Wie kalt ist es auf Sachsens höchstem Berg?
Paul Schreiber, Absolvent und ehemaliger Lehrer der Technischen Staatslehranstalten Chemnitz, entwickelte die Wetterwarte auf dem Fichtelberg und führte in Sachsen den Wetterbericht ein
Dank Paul Schreiber wissen wir seit fast einhundert Jahren zuverlässig, welche Niederschlags- und Temperaturverhältnisse auf dem Fichtelberg herrschen. Schreiber war es, der auf Sachsens höchstem Berg unweit von Oberwiesenthal den Bau einer Wetterwarte initiierte. Seit 1. Januar 1916 wird hier dreimal täglich eine Wettermeldung erstellt.
Am 26. August 1848 wurde Schreiber in Strehla nahe Dresden geboren. Nachdem er das Gymnasium in Strehla bis zur neunten Klasse besucht hatte, lernte er unter der Matrikelnummer 2472 von Ostern 1864 bis Ostern 1867 an der Königlichen Gewerbschule in Chemnitz. Diese stellte eine der fünf Schulen dar, aus derem losen Verband 1878 die Technischen Lehranstalten Chemnitz gegründet wurden, aus denen 1986 die heutige Technische Universität entstand. Im Semester 1866/67 erhielt Schreiber die bronzene Preismedaille "für erfolgreiches Streben" und gehörte damit zu den besten Studierenden seines Jahrganges. Bereits ein Jahr zuvor erhielt er für seine Leistungen ein Belobigungsdekret. Nach seiner Chemnitzer Studienzeit wechselte Schreiber an das Polytechnikum in Dresden und wurde 1872 schließlich an der Universität Leipzig promoviert, bevor er wieder nach Chemnitz zurückkam.
Von 1872 bis 1884 arbeitete Schreiber als Lehrer für Physik an der Baugewerken- und Werkmeisterschule in Chemnitz. Schon von klein auf war er von der Physik der Atmosphäre begeistert, weswegen er auch ab 1. April 1883 im Nebenamt die Stelle des Direktors des Meteorologischen Instituts in Chemnitz übernehmen konnte. In dieser Nebentätigkeit führte er in Sachsen die täglichen Wetterberichte ein, noch bevor dies der Reichswetterdienst für das gesamte Deutsche Reich tat. Schreiber war Gründungsmitglied der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG), die sich am 18. November 1883 in Hamburg konstituierte und gehörte zum ersten Vorstand der DMG. Ab 1885 ging er seiner Anstellung am Königlichen Meteorologischen Institut als Haupttätigkeit nach. 1905 wurde dieses Institut von Chemnitz in die Landeshauptstadt Dresden, den Sitz der meisten Wirtschaftsdienststellen, verlegt und trug ab 1907 den Namen "Königlich Sächsische Landeswetterwarte". Schreiber blieb weiterhin Direktor.
In seiner Karriere entwickelte Schreiber nach eigenen Ideen mehrere meteorologische Registrierinstrumente - darunter Windmessgeräte und Waagebarographen, die auch heute noch Bestandteil zahlreicher Wetterwarten sind. Die beiden wichtigsten Errungenschaften Schreibers sind jedoch die Wetterwarte auf dem 1.215 Meter hohen Fichtelberg und die Wetterwarte auf der 246 Meter hohen Wahnsdorfer Kuppe in Radebeul. Die 1916 auf dem Fichtelberg installierte Wetterwarte liefert seit ihrer Eröffnung verlässliche Daten von der höchsten Erhebung Sachsens. Im selben Jahr baute Schreiber auch die Wetterwarte auf der Wahnsdorfer Kuppe. Aufgrund seiner meteorologischen Erfindungen stieg er in der Königlichen Sächsischen Landeswetterwarte bis zum Oberregierungsrat auf und man verlieh ihm den Professorentitel. Zudem war Schreiber Mitglied der Deutschen Polarkommission.
Unter Schreibers Leitung entstanden wissenschaftliche Arbeiten auf den Gebieten der Klimatologie, der dynamischen Meteorologie sowie der Strahlung, Auswertungstechnik und Statistik. Schreiber gab auch die Meteorologischen Jahrbücher heraus, welche die wissenschaftliche Aufarbeitung des in Sachsen seit 1882 gesammelten meteorologischen Beobachtungsmaterials enthalten. Am 1. April 1921 schied Schreiber aus dem Dienst aus. Drei Jahre später, am 29. Dezember 1924, starb er im Alter von 76 Jahren in Dresden.
Stichwort: Wetterwarte auf dem Fichtelberg
Auf dem Fichtelberg beobachteten schon 1890 die Wirte des Fichtelberghauses das Wetter - zunächst nur im Sommer, später auch im Winter. Mit zunehmendem Fremdenverkehr blieb dafür jedoch immer weniger Zeit. 1910 wurden die Wetterbeobachtungen ganz eingestellt. Erst durch den von Paul Schreiber initiierten Bau der sächsischen Landeswetterwarte von 1914 bis 1915 gewann der Fichtelberg an Bedeutung für die Meteorologie. Ab 1. Januar 1916 wurden täglich zu allen drei Klimaterminen - also um 7, um 14 und um 21 Uhr - fast alle meteorologischen Größen von einem Beobachter erfasst. 1934 erfolgte die Eingliederung dieser Wetterwarte in den Reichswetterdienst. Im Zweiten Weltkrieg sollte sie gesprengt werden, was Mitarbeiter der Wetterwarte jedoch verhindern konnten. 1946 wurde die Wetterwarte mit drei Beobachtern besetzt. Ab 1952 gehörte sie zum Meteorologischen Dienst der DDR. Am 25. Februar 1963, als das benachbarte Fichtelberghaus bis auf die Grundmauern abbrannte, bewarfen Mitarbeiter der "Meteorologischen Station" die Fassade mit Schneebällen, um sie vor einem Übergreifen der Flammen zu bewahren. 1991 wurde der Meteorologische Dienst der DDR in den Deutschen Wetterdienst (DWD) eingegliedert. Heute liefert die "Referenzstation Wetterwarte Fichtelberg" mit sechs Mitarbeitern dem DWD gemeinsam mit elf weiteren Klimareferenzstationen sowie rund 2.100 weiteren Mess- und Beobachtungsstellen Grundlagen für die Wettervorhersagen und -warnungen in Deutschland.
Übrigens: Dank der akribischen Wetteraufzeichnung lässt sich heute noch sagen, dass am 9. Februar 1956 mit minus 30,4 Grad Celsius die bisher kälteste Lufttemperatur auf dem Fichtelberg gemessen wurde. Der wärmste Tag war der 27. Juli 1983 mit 30,8 Grad Celsius. Die größte Windspitze mit 216 Stundenkilometern - also Windstärke 12 - herrschte am 3. Januar 1976 auf dem Fichtelberg. Mit 3,34 Metern werden die größten Schneehöhen an zwei Tagen im März 1944 angegeben. Die größte Niederschlagshöhe wurde am 12. August 2002 - dem Beginn des Jahrhunderthochwassers in Sachsen - mit 138,7 Millimeter gemessen. Im Vergleich: Das niederschlagsärmste Jahr war 1943 mit lediglich 753 Millimeter Niederschlag.
Quellen: Kohl, G.: "Fünfzig Jahre meteorologisches Observatorium Wahnsdorf und meteorologische Station Fichtelberg", 1966 herausgegeben vom Meteorologische Dienst der DDR; Universitätsarchiv der TU Chemnitz, Wikipedia
(Autoren: Mario Steinebach und Rosa Schulz)
Mario Steinebach
18.03.2011