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Mit 74 Jahren noch zum Doktorhut

Klaus Schieschke ist der vermutlich älteste Promovend der Technischen Universität Chemnitz

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Dr. Klaus Schieschke nach der erfolgreichen Verteidigung seiner Doktorarbeit. Foto: Tanja Rupp

Mit 74 Jahren ist Klaus Schieschke fast ein halbes Jahrhundert älter als ein typischer Promovend. Doch getreu seinem Motto "Age is irrelevant" stört das den frischgebackenen Doktor nicht. Während die meisten Menschen in seinem Alter bereits den Ruhestand genießen, suchte der gebürtige Dresdner noch einmal die Herausforderung. "Sicherlich war es auch ein wenig Eitelkeit. Bevor ich da einen Kleingarten pflege, wollte ich mich nochmals fordern", schmunzelt Schieschke. Vor drei Jahren legte der ausgebildete Patentanwalt und Maschinenbauer sein Konzept vor und arbeitete seitdem an der Dissertation mit dem Thema "Der Bedeutungswandel des Begriffs der `Ärgernis erregenden Darstellung´ im deutschen Markenrecht unter dem Einfluss der gesellschaftlichen Entwicklung", die am 9. Juli 2009 ihren Abschluss in der Verteidigung fand.

Prof. Dr. Ludwig Gramlich, Inhaber der Professur Öffentliches Recht an der TU Chemnitz, betreute das ehrgeizige Projekt. Die Idee kam Schieschke, der seit 1998 als Lehrbeauftragter an der Professur für Privatrecht tätig ist, in einer seiner Vorlesungen. "Bei meinen Lehrveranstaltungen bringe ich immer wieder Beispiele mit ein. So auch eine Entscheidung des Marken- und Patentamtes, das die Abbildung eines gefesselten Storches nicht als Marke für Kontrazeptiva zuließ. Die Studenten konnten das nicht verstehen, was in der heutigen Zeit auch verständlich ist. Ich beschäftigte mich weiter und tiefer mit dem Thema, bis es schließlich in einer Dissertation ausartete", erzählt der Promovend. Der Begriff der "Ärgernis erregenden Darstellung" war von 1874 bis 1994 ein Ausschließungsgrund bei der Markeneintragung. Schieschke untersuchte nun, wie sich dieser Begriffsinhalt unter dem Einfluss des gesellschaftlichen und politischen Hintergrundes in Deutschland geändert hat. Hierzu analysierte er zahlreiche Urteile des Marken- und Patentamtes, die in Verbindung mit der Verletzung öffentlicher Ordnung, sittlichen und religiösen Motiven sowie dem DDR-Markenrecht standen. Er stellte fest, dass sich die Anschauungen über Moral und Sitte im Laufe der Zeit sehr verändert haben und somit auch die Beurteilungen bezüglich der Schutzversagung der Markenanmeldungen wesentlich liberaler geworden sind: So wurde zum Beispiel die Markenanmeldung "Anarchist" für ein "Fleckenreinigungsmittel" 1906 noch abgelehnt, während im Jahr 1992 die Wortmarke "COSA NOSTRA" für unter anderem "Reinigungsmittel, Schmuck und Bekleidung" eingetragen wurde. 1994 fand schließlich eine supranationale Angleichung des deutschen Markenrechts statt, bei dem das Schutzhindernis der "Ärgernis erregenden Darstellung" wegfiel und modernisiert wurde. "Das Thema ist mittlerweile schon etwas antiquiert, aber das passt ja ganz gut zu mir", witzelt Schieschke.

Klaus Schieschke wurde 1934 in Dresden geboren. Er studierte Maschinenbau an der TU Dresden und schloss sein Studium 1959 als Diplom-Ingenieur ab. Nach seinem Studium war er am Institut für Getriebetechnik und Textilmaschinenkonstruktion als Assistent in der Lehre und Forschung tätig, bis er 1961 nach München zog. Dort arbeitete er mehrere Jahre bei der Firma Rathgeber als Konstruktionsingenieur. Dann schlug er mit der Ausbildung zum Patentanwalt einen neuen Weg ein. Seit 1965 ist er auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtschutzes tätig und wurde 1968 deutscher Patentanwalt und Partner in der Kanzlei Eder & Schieschke. 1996 erhielt er seinen ersten Lehrauftrag an der TU Chemnitz, anfangs nur für Übungen, bis er 1998 als Lehrbeauftragter an der Professur für Privatrecht unter Leitung von Prof. Dr. Claus Scholl begonnen hat. Seitdem hält er regelmäßig Vorlesungen, die er sich mit Dr. Wolfgang Sekretaruk vom Europäischen Patentamt München und dem Rechtsanwalt Dr. Christian Westerhausen teilt. Bis zum Jahr 2004 war er aktiv als Partner in seiner Kanzlei tätig. Aber auch heute fühlt sich der Ex-Seniorpartner immer noch eng mit seiner Kanzlei verbunden und steht dieser beratend und unterstützend bei verschiedenen Aufgaben zur Seite.

Trotz seiner vielen Tätigkeiten liegen ihm seine Lehrveranstaltungen besonders am Herzen. "Als ich angefangen habe, ging es mit knapp zehn Studenten los, oder wie man in Bayern so schön sagt `Hanseln´. Mittlerweile sind daraus fast 150 geworden", erzählt Schieschke und ergänzt: "Mir macht die Arbeit wirklich Spaß. Es ist schön, jungen Menschen etwas beizubringen, auch wenn das ein oder andere Thema des Marken- oder Patentrechts vielleicht etwas trocken ist. Aber ich versuche immer, das Ganze mit vielen Beispielen und praktischen Elementen anzureichern. So kann ich auch die Ergebnisse meiner Dissertation sehr gut in meiner Vorlesung verwerten." Da ist es schon schade, dass Schieschke sich nach dem Ende seines Lehrauftrags im nächsten Jahr von der Universität verabschieden möchte. Was er danach angeht, weiß er allerdings noch nicht. Treffend ist hier vielleicht das Zitat von Winston Churchill, mit dem Schieschke auch seine Verteidigung beendete: "Eine Prognose ist besonders dann schwierig, wenn es sich dabei um die Zukunft handelt." Mit Sicherheit wird er aber wieder eine spannende Aufgabe und neue Herausforderung für sich finden. Momentan freut er sich aber erst einmal auf eine kleine Atempause, auf den Urlaub mit seiner Frau sowie auf eine gemütliche Runde Golf.

(Autorin: Tanja Rupp)

Katharina Thehos
20.07.2009

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