindes Vertrauen“, wie es Prof. Dr. Wolfgang Einhäuser-Treyer, Inhaber der Professur Physik kognitiver Prozesse, auf den Punkt brachte. Er sprach sich für kompetenzorientierte Prüfungen aus und unterstrich, die Fähigkeit, das KI-generierte Ergebnis beurteilen zu können, gewinne an Bedeutung.
Jun.-Prof. Andreas Bischof, Inhaber der Juniorprofessur Soziologie mit Schwerpunkt Technik, plädierte gegen eine Mystifizierung von KI-Technologie in den Medien und für prozessbasierte, formative didaktische Elemente in der Lehre, die KI-Technologien sowohl als Tools als auch Lehrinhalte integrieren. Als Beispiel nannte er Portfolios, anhand derer Lehrende und Studierende Einblick in den Lernprozess und Kompetenzaufbau haben.
Prof. Dr. Florian Röhrbein, mit mehr als 25 Jahren Forschungserfahrung zu KI und Inhaber der Professur Neurorobotik, verdeutlichte den fundamentalen Unterschied zwischen Suchmaschinen wie beispielsweise Google und Systemen wie ChatGPT, die auf Basis von Wahrscheinlichkeiten Antworten zusammenfügen. Er sprach sich u. a. dafür aus, Studierenden ein gutes Grundverständnis für KI zu vermitteln. Wichtig sei ein Bewusstsein dafür, dass sich ein Einsatz von bspw. ChatGPT verbietet, wenn es um den Wahrheitsgehalt von Aussagen gehe.
Margreet Kneita präsentierte als studentische Vertreterin und ehemaliges Mitglied des Student_innenrates (StuRa) der TU Chemnitz u. a. die Ergebnisse einer Blitz-Umfrage. Diese zeigen, dass KI-Tools nicht automatisch zu Prüfungsbetrug führen, Studierende vielmehr KI-Tools zum Lernen schätzen. Der persönliche Austausch mit den Lehrenden wird aber priorisiert. Studierende wünschen sich Unterstützung der Lehrenden beim kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit KI.
Auch Dr. Franziska Nestler, Leiterin des Projektes „Schnelle Algorithmen für transparente Empfehlungssysteme“ (SALE) und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Angewandte Funktionalanalysis (Leiter: Prof. Dr. Daniel Potts), wies darauf hin, dass man sich der Realität von KI-Anwendungen in der Lebenswirklichkeit stellen müsse. Da die Ergebnisse von z. B. KI-generierten Anwendungen im Deep Learning selbst für Fachleute kaum nachvollziehbar seien, gehe es um einen verantwortungsbewussten Umgang damit in der Lehre und bedürfe es weiterer Diskussion mit deren Umgang.
Prof. Dr. Guntram Wagner, Inhaber der Professur Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde, bilanzierte, er sehe als Ombudsperson der TU Chemnitz für wissenschaftliches Fehlverhalten keine Zunahme an Fehlverhalten und Betrugsversuchen. Mit dem voranschreitenden Wandel im wissenschaftlichen Arbeiten und den neuen Möglichkeiten durch verschiedene KI-Systeme, werde effizientes Arbeiten durch schnell verfügbare aktuelle Erkenntnisse möglich und ein größerer Freiraum für die Entwicklung neuer Dinge geschaffen.
Dies gilt auch für die Lehre, wie Ulrike Rada, Referentin für Hochschuldidaktik der Hochschuldidaktik Sachsen (HDS) an der TU Chemnitz unterstreicht. „In der aktuellen Situation, in der sich Lehrenden intensiv mit KI-Anwendungen auseinandersetzen müssen, liegt auch eine große Chance für die Lehre. Für die Gestaltung der Hochschullehre an der TU Chemnitz werden wir das Weiterbildungsangebot für Lehrende weiterhin orientiert an aktuellen Themen und auf Basis der Erfahrungen und Expertise der Lehrenden der TU Chemnitz aufstellen. Dafür war der heutige Tag ein guter Auftakt“, so Ulrike Rada, die sich unter anderem um die Weiterbildung der Lehrenden kümmert.
Mit dem kommenden hochschulinternen Workshop zum Thema „KI-Werkzeuge und die Förderung wissenschaftlichen Arbeitens von Studierenden“ am 26. Mai 2023 steht bereits die nächste Gelegenheit zum Austausch über den Umgang mit KI in der Lehre in den Startlöchern.
Hintergrund: TUCteach
Das Format „TUCteach“ ist ein Angebot der Hochschuldidaktik mit der expliziten Ausrichtung von Lehrenden für Lehrende. Ziel der Weiterbildungen ist es, erprobte Lehrpraxis von Lehrenden der TU Chemnitz anderen Lehrenden zugänglich zu machen und einen Transfer in andere Fachbereiche zu ermöglichen. Es soll zudem ein Forum bieten, um Themen der Lehre, des Lernens und Prüfens hochschulweit zur Diskussion zu stellen und Chancen wie auch Herausforderungen in der Hochschullehre deutlich zu benennen.
TUCteach findet im Sommersemester 2023 an zwei Terminen statt:
- am 5. Juni mit Prof. Dr. habil Matthias Werner, Inhaber Professur Betriebssysteme (zur Anmeldung) und
- am 3. Juli mit Dr. Kerstin Börner, Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement (Leitung: Prof. Dr. Angelika C. Bullinger-Hoffmann), statt, die den Lehrpreis digitale Technologien 2021 erhielt (zur Anmeldung).
Weitere Informationen erteilt Ulrike Rada, Referentin für Hochschuldidaktik, Hochschuldidaktik Sachsen an der TU Chemnitz, E-Mail: hochschuldidaktik@tu-chemnitz.de
Matthias Fejes
25.05.2023