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Neuer Hochleistungs-Linux-Cluster gehört zu den schnellsten Computern der Welt - Sachsens Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange: "TU Chemnitz tritt mit Höchstleistungsrechner in neue Liga ein"
Bild oben: Geschafft: Nach einer mehrmonatigen Bau- und Installationsphase weihte die sächsische Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange den neuen Hochleistungs-Linux-Cluster gemeinsam mit TU-Rektor Prof. Dr. Klaus-Jürgen Matthes (l.) und Projektleiter und Sprecher des CHiC-Konsortiums, Prof. Dr. Wolfgang Rehm, ein. Foto: Christine Kornack Bild unten: Stefanie Münch, die an der TU Chemnitz im dritten Semester Angewandte Informatik studiert, wird künftig auch in ihrem Studium vom neuen Chemnitzer Hochleistungs-Linux-Cluster profitieren. Foto: Mario Steinebach |
Er gehört zu den 100 schnellsten Computern der Welt - der neue Chemnitzer Hochleistungs-Linux-Cluster CHiC. Am 7. Februar 2007 wurde er offiziell an die Nutzer der Technischen Universität Chemnitz übergeben. Das Konzept stammt von Forschern der Professur Rechnerarchitektur unter Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Rehm. Insgesamt haben 24 Professoren aller Fakultäten den 2,64 Millionen Euro teuren und vom Freistaat Sachsen finanzierten Rechengiganten beantragt und nutzen ihn künftig für ihre Forschungsprojekte. "Ich beneide ein wenig die Studierenden, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an dieser hochmodernen und hochleistungsfähigen Technik arbeiten und forschen können", sagte Sachsens Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange anlässlich der Einweihung des CHiC. Die Bereitstellung führender Hochleistungsrechentechnik sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die TU Chemnitz ihren erfolgreichen Weg als eine leistungsfähige Forschungs- und Bildungseinrichtung fortsetzen könne. Dabei widerspiegle die Installation dieser neuen Rechnergeneration einerseits das leistungsfähige und gut ausgebaute Hochschulsystem in Sachsen, andererseits aber auch die Anstrengungen, die der Freistaat Sachsen zur Ausstattung der Universitäten mit modernster Gerätetechnik unternommen habe und weiter unternehmen werde. "Schließlich wollen wir im Wettbewerb um die besten Köpfe mit in der ersten Liga spielen", so die Staatsministerin.
Das Innenleben des Supercomputers besteht aus 2.152 Rechenkernen, die auf 538 Serverknoten arbeiten. Sämtliche Komponenten des Supercomputers sind durch das Hochgeschwindigkeitsnetzwerk "InfiniBand" verbunden. Diese Technik wurde zusammen mit zwölf Hochleistungsgrafikknoten von IBM Deutschland geliefert. Dr. Ulrich Groh, Leiter des Geschäftsbereichs Lehre und Forschung der IBM Deutschland GmbH, betont: "IBM hat in der Vergangenheit zahlreiche Arbeitsplätze in Mitteldeutschland geschaffen - gleichzeitig unterstützt das Unternehmen durch eine hochleistungsfähige IT-Infrastruktur den Wissenschaftsstandort Deutschland. Der Hochleistungsrechner CHiC an der TU Chemnitz ist ein erfolgreiches Beispiel dafür."
Zum Hochleistungs-Linux-Cluster CHiC gehört auch ein 60-TeraByte Festplattenspeicher der Dresdner Firma Xiranet Communications, welcher in Kooperation mit der Chemnitzer Firma MEGWARE Computer GmbH geliefert wurde. "Für dieses Speichersubsystem des Computers kommt die Xiranet XAS1000-Serie mit Lustre als Cluster-Filesystem zum Einsatz. In Kombination mit der direkten Anbindung an das InfiniBand-Netzwerk werden mehr als 3,5 Gigabyte pro Sekunde auf den Festplattenspeicher transferiert. Damit können auch Anwendungen mit sehr hohen Ein- und Ausgabeanforderungen effizient ausgeführt werden", erläutert Mirko Benz, Geschäftsführer der Xiranet Communications GmbH.
