Mit Lego-Robotern von der Kassette zum Videoarchiv
Chemnitzer Medieninformatiker präsentieren vom 5. bis 9. März 2013 auf der CeBIT ein Baukastensystem für Archivierungslösungen für die Medienbranche
Videoproduktionen wurden noch vor wenigen Jahren insbesondere auf Kassetten aufgenommen und gespeichert. Abgelöst wurden sie von kassettenlosen Videoaufzeichnungsgeräten. Was aber wird aus den alten Kassettenbeständen, die zum Beispiel in Fernseh- und Industriearchiven, an Hochschulen oder auch in Privathaushalten lagern? "Ging man ursprünglich von einer Haltbarkeit von zehn bis15 Jahren aus, zeichnet sich in Wirklichkeit eine deutlich größere Spanne von bis zu 30 Jahren ab - je nach Qualität der Lagerung", sagt Prof. Dr. Maximilian Eibl, Inhaber der Professur Medieninformatik der Technischen Universität Chemnitz. Sicher aber sei: "Die alten Kassettenformate werden in absehbarer Zeit zerstört sein." Die Chemnitzer Medieninformatiker arbeiten deshalb an Lösungen, um audiovisuelles Material nicht nur zu retten, sondern auch für die Weiterverwendung - beispielsweise für Online-Videos oder das Versenden digitaler Fernsehbeiträge zwischen Lokalfernsehsendern - aufzubereiten. Dazu gehören neben der Digitalisierung auch die automatische Anreicherung mit Beschreibungsdaten sowie die Integration in eine Suchmaschine. Die Lösungsansätze sind dabei als Baukastensystem konzipiert. Die Chemnitzer Forschergruppe stellt ihr Projekt vom 5. bis 9. März 2013 auf der CeBIT in Hannover (Halle 9, Gemeinschaftstand "Forschung für die Zukunft", Stand A10) vor.
Die zentralen Bausteine bilden zwei miteinander kooperierende softwarebasierte Frameworks AMOPA und Xtrieval, die die vollständige Verarbeitung audiovisueller Medien ermöglichen. AMOPA (Automated Moving Picture Annotator) extrahiert automatisiert aus beliebigen Audio- und Videodateien beschreibende Daten, sogenannte Metadaten. Dazu gehört neben Personen auch die Erkennung von eingeblendeten Texten sowie Informationen zum Sprecher und zum Gesprochenen. Diese Daten können anschließend mit dem zweiten Baustein namens Xtrieval (Extensible Retrieval and Evaluation Framework) durchsucht werden, was besonders für Recherchezwecke geeignet ist.
Beide Komponenten wurden nun in einer durchgehenden "Digitalisierungs- und Annotationsstraße" verbunden. Komplettiert wird dieser Verbund durch einen eigens konstruierten Roboter, der die Videoplayer mit unterschiedlichen Kassettenformaten füllt. Der Roboter wurde aus etwa 10.000 Legoteilen gebaut und wird durch drei Lego Mindstorm-Einheiten gesteuert. "Die Konstruktion aus LEGO-Teilen ruft meist ein Lächeln und oft auch nostalgische Gefühle hervor. Sie ist aber nicht nur günstiger als ein Industrieroboter, sondern auch sehr flexibel", sagt Eibl. Der Roboter bedient zwölf Player der Kassettenformate S-VHS, DV/HDV und Betacam. Er holt die Kassetten aus einem Schacht, in dem die zu digitalisierenden Kassetten gesammelt sind. Danach legt er sie in das richtige Gerät ein, startet die Digitalisierung und bringt nach getaner Arbeit die Kassetten in ein Magazin. Einige Abspielgeräte haben wir vor dem Müll gerettet und nutzen sie nun, um alte Kassetten digitalisieren zu können", ergänzt Eibl. Die Digitalisierungsstation hat die erste 100-Tage-Testphase erfolgreich absolviert. Der Umfang der Digitalisate beträgt bisher etwa 1.000 Stunden und entstammt dem Lokalsender KabelJournal GmbH aus Grünhain-Beierfeld und der Chemnitzer Filmwerkstatt. Das Spektrum reicht von Kurznachrichten über Werbebeiträgen und Sportsendungen bis hin zu Filmen aus künstlerischen Bereichen.
Zu den nächsten Zielen der Chemnitzer Nachwuchsforscher gehört auch die Entwicklung eines ID-Systems, um technische Randinformationen der Videokassetten wie handgeschriebene oder aufgedruckte Titel automatisch über QR-Tags in einer Datenbank zu erfassen. Diese Daten sollen anschließend mit den inhaltlichen Daten der beiden anderen Bausteine verbunden und im praktischen Einsatz mit den Kooperationspartnern getestet werden. Für dieses Vorhaben sind die Forscher auch weiterhin auf der Suche nach Partnern, um die vorhandenen Lösungen weiterzuentwickeln, so auch auf der CeBIT.
Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Maximilian Eibl, Telefon 0371 531-25780, E-Mail eibl@informatik.tu-chemnitz.de
Mario Steinebach
21.02.2013