An der Schnittstelle von Textil- und Kunststofftechnik
Einzigartige Stiftungsprofessur "Textile Kunststoffverbunde" wird zum 1. April 2012 an der TU Chemnitz eingerichtet - Mehrere Branchen, aber auch Studierende spüren davon einen Nutzen
Die Textiltechnik zählt zu der Großserientechnologie und bietet eine hohe Variabilität in der Anordnung der Fadenarchitektur. Auch ausgewählte Kunststoffverarbeitungsverfahren, wie die Spritzgießtechnik, erlauben es, Bauteile mit hoher Konturfreiheit in Großserie herzustellen. Es liegt demnach nah, die Textiltechnik mit der Spritzgießtechnik gezielt zu verschmelzen, um leichte Faserverbundbauteile endkonturnah und belastungsgerecht in hohen Stückzahlen herzustellen. Hier allerdings liegen die besonderen Schwierigkeiten, denn der hohe Spritzgussdruck und die hohe Zähigkeit der Thermoplastschmelze erfordern in Kombination mit den biegeschlaffen Textilien gegenüber klassischen Duroplastprozessen nicht nur besondere Werkzeugsysteme mit Positioniermechanismen, sondern auch die präzise Abstimmung der verschiedenen Prozessparameter. Um diese komplexen werkstoff- und technologieübergreifenden Fragestellungen zu klären, wird zum 1. April 2012 die Stiftungsprofessur "Textile Kunststoffverbunde" an der TU Chemnitz im Rahmen des Programms "InnoProfile-Transfer" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingerichtet.
"An der Finanzierung der Stiftungsprofessur zur Leitung einer fünfköpfigen Nachwuchsforschergruppe beteiligen sich insgesamt zehn, mehrheitlich regionale kleine und mittlere Unternehmen, die als Konsortium mit ihren technologischen Kompetenzen das fachliche Spektrum der wissenschaftlich-technischen Forschungsarbeiten des Projektes widerspiegeln", berichtet Prof. Dr.Lothar Kroll, Direktor des Instituts für Strukturleichtbau der TU Chemnitz und Direktor des An-Institutes Cetex gemeinnützige GmbH. Die an der Stiftungsprofessur beteiligten regionalen KMUs sind: Lätzsch GmbH Kunststoffverarbeitung, Kitzscher OT Thierbach; SKL Schwergewebekonfektion Lichtenstein GmbH, Oberlungwitz; ERMAFA Sondermaschinen- und Anlagenbau GmbH, Chemnitz; FIBER-TECH Products GmbH, Chemnitz; EAST-4D Carbon Technology GmbH, Dresden; GOEPFERT Werkzeug & Formenbau GmbH & Co. KG, Weimar; Albert Polenz GmbH & Co. KG, Döbeln und Spengler & Fürst GmbH Co. KG, Crimmitschau. An der Stiftungsprofessur beteiligte Großunternehmen sind ferner die führenden Maschinenbauunternehmen der Kunststoff- und Textiltechnik, KraussMaffei Technologies GmbH, München bzw. KARL MAYER MALIMO, Chemnitz.
Über eine Laufzeit von fünf Jahren stehen der Stiftungsprofessur über 3,2 Millionen Euro Drittmittel zur Verfügung. Von den Stiftern werden über 400.000 Euro bereitgestellt und das BMBF übernimmt mit insgesamt 2,8 Millionen Euro - unter anderem die Finanzierung von fünf wissenschaftlichen Mitarbeitern. Das vom Inhaber der Stiftungsprofessur geleitete Anschlussforschungsprojekt "PaFaTherm II - Mehrkomponenten-Spritzgießprozesse für strukturvariable textilverstärkte Verbundbauteile" knüpft somit direkt an das von 2006 bis 2011 geförderte InnoProfile-Projekt "PaFaTherm I - Entwicklung einer Herstellungstechnologie zur partiellen Faserhalbzeugverstärkung von thermoplastischen Spritzgussbauteilen" an. Die Gesamtzielstellung des Vorhabens fokussiert unter Verwendung neuartiger, bauteilangepasster textiler Verstärkungsstrukturen die Erforschung und Weiterentwicklung von Spritzgießtechnologien, welche mittels strategischer Vernetzung der Kooperationspartner die Grundlagen der großserientauglichen, anwendungsorientierten Herstellung kunststoffbasierter Strukturbauteile mit partieller, lokal variierender Faserverstärkung liefern. Die hocheffektive Spritzgießtechnologie wird mit Textiltechnologien "fusioniert", die hinsichtlich der Produkte und Weiterverarbeitungsprozesse auf spezifische Bauteilanforderungen ausgerichtet werden.
Die Verwertung der Forschungsarbeiten wird branchenübergreifend mit Blick auf Anwendermärkte vom Automobil- und Luftfahrzeugbau über Anlagen-, Geräte- und Maschinenbau bis hin zu Energietechnik und Bauwesen, die sich produkt- und prozessspezifisch den Herausforderungen von Energieeffizienz und Ressourcenschonung stellen müssen, angestrebt. Die bauteil- und prozessgerechte Entwicklung, Anwendung und Untersuchung ausgewählter Verfahrens- und Materialkombinationen in Verbindung mit komponentenspezifisch intensivierter Prozessintegration und kompakter Prozessautomatisierung in den beiden korrespondierenden Material- und Technologieebenen Textil und Kunststoff bilden die Eckpfeiler des erwarteten wissenschaftlich-technischen Erfolges. Gemeinsam mit den Kooperationspartnern werden auf der Forschungsplattform PaFaTherm II am Institut für Strukturleichtbau der TU Chemnitz bedarfsgerecht ausgerichtete Wertschöpfungsketten aufgebaut und technisch-technologisch untermauert. Die Vernetzung fachlicher Kompetenzen, die Interdisziplinarität der gemeinsamen Forschungsaktivitäten, die zielgerichtet installierte und zum Einsatz gebrachte Verfahrenstechnik sowie die gezielte Weitergabe gewonnener Erkenntnisse sind Garanten für den wissenschaftlich-technischen Erfolg des Vorhabens.
"Die anwendungsrelevante Erforschung und Entwicklung von Mehrkomponenten-Spritzgießprozessen mit ihrem hohen Innovationspotential für strukturvariable textilverstärkte Verbundbauteile schafft eine hervorragende Basis für die praxisnahe, bedarfsgerechte sowie technologie- und produktorientierte Nachwuchsgewinnung und Personalqualifizierung", schätzt sagt Dr. Frank Helbig, Leiter der Forschergruppe PaFaTherm I, und fügt hinzu: "Deren Erkenntnisse werden in die an der Fakultät für Maschinenbau bestehenden Studienpläne der Module Faserverbundkonstruktion, Textilverstärkte Hochleistungsbauteile, Herstellungstechnologien für faserverstärkte Kunststoffe, Integrative Leichtbautechnologien und Textile Verstärkungsstrukturen der Bachelor-/Master-Studiengänge Maschinenbau, Automobilproduktion und Systems Engineering integriert".
Kontakt: Prof. Dr. Lothar Kroll, Telefon 0371/531-35706, E-Mail lothar.kroll@mb.tu-chemnitz.de
(Autor: Dr. Frank Helbig)
Mario Steinebach
13.03.2012