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"DYNAMICUS" verhilft Eiskunstläufern zum perfekten Sprung

In ihren virtuellen Welten nehmen Forscher des An-Instituts für Mechatronik die Sprungleistungen von Eiskunstläufern unter die Lupe – deutsche Meister trainieren mit diesem Hightech-System

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Bild 1: Mit der Videokamera zeichnen die Chemnitzer Wissenschaftler die Bewegungen der Sportler auf. Bild 2: Täuschend echt werden die Eiskunstläufer in der virtuellen Welt an Hochleistungsrechnern nachempfunden. Bild 3: Mit Hilfe des Simulationssystems "DYNAMICUS" wertet Thomas Härtel, Mitarbeiter des Instituts für Mechatronik an der TU Chemnitz, die Stärken und Schwächen der Kufenkünstler aus. Fotos: TU Chemnitz/Uwe Meinhold

Sie fahren als frisch gekürte deutsche Meister zur Europameisterschaft im Eiskunstlaufen nach Turin: Stefan Lindemann und das Paar Aljona Savchenko / Robin Szolkowy. Vom 25. bis 30. Januar 2005 wollen sie mit überzeugenden Leistungen auch um die kontinentalen Titel kämpfen. Dass die Vorzeige-Sportler bestens vorbereitet und vor allem sprungsicher sind, daran haben auch Mechatroniker eines An-Institutes der Technischen Universität Chemnitz einen wichtigen Anteil.

Abseits der Eisfläche sind die Wissenschaftler des Instituts für Mechatronik (IfM) in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaft Leipzig (IAT) an Hochleistungsrechnern im Einsatz, um die in Erfurt und Chemnitz trainierenden Sportler auf ihre Stärken und Schwächen hin zu prüfen. Vor allem ihre Sprungleistungen werden dabei unter die Lupe genommen. Dafür steht den Chemnitzer Forschern ein virtuelles Menschmodell zur Verfügung, das am hiesigen Institut entwickelt wurde und im Bereich des Hochleistungssports schon häufiger zum Einsatz gekommen ist. „Einfach gesagt, wir lassen die Kufenkünstler in unserer virtuellen Computerwelt noch einmal entstehen“, erläutert der IfM-Mitarbeiter Thomas Härtel, der die Entwicklung des Simulations-Tools leitet. „Nach eingehender Analyse des Sprungverhaltens sind dann die Trainingswissenschaftler in der Lage, den Sportlern und ihren Trainern genau aufzuzeigen, was noch verbessert werden muss, damit der Drei- oder Vierfachsprung sicher gestanden wird.“

Um dies leisten zu können, müssen auch die Wissenschaftler in die Trainingshalle. Per Videokamera verfolgen sie den Sportler von der Bande aus bei seiner Fahrt übers Eis. Anhand dieses Materials werden dann später im Labor wichtige Körperpunkte festgelegt – auf Armen, Beinen, Gelenken etc. – und erwecken damit das eigens entwickelte Menschmodell „DYNAMICUS“ zum Leben. Zuerst ist es nur eine Vielzahl von Linien, die den Bewegungsverlauf wiedergibt. Das grafische Wirrwarr fügt das Programm jedoch zu einer täuschend echten Gesamtsimulation zusammen, bei der jeder Gelenkwinkel und alle denkbaren Raumkoordinaten berücksichtigt werden. Von einer übersichtlichen Bedienoberfläche aus lässt sich die animierte Figur vorwärts und rückwärts durch alle Bewegungsstadien verfolgen, Tabellen und Kurven geben eine ausführliche biomechanische Auswertung über die Sprunghöhe, den Gesamtdrehimpuls oder die Bewegung aller einzelnen Körperteile. Nicht der kleinste Patzer bleibt so unentdeckt.