Die Lieferung und der Aufbau der wassergekühlten Serverschränke nebst Infrastruktur sowie der lokale Zusammenbau und die Verkabelung aller Komponenten des Clusters erfolgten schließlich durch die Firma MEGWARE Computer GmbH. In 18 Serverschränken verbaute das Unternehmen innerhalb von 7.600 Arbeitsstunden 700 Geräte, verbunden durch 4.900 Kabel mit einer Gesamtlänge von etwa acht Kilometern. Der Cluster wuchs so zu einem Schwergewicht von insgesamt 21,6 Tonnen heran.
Erste Tests des CHiC Anfang Januar ergaben bereits eine Rechenleistung von mehr als 8 TeraFlops (diese Zahl mit zwölf Nullen bedeutet 8 * 1012 Additionen oder Multiplikationen pro Sekunde). "Das Ergebnis kann noch gesteigert werden", erklärt Frank Mietke, wissenschaftlicher Betreuer des CHiC-Projektes.
"Nur 520 der 538 Serverknoten waren bei unserem Test aktiv. Auch die Effizienz, die derzeit bei etwa 75 Prozent liegt, können wir sicher noch um etwa fünf Prozent erhöhen." Zufrieden sind die Chemnitzer Forscher jetzt schon: "Mit der gemessenen Leistung würde sich unser CHiC auf dem zuletzt im November 2006 veröffentlichten Index der 500 schnellsten Rechner der Welt etwa auf Platz 82 einreihen", erläutert Prof. Dr. Wolfgang Rehm, Projektleiter und Sprecher des CHiC-Konsortiums an der TU Chemnitz. Zum Vergleich: Ein herkömmlicher PC bietet aktuell etwa lediglich ein Tausendstel der Rechenleistung des Clusters.
Diese enormen Kapazitäten bedeuten für die Forschung innerhalb der Chemnitzer Universität große Vorteile. Das weiß auch Dr. Alexander Auer von der Juniorprofessur Theoretische Chemie: "Wenn ich Molekülstrukturen mit Berechnungen wirklich vorhersagen will, dann braucht eine ordentlich ausgestattete Workstation schon mal drei bis vier Monate", so der Wissenschaftler. "Mit dem CHiC wird das bald erheblich schneller gehen." Derzeit plant Dr. Auer vor allem bereits begonnene Forschungsvorhaben wie z.B. die Erschließung neuartiger Flüssigkristallmoleküle für LCD-Bildschirme mithilfe des Clusters zu beschleunigen und entsprechende Anwendungen seines Fachbereiches für das CHiC-System fit zu machen sowie neue zu erschließen.
Die Professur Konstruktionslehre der TU beschäftigt sich unter anderem mit der virtuellen Produktentwicklung. Sie nutzt den neuen Linux-Clusters für die Finite-Elemente-Simulation zum Betriebsverhalten und zur Schadensprognose von Maschinen- und Fahrzeugkomponenten, um beispielsweise Prototypen und Versuche an teuren Realteilen einzusparen. "Die hohe Leistungsfähigkeit des CHiC wird dabei nicht nur mehr Ergebnisse in kürzerer Zeit ermöglichen", so Prof. Dr. Erhard Leidich, Leiter der Professur. "Die neuen Kapazitäten ermöglichen auch eine bessere Abbildung der tatsächlichen physikalischen Gegebenheiten. Insbesondere kann von der isolierten Berechnung einzelner Bauteile zur Analyse ganzer Baugruppen übergegangen werden, was zu deutlich wirklichkeitsnäheren Resultaten führt."
