TU-Studium und Selbststudium erfolgreich kombiniert
Die Chemnitzer TU-Absolventen Markus Kohlmüller, Lars Schulze und Ronald Schirmer wagten sich beruflich auf fachfremdes Terrain
Wer Medizin studiert, wird Arzt. Wer Automobilproduktion studiert, beschäftigt sich im Job mit dem Fahrzeugbau. Und wer Jura studiert, wird später wahrscheinlich viel Zeit im Gerichtssaal verbringen. Doch nicht immer entscheiden sich Absolventen für die berufliche Laufbahn, die ihr Studienfach ihnen vorgibt. So auch Ronald Schirmer, Markus Kohlmüller und Lars Schulze. Die drei gründeten 1999 bereits während ihres Studiums an der Technischen Universität Chemnitz die Webagentur 3S media GmbH, mit der sie in den Folgejahren weitere Unternehmensgründungen im Online-Bereich hervorbrachten. Umso erstaunlicher ist es, dass keiner von ihnen ein Informatikstudium durchführte: Kohlmüller und Schulze studierten Wirtschaftsingenieurwesen mit der Ausrichtung Maschinenbau, während Schirmer ein Elektrotechnikstudium mit dem Schwerpunkt Energie- und Hochspannungstechnik absolvierte.
"Wir haben im Jahr 1999 begonnen, uns quasi im Selbststudium mit Webtechniken zu beschäftigen und haben schnell erkannt, dass man mit diesen Kenntnissen auch Dienste anbieten und Geld verdienen kann", erklärt Ronald Schirmer. Mit ihrer Internet-Dienstleistungsgesellschaft 3S media GmbH entwickelten die drei Chemnitzer schon von ihren Wohnheimzimmern aus erste Webpräsenzen und Internetanwendungen im Kundenauftrag. Gleichzeitig suchten sie stets nach neuen Ideen für Online-Projekte und nahmen Kontakt zu Gründern und Programmierern aus ganz Deutschland auf. Gemeinschaftlich entstand schließlich die Idee zur Bewertungsplattform Yopi.de, welche die 3S media GmbH zusammen mit einem Stuttgarter Unternehmer im Jahr 2000 gründete. Auf Yopi.de haben Verbraucher die Möglichkeit, Produkte, Dienstleistungen und Dienstleister jeglicher Art zu bewerten und ihre persönlichen Erfahrungsberichte zu veröffentlichen. Zudem können Nutzer mithilfe des integrierten Preisvergleichs den günstigsten Anbieter finden und bei Bedarf über einen Link zum Online-Shop dort gleich ihren Einkauf tätigen. In den vergangenen Jahren hat sich das Projekt rasant entwickelt. 2003 ging aus Yopi.de die Gründung der Yopi GmbH hervor, die 2004 mit der Gründung der Yopi Asia Ltd. eine Zweigstelle in Bangkok (Thailand) erhielt. Mit Angeboten aus inzwischen über 2.400 Online-Shops und Produktinformationen zu etwa einer Million Produkten stellt Yopi.de seinen 3,1 Millionen Besuchern pro Monat einen weitreichenden Produkt- und Preisvergleich zur Verfügung, der durch aktuell 330.000 Erfahrungsberichte von Verbrauchern ergänzt wird. Ihren Hauptsitz hat die Yopi GmbH in Chemnitz, wo derzeit elf feste Mitarbeiter und 25 studentische Teilzeitkräfte beschäftigt sind.
2010 rief die 3S media GmbH zwei weitere Unternehmen ins Leben. So gründeten Schulze, Kohlmüller und Schirmer gemeinsam mit Andreas Opitz und dem Investor "Technologiegründerfonds Sachsen" die CAPPcore GmbH . Diese ermöglicht mit der im eigenen Hause entwickelten Software "SmartPlanner" strategische Kapazitätsplanungen. Zuletzt gründete die 3S media GmbH zusammen mit Andreas Förster die Leewadee UG, einen Online-Shop mit einem umfangreichen Angebot an individuellen Einrichtungs- und Dekorationsideen.
Obwohl ein Großteil des Theoriewissens aus dem Studium im Berufsleben der drei "Seriengründer" keine Anwendung findet, haben sie an der TU Chemnitz wichtige Grundlagen gelernt. "Das Problemlösen an sich, sei es kaufmännischer oder auch technischer Natur, kriegt man eigentlich nur in einem akademischen Studium beigebracht. Ein einfaches Problem kann man aus dem Kopf lösen - aufgrund der normalen Menschenkenntnisse oder technischer Kompetenz, die man sich zutraut. Aber komplexere Probleme lösen, in kleinere aufteilen, an Leute verteilen, die das besser können als man selbst, kontrollieren, ob sie das wirklich besser konnten als man selbst, die Ergebnisse wieder einsammeln und alles zu einem Projektergebnis zusammenmixen und sagen: Projektauftrag und -problem gelöst. Das ist eigentlich das, was man im Wesentlichen aus einem Studium mitnehmen sollte", so Markus Kohlmüller. "Auch wenn mein eigentliches Fachgebiet, die Elektrotechnik, hier nicht so eine große Rolle spielt, habe ich wesentliche Kompetenzen aus meinem Unistudium mitgenommen - zum Beispiel die Fähigkeit, mir mit bestimmten Methoden Wissen anzueignen und auch gelerntes Wissen zu übertragen und auf andere Fachbereiche anzuwenden", ergänzt Ronald Schirmer. Der hauptsächlich in Thailand tätige Lars Schulze profitiert vor allem von der im Studium erlernten eigenständigen Projektarbeit: "Dass man sich also selbstständig ein Projekt zurechtlegen kann, es durchplanen und auch selbst durchführen kann - das sind so Sachen, die man von der Universität mitnimmt."
Auch heute fühlen sich die Unternehmer der TU Chemnitz weiterhin verbunden und pflegen beispielsweise Kontakte zur Professur Fabrikplanung und Fabrikbetrieb, mit der sie bei ihrer Gründung der CAPPcore GmbH als Praxispartner zusammengearbeitet und die von den TU-Ingenieuren theoretisch erarbeiteten Ideen umgesetzt haben. Zudem entstammt ein Großteil der Mitarbeiter und studentischen Teilzeitkräfte bei der Yopi GmbH der Technischen Universität Chemnitz. Auch in Zukunft wollen Schirmer, Schulze und Kohlmüller den Standort Chemnitz aktiv stärken und durch die Unterstützung von Projekten wie "Chemnitz zieht an" der Abwanderung von TU-Absolventen in die alten Bundesländer entgegenwirken. "Wir würden gern nach wie vor einer der Arbeitgeber sein, die Leute hier beschäftigen, die gut gelernte Sachen aus der TU Chemnitz einbringen können und natürlich auch die Lust verspüren, in ihrer Heimat zu bleiben", erklärt Markus Kohlmüller. Die Unternehmensgründer freuen sich immer über Interessenten und Initiativbewerbungen. "Wer meint, eines unserer Unternehmen interessant zu finden und sich dort irgendwie einzubringen - sei es in Form einer Praktikumsstelle, einer studentischen Nebentätigkeit, einer Projektarbeit oder einer Abschlussarbeit - der sollte unbedingt an uns herantreten und sich bei uns vorstellen", so Ronald Schirmer.
(Autorin: Anett Michael)
Mario Steinebach
14.07.2011