Doch damit sind die Grenzen des Chemnitzer DYNAMICUS-Systems nicht ausgereizt. Indem es alle gesammelten Daten auswertet und dabei auch auf ein Referenzsystem zurückgreift, bildet es eine wichtige Grundlage für Handlungsempfehlungen, die IAT-Trainingswissenschaftler den Athleten zur Verfügung stellen. Wichtige Referenzwerte liefert dabei eine Sprungdatenbank, in der sowohl eigene Sprünge als auch die Leistungen der Konkurrenten gespeichert sind. „Auf diese Weise kann genau verglichen werden, ob sich die Sprungtechnik gegenüber früheren Versuchen verbessert hat beziehungsweise woran es noch fehlt, um zur Weltspitze aufzuschließen“, so Thomas Härtel vom IfM.

Eiskunstläufer Stefan Lindemann ist auch dank der wissenschaftlichen Arbeit der Sprung in die Weltspitze bereits gelungen. Vor allem für den Vierfach-Toeloop hat der deutsche Herrenmeister und Drittplatzierte der letzten Weltmeisterschaften die Analysen der Trainingswissenschaftler des IAT in sein Training einfließen lassen. „Durch die Sprungsimulation wurde eine Ursache-Wirkungsbeziehung erkannt, die geholfen hat, die kleinen Fehler abzustellen“, erinnert sich Privatdozentin Dr. Karin Knoll. Beim IAT in Leipzig leitet sie die Fachgruppe Kraft/Technik und hat das innovative Projekt als Spezialistin für Eiskunstlaufen im Nachwuchs- und Spitzenbereich aus trainingswissenschaftlicher Sicht betreut. „Natürlich führte allein das harte Training zum gewünschten Erfolg“, fügt sie hinzu.

Das gemeinsam vom Institut für Mechatronik und dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaft zu bearbeitende Projekt „Simulative Untersuchungen zu effektiven Drehtechniken im Eiskunstlauf“ wird noch bis Ende 2005 vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft gefördert. Neben den beiden Forschungsinstituten ist auch der Olympiastützpunkt Chemnitz-Dresden in die Kooperation eingebunden. „Dass Biomechaniker, Mathematiker und Informatiker an einem Strang ziehen, ist eine einmalige Arbeitsweise, die es so noch nicht gegeben hat“, so die Trainingswissenschaftlerin Dr. Karin Knoll.

Für das Training neuer Elemente kommt das Hightech-System auch bei Aljona Savchenko und Robin Szolkowy zum Einsatz. Die deutschen Meister im Paarlauf, die in Chemnitz von Ingo Steuer trainiert werden, arbeiten derzeit vor allem an den technischen Feinheiten beim Wurflutz. IfM-Ingenieur Thomas Härtel gibt einen Einblick in seine aktuelle Aufgabe: „Um die Sprungausführung weiter zu verbessern, vergleichen wir ihre Leistungen derzeit mit den beiden Weltspitzenpaaren aus China und Russland, die in unserer Sprungdatenbank gespeichert sind.“

Über eine Anwendung in anderen technischen Sportarten werde bereits nachgedacht, verrät Thomas Härtel – etwa für die Leichtathletik, das Wasser- und Trampolinspringen und für die Sportakrobatik. „Jetzt drücken wir natürlich erst einmal unseren Sportlern die Daumen für die Europameisterschaften in Turin und hoffen, dass ihnen buchstäblich der Sprung aufs Podest gelingt.“

Weitere Informationen erteilen Dipl.-Ing. Thomas Härtel, Mitarbeiter des Instituts für Mechatronik an der TU Chemnitz, Telefon (03 71) 531 46 72, E-Mail t.haertel@ifm.tu-chemnitz.de und Dr. Karin Knoll, Mitarbeiterin des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft Leipzig, Telefon (0341) 49 45 160, E-Mail ka.knoll@iat.uni-leipzig.de .

Das IfM im Internet: http://www.tu-chemnitz.de/ifm

Das IAT im Internet: http://www.sport-iat.de

Alexander Friebel
21.01.2005

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