Gefühlstraining im Vorschulalter
Professur für Allgemeine Psychologie und Biopsychologie startet das Modellprojekt HUCKEPACK zur Prävention aggressiven Verhaltens und kooperiert mit Kindertagesstätten
Den Emotionen auf der Spur: TU-Studentin Katharina Maier nimmt im Chemnitzer Kindergarten an der Straße Usti nad Labem ein Vorschulkind huckepack und übt mit ihm unter anderem, Konfliktsituationen zu lösen. Foto: TU Chemnitz/Andreas Seidel |
Kinder im Vorschulalter, die Schwierigkeiten haben, ihre eigenen Emotionen zu kontrollieren und häufiger in Konflikte und Auseinandersetzungen mit Gleichaltrigen geraten, laufen Gefahr, mit steigendem Alter immer aggressiveres Verhalten an den Tag zu legen. Diese Beobachtung ist Grundlage für das Modellprojekt HUCKEPACK, das die Professur für Allgemeine Psychologie und Biopsychologie der TU Chemnitz derzeit vorbereitet. "HUCKEPACK ist ein Training sozialer Kompetenzen, in dem Kinder im Vorschulalter lernen, die eigenen Emotionen zu regulieren und Konfliktsituationen zu lösen", berichtet Projektkoordinatorin Katrin Schulz und ergänzt: "Das Modellprojekt wendet sich dabei besonders an Kinder zwischen viereinhalb und sechs Jahren."
"Gerade im Alter von vier, fünf Jahren werden die Kinder, die aggressives Verhalten zeigen, von den anderen abgelehnt", berichtet Prof. Dr. Udo Rudolph, Inhaber der Professur Allgemeine Psychologie und Biopsychologie. Deshalb müsse in diesem Alter mit der Prävention begonnen werden. "Im Alter von acht bis neun Jahren sind diese Kinder innerhalb ihrer Gruppen schon anerkannt, da sie sich durch ihr aggressives Verhalten Respekt verschaffen", so Rudolph. Mit zwölf, dreizehn Jahren sei es bereits sehr schwer, an den Verhaltensmustern noch etwas zu ändern. Die Bildungs- und Entwicklungschancen der Betroffenen sind dann erheblich eingeschränkt, bestätigen die Chemnitzer Psychologen. Das Modellprojekt der TU zielt deshalb darauf ab, aggressive Tendenzen möglichst früh zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.
Im Rahmen des Projektes ermitteln die Psychologen zunächst den Trainingsbedarf der Kinder. Neben einer diagnostischen Spielaufgabe, bei der die Kinder über ihre Gefühle in schwierigen Situationen berichten, wird das Gruppenklima im Kindergarten erfasst. Neben wem möchten die Kinder sitzen, mit wem spielen sie gerne und wen wählen sie in ihr Team - durch solche Fragen wird schnell klar, wer unter den Gleichaltrigen wenig oder gar nicht anerkannt ist.
Anschließend nimmt je ein Mentor ein ausgewähltes Kind "huckepack" - er begleitet es ein Jahr lang, trifft sich zunächst einmal, später auch zweimal pro Woche mit ihm. Die Kinder trainieren mit vielfältigen Materialien spielerisch, wie sie sich in Konfliktsituationen verhalten können und wie sie ihre Emotionen regulieren. Außerdem lernen sie, über ihre Probleme zu sprechen. Die Mentoren sind Master-Studenten der TU Chemnitz im Fach Psychologie. Innerhalb des neu entwickelten und im Wintersemester 2009/2010 angelaufenen Studienganges ist das Mentorenprogramm Bestandteil des Moduls "Potenziale erkennen und entwickeln". Die Studierenden lernen zu Beginn des Projektes in Seminaren die relevanten Fertigkeiten und werden für die Dauer des Projektes durch Mitarbeiter des Instituts für Psychologie unterstützt.
Der zweite Schwerpunkt des Projektes ist ein zehnwöchiges Elterntraining. Hier erhalten die Eltern der in das Projekt integrierten Kinder Unterstützung bei Fragen zur Erziehung und Tipps für den Umgang mit ihrem Kind in schwierigen Situationen. Auch die Kindertagesstätten sind in das Projekt einbezogen - die Erzieherinnen erhalten Fortbildungsangebote zum Training sozialer Kompetenzen im Vorschulalter. Alle Projektbestandteile werden im Rahmen der Forschung der TU Chemnitz fortlaufend evaluiert.
In der derzeit laufenden dreimonatigen Erprobungsphase sind neun Kinder in das Projekt integriert. Ab Januar 2010 schließt sich das Modellprojekt HUCKEPACK an, an dem jährlich 30 Vorschulkinder teilnehmen können. "In Deutschland herrscht ein akuter Mangel an evaluierten Programmen zur frühen Prävention von Verhaltensproblemen", so Schulz. Außergewöhnlich an dem Chemnitzer Projekt ist vor allem der Personalschlüssel, da sich immer ein Mentor um ein einziges Kind kümmert. "Bei anderen Maßnahmen kommen zehn bis zwölf Kinder auf eine Person und sie dauern maximal drei Monate", erklärt Schulz.
Kooperationspartner ist die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe KJF e.V. Chemnitz mit zehn Kindertagesstätten und etwa 350 Kindern in der angesprochenen Altersgruppe. "Wir möchten das Modellprojekt gerne auch mit anderen Kooperationspartnern wie den städtischen Kindergärten realisieren, um möglichst viele Kinder zu erreichen. Dafür fehlen uns aber noch die personellen Ressourcen", erklärt Schulz und ergänzt: "Wir wünschen uns, dieses Modellprojekt bei gesicherter Finanzierung langfristig in Chemnitz etablieren zu können, da nicht nur die Kinder, Eltern und Erzieherinnen von diesem Angebot profitieren, sondern gleichzeitig für Studierende die Möglichkeit geschaffen wird, praktische Erfahrungen in ihrem späteren Berufsfeld sammeln und so Theorie und Praxis effektiv miteinander verbinden zu können."
Weitere Informationen erteilt Katrin Schulz, Professur für Allgemeine Psychologie und Biopsychologie, Telefon 0371 531-36748, E-Mail katrin.schulz@phil.tu-chemnitz.de.
Das Projekt im Internet: http://www.tu-chemnitz.de/phil/psych/professuren/allpsy2/huckepack/Start.html
Katharina Thehos
23.04.2009