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Abfall aus der Mühle verbessert Verschleißeigenschaften von Kunststoffen

Die Professur Fördertechnik der TU Chemnitz hat gemeinsam mit regionalen Unternehmen ein Kunststoff-Compound entwickelt, das zu 60 Prozent aus dem nachwachsenden Rohstoff Haferspelzen besteht

  • Prof. Dr. Klaus Nendel (r.) und Kay Cramer von der Professur Fördertechnik untersuchen einen Probekörper aus dem neuen, mit 60 Prozent Haferspelzen versetzten Kunststoff an einem Reibwertprüfstand. Foto: Uwe Meinhold
  • Bei diesen Tests zeigte sich nicht nur am Bauteil aus dem mit Haferspelzen versetzten Kunststoff geringer Verschleiß, sondern auch an den Reibpartnern aus Kunststoff oder Stahl. Foto: Uwe Meinhold
  • Prof. Dr. Klaus Nendel (r.) und Kay Cramer besprechen die am Reibwertprüfstand erzielten Ergebnisse. Foto: Uwe Meinhold

Bevor ein Bäcker einen Brotlaib in den Ofen schiebt, streut er eine Hand voll Haferspelzen auf die Backfläche - das verhindert, dass der Teig kleben bleibt und anbrennt. "Andere Anwendungen für Haferspelzen gibt es derzeit allerdings nicht. Es ist ein Abfallprodukt, das nicht als Nahrungsmittel dienen und auch nicht an Tiere verfüttert werden kann", sagt Prof. Dr. Klaus Nendel, Inhaber der Professur Fördertechnik an der Technischen Universität Chemnitz. Das Vorgehen des Bäckers brachte die Chemnitzer Fördertechniker jedoch auf eine Idee, denn es zeigt, dass Haferspelzen hitzebeständiger sind als viele andere nachwachsende Rohstoffe. Diese werden in Kunststoffe eingearbeitet, um sie stabiler zu machen. "Allerdings tritt bei der Verarbeitung häufig das Problem auf, dass die nachwachsenden Rohstoffe ab etwa 160 bis 180 Grad Celsius thermisch geschädigt werden", so Nendel. Haferspelzen überstehen hingegen bis zu 220 Grad Celsius - optimal für den Einsatz in der Kunststoffverarbeitung.

Die Spelzen, die die Blüten des Korns umgeben, werden beim Hafer bereits vor dem Quetschen der Körner in der Verarbeitung ausgesondert. Zusammen mit Kunststoffen werden daraus erst ein Compound und dann Bauteile. Für deren Herstellung arbeiteten die TU-Fördertechniker mit drei Unternehmen aus der Chemnitzer Region zusammen. Die C.F. Rolle GmbH Mühle aus Waldkirchen bereitete die Haferspelzen auf, trocknete und zerkleinerte den Rohstoff. Die CKT Kunststofftechnik GmbH aus Mittweida stellte aus Spelzen und Kunststoff das Compound her; die Kunststofftechnik Weißbach GmbH aus Gornau war für die Weiterverarbeitung zu Probekörpern zuständig. Diese wurden in den Labors der TU Chemnitz umfangreich getestet.

Untersucht haben die Wissenschaftler verschiedene Kunststoffarten, unterschiedliche Körnungen der Haferspelzen, die Mischungsverhältnisse und Kennwerte für Reibung und Verschleiß sowie die mechanischen Eigenschaften. Als optimal stellte sich eine Mischung des Kunststoffes Polyethylen (PE) mit 60 Prozent Haferspelzen heraus. Deutliche Vorteile des neuen Materials zeigten sich bei Reibung und Verschleiß. Dabei tritt nicht nur am Bauteil aus dem mit Haferspelzen versetzten Kunststoff weniger Verschleiß auf, sondern auch an den Reibpartnern aus Kunststoff oder Stahl. Nachteile zeigen sich beim derzeitigen Stand der Forschung noch bei den mechanischen Eigenschaften. Die Haferspelzen stellen keine Faserverstärkung im klassischen Sinne dar. Auch bei starken Schwankungen der Luftfeuchtigkeit ist der Werkstoff nicht geeignet, da die Haferspelzen aufquellen können. "Werden die ermittelten Grenzen beachtet, lässt sich jedoch aus den Vorteilen ein deutlicher technischer Mehrwert generieren", sagt Nendel.

Da Haferspelzen als Rohstoff weniger kosten als Kunststoff, werden auch die fertigen Bauteile preiswerter sein. "Eine Kostenersparnis von rund 30 Prozent ist realistisch", so Nendel. Zudem ergeben sich Vorteile für die Umwelt: Zum einen wird Kunststoff und damit Erdöl eingespart. Zum anderen sinkt mit der Reibung auch der Energieverbrauch im Betrieb von technischen Systemen. Gleichzeitig müssen die Bauteile durch den verminderten Verschleiß seltener erneuert werden. Einsatzmöglichkeiten für das Compound bieten sich deshalb vor allem dort, wo tribologische Problemstellungen ein Einsparungspotenzial für Energie darstellen, also auch in der Fördertechnik. "Die aktuell in der Praxis verwendeten Kunststoffgleitleisten weisen ein großes Verbesserungspotenzial hinsichtlich Reibung und Verschleiß auf", so Nendel. Derzeit arbeiten die Wissenschaftler daran, statt kleiner Probekörper große Halbzeuge herzustellen. Dafür müssen sie die Fertigung vom Spritzguss auf Extrusion umstellen. Klappt dieser Sprung, kann auch eine effiziente Serienfertigung bzw. eine Markteinführung des neuartigen Werkstoffes gelingen. "Erste Unternehmen haben bereits Interesse signalisiert", sagt Nendel.

Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit rund 400.000 Euro für zwei Jahre gefördert und von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen "Otto von Guericke" e.V. betreut.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter http://www.tu-chemnitz.de/mb/FoerdTech/aew/aew_gleitleisten.php. Mehr Informationen zur Anwendung von erneuerbaren Werkstoffen finden sich unter http://www.tu-chemnitz.de/mb/FoerdTech/aew/aew_start.php.

Kontakt: Kay Cramer, Telefon 0371 531-37156, E-Mail kay.cramer@mb.tu-chemnitz.de; Prof. Dr. Klaus Nendel, Telefon 0371 531-32323, E-Mail klaus.nendel@mb.tu-chemnitz.de; Sven Eichhorn Telefon 0371 531-35851, E-Mail sven.eichhorn@mb.tu-chemnitz.de

Katharina Thehos
01.03.2012

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