Bei aktuell zwei Projekten soll der CHiC die Forschung und Entwicklung an der Professur Technische Thermodynamik unterstützen. Für den deutschlandweit ersten Kurzzeit-Kältespeicher im großen Leistungsbereich (bis acht Megawatt Kälteleistung), den derzeit die Stadtwerke Chemnitz bauen, müssen Strömungsverhältnisse sowie thermisches Verhalten berechnet werden. "Weil dieser Speicher ein Volumen von 3.500 m³ Wasser besitzt und längere Betriebszyklen simuliert werden - was ein großes Berechnungsgebiet und lange Berechnungszeiten bedeutet - kann man dafür nie genug Rechenkapazität besitzen", erklärt Prof. Dr. Bernd Platzer. Sein Mitarbeiter Dr. Thorsten Urbaneck, verantwortlich für die Begleitforschung des Kältespeicherprojektes, ergänzt: "Auch mit dem neuen Super-Rechner benötigen wir noch das Vielfache an Rechenzeit bezogen auf die reale Betriebszeit. Mit normaler Rechentechnik kämen wir daher kaum ans Ziel. Dank des Clusters können wir aber relativ schnell auf praktische Aufgabenstellungen aus dem Projekt reagieren und Lösungen optimieren."
Ins Schwitzen kommen wird der CHiC bei all diesen Beanspruchungen nicht. Zusätzlich zu den Kosten des Rechners investierte der Freistaat Sachsen an der TU Chemnitz weitere 1,8 Millionen Euro in Baumaßnahmen rund um den Rechner und dessen Kälteversorgung. Der neue Supercomputer der TU wird dabei durch das Chemnitzer Fernkältesystem gekühlt, wie Dr. Urbaneck erklärt: "Zukünftig sorgt bestimmt auch der neue Kältespeicher der Stadtwerke dafür, dass das Rechenwerk nicht heiß läuft. Damit würde sich einmal mehr der Kreis von Forschung und nützlicher Anwendung schließen."
(Autoren: Michael Chlebusch und Mario Steinebach)
Der Chemnitzer Hochleistungs-Linux-Cluster CHiC im Internet: http://www.tu-chemnitz.de/chic/
Die Rede von Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange anlässlich der Einweihungsfeier: http://www.smwk.sachsen.de/elemente/dateien/Einweihungsfeier_Hochleistungsrechner_TU_Chemnitz.pdf
Weitere Informationen erteilt an der TU Chemnitz der Projektleiter und Sprecher des CHiC-Konsortiums, Prof. Dr. Wolfgang Rehm, Professur Rechnerarchitektur, Telefon (03 71) 5 31 - 31 420, E-Mail rehm@informatik.tu-chemnitz.de
Informationen zu den Partnern des CHiC-Projektes
IBM Deutschland
IBM bietet eine der breitesten Produktpaletten der IT-Branche von Hardware über Software bis hin zu Services und Consulting an und stellt industrieübergreifende und branchenspezifische Lösungen für die Anforderungen und Bedürfnisse von Unternehmen aller Größen bereit. IBM High Performance Computing-Lösungen werden für wissenschaftliche, technische und betriebswirtschaftliche Anwendungen entwickelt.
MEGWARE Computer GmbH Chemnitz
Die MEGWARE Computer GmbH in Chemnitz begann sich im Jahr 2000 im Bereich High Performance Computing (HPC) zu profilieren - hier speziell auf Compute-Cluster. Bisher wurden mehrere hundert Cluster an Lehr- und Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen in Europa ausgeliefert. Herausragend war dabei unter anderem der Chemnitzer Linux Cluster (CLiC), den MEGWARE im Jahr 2000 an die TU Chemnitz übergab. Zum damaligen Zeitpunkt war es einer der leistungsfähigsten Selbstbau-Cluster der Welt (Rechenleistung: 221 GigaFlop, also um den Faktor 40 geringer als die des CHiC).
Xiranet Communications GmbH Dresden
Die Xiranet Communications GmbH entwickelt innovative Speicherlösungen und Storagerouter. Der Focus liegt dabei auf der Unterstützung leistungsfähiger Protokolle und Netze wie Storage über InfiniBand und iSCSI über 10 Gbit Ethernet (IP Storage). Außerdem werden Komplettlösungen mit Cluster File Systemen wie Lustre angeboten. Typische Anwendungsgebiete liegen im High Performance Computing sowie in der Medienverarbeitung.
Mario Steinebach
07.02.2007