Virtuelle Arbeiter nah an der Realität
Nachwuchsforschergruppe "The Smart Virtual Worker" an der TU Chemnitz entwickelt ein digitales Menschmodell für die Planung und ergonomische Bewertung von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen
Wie wird der Arbeiter an diesem Montageplatz belastet? Ist die Kiste für ihn zu schwer? Wie kann man die Arbeitsvorgänge optimieren? Diese und viele andere Fragen will die Nachwuchsforschergruppe "The Smart Virtual Worker (SVW) - Digitale Menschmodelle für die Simulation industrieller Arbeitsvorgänge" an der Technischen Universität Chemnitz zukünftig beantworten können. Hier forschen seit Januar 2012 Informatiker, Robotikexperten, Arbeitswissenschaftler und Medienpsychologen gemeinsam an der Weiterentwicklung bestehender Methoden und Werkzeuge zur Planung und ergonomischen Bewertung von Arbeitsplätzen mittels digitaler Menschmodelle.
Ziel des Projektes ist es, die aktuell nur in sehr begrenztem Maße berücksichtigten Altersfaktoren in die Modellierung des virtuellen Arbeiters einzubeziehen. Da in den nächsten zehn Jahren mit einer starken Zunahme des durchschnittlichen Erwerbsalters zu rechnen ist, stellt die Simulation von altersspezifischen Entwicklungen einen wesentlichen Bearbeitungsschwerpunkt dar. Dabei sollen unter anderem Veränderungen in der Beweglichkeit und der Wahrnehmung in das digitale Menschmodell integriert werden. Resultat dieser Forschungsarbeit soll ein Werkzeug zur besseren, altersgerechten Arbeitsplatzgestaltung sein.
"Neben der Einbeziehung von Altersfaktoren, sollen die auf den Arbeiter wirkenden Umweltfaktoren wie Licht, Klima und Lärm und die damit verbundenen psychischen Faktoren wie Emotionen in die ergonomischen Betrachtungen einbezogen werden, um bestehende Lücken in den bisherigen auf digitalen Menschmodellen basierenden Arbeitsplanungssystemen zu schließen", sagt Projektkoordinator Dr. Karsten Hilbert.
Ein weiteres Manko der aktuell verfügbaren Systeme ist, dass sie einen hohen Zeitbedarf und hohes Fachwissen zur Animation des virtuellen Werkers erfordern. Aus diesem Grund verfolgt die Nachwuchsforschergruppe den Ansatz, die Steuerung der Prozesse wie Bewegungsgenerierung und Ablaufplanung durch geeignete Algorithmen zu automatisieren. "Die Planenden erhalten somit ein Werkzeug, das schnell, einfach und effizient Varianten der Arbeitsprozess- und Arbeitsplatzgestaltung aufzeigt und sie aktiv im Planungsprozess unterstützt", ergänzt Hilbert. Besonderer Wert werde außerdem auf die benutzerfreundliche und intuitive Bedienbarkeit des Planungssystems gelegt. "Diese Merkmale des zu entwickelnden Systems machen den Einsatz in klein- und mittelständischen Unternehmen besonders attraktiv", versichert der Projektkoordinator. Eine Leistung des künftigen Systems solle es sein, älteren Fachkräften einen auf sie abgestimmten Arbeitsplatz zu bieten, um sie länger an ein Unternehmen binden zu können und ihren reichen Erfahrungsschatz nicht verloren gehen zu lassen. "Die Entwicklung eines solchen Planungswerkzeugs ist jedoch aufwändig und zeitintensiv, insbesondere durch die Vielschichtigkeit des virtuell abgebildeten Menschen. Unsere Gruppe betreibt in vielen Bereichen Grundlagenforschung, dabei gibt es bereits erste gute Ansätze und Entwicklungen auf allen Ebenen des künftigen Programms, und das nach nur einem halben Jahr Arbeit", so Hilbert.
Die Nachwuchsforschergruppe, deren Fortbestehen bis Ende 2014 gesichert ist, wird mit mehr als 1,5 Millionen Euro durch den Freistaat Sachsen und die Europäische Union gefördert. Eingeworben wurde das Projekt vom Interdisziplinären Kompetenzzentrum "Virtual Humans", das als Dachorganisation verschiedene Forschungsvorhaben der TU Chemnitz im Bereich "Digitale Menschmodelle" bündelt. Das Zentrum kooperiert eng mit dem Chemnitzer Unternehmen imk automotive GmbH, das eines der kommerziell erfolgreichsten Werkzeuge zur Ergonomieprüfung am deutschen Markt anbietet. Forschungskontakte zu weiteren Industriepartnern und Forschungseinrichtungen, die mit ihrem Fachwissen und Möglichkeiten das TU-Projekt unterstützen wollen, sind ständig willkommen.
Nachwuchsforschergruppe "The Smart Virtual Worker" im Internet: http://www.tu-chemnitz.de/forschung/virtual_humans/nwfg_svw/
Weitere Informationen erteilt Dr. Karsten Hilbert, Telefon 0371 531-35098, E-Mail karsten.hilbert@informatik.tu-chemnitz.de.
(Autoren: Dr. Susann Zschernitz und Jonas Martin, Schülerpraktikant in der Pressestelle)
Mario Steinebach
12.09.2012