Das Schloss Corvey bei Höxter in Westfalen beheimatet eine einmalig vollständige Bibliothek aus der Zeit der Romantik. Foto: Schloss Corvey |
Literarischer Schatz gehoben
Sammelband verrät die Geheimnisse der Fürstlichen Bibliothek im Schloss Corvey in Westfalen
Ein Buch, das soeben vom Chemnitzer Anglistik-Professor Werner Huber herausgegeben worden ist, beschreibt eine bedeutende wissenschaftliche Schatzsuche und endet mit der Hebung dieses Schatzes. Im Mittelpunkt steht die Fürstliche Bibliothek zu Corvey, beheimatet im Schloss Corvey bei Höxter an der Weser an der östlichen Grenze Westfalens.
Der Literaturwissenschaft blieb der Fundus dieser Bibliothek, der insgesamt 73.000 Bänden umfasst, lange verborgen. Zusammengetragen wurde er im Wesentlichen durch den Landgrafen von Hessen-Rotenburg Viktor Amadeus (1779-1834) und seine Gemahlin Elise von Hohenlohe-Langenburg (1790-1830). Da die Bibliothek bis heute von Buchverlusten verschont blieb, gibt sie einen außergewöhnlich vollständigen Einblick in die Epoche der Romantik und in die deutsche, englische und teilweise auch französische Buchproduktion aus der Zeit von 1790 bis in die 1830er Jahre.
Nicht verwunderlich also, dass zu dem Bücherschatz von Corvey etliche wissenschaftliche Konferenzen abgehalten worden sind. Nun hat Prof. Dr. Werner Huber, Professor für Anglistische Literaturwissenschaft an der TU Chemnitz, den aktuellen Stand in einem Buch mit dem Titel "The Corvey Library and Anglo-German Cultural Exchanges, 1770-1837" zusammengefasst. Darin werden Aufsätze veröffentlicht, die erstmals anlässlich des 3. Internationalen Corvey-Symposiums an der Universität Paderborn als Vorträge gehalten wurden und sich mit dem Literaturaustausch zwischen England und Deutschland im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert beschäftigen. Gewidmet ist der Band dem eigentlichen buchwissenschaftlichen Entdecker der Corveyer Bestände, dem Paderborner Anglisten Prof. Dr. Rainer Schöwerling.
Um ein paar Geheimnisse zu lüften: Der Bestand der Corveyer Bibliothek zeigt, dass zwischen 1770 und 1799 bereits fünfmal mehr englische und irische Romane ins Deutsche übersetzt wurden als umgekehrt. Er verrät beispielsweise auch, dass die große Leselust dieser Zeit bis in die höchsten gesellschaftlichen Kreise vor allem durch aktuelle Romane gestillt wurde, die man inhaltlich durchaus mit den heutigen Fernseh-Soaps vergleichen könnte. Darüber hinaus brachte das Corveyer Korpus höchst unterschiedliche Ermittlungsergebnisse und Einsichten hervor - etwa über den in London ansässigen deutschen Buchhändler Carl (Charles) Heydinger, über Subskriptionspraktiken und Ausleihstatistiken englischer Leihbibliotheken, über Kulturtransfer durch Romanübersetzungen, über "nationale" Romane, geschrieben von irischen Autorinnen, über Reiseliteratur, über Sir Walter Scott und den zeitgenössischen historischen Roman.
Angaben zum Buch:
The Corvey Library and Anglo-German Cultural Exchanges, 1770-1837: Essays to Honour Rainer Schöwerling, ed. Werner Huber. (Reihe Corvey-Studien, Band 8).
München: Fink 2004,199 Seiten, € 48,90 ISBN 3-7705-3933-8.
Weitere Informationen gibt Prof. Dr. Werner Huber, Anglistische Literaturwissenschaft, TU Chemnitz, 09107 Chemnitz, unter Telefon (03 71) 531 42 77 oder per E-Mail werner.huber@phil.tu-chemnitz.de.
Alexander Friebel
14.09.2004