Vom Zuckerhut nach Chemnitz
Gefördert durch das Programm "Wissenschaft ohne Grenzen" haben vier brasilianische Stipendiaten in diesem Semester einen Gastaufenthalt an der TU Chemnitz begonnen
Nach einer monatelangen Kälteperiode freut man sich in Deutschland seit kurzem über die ersten andauernden Sonnenstrahlen. Doch wenn bereits Einheimische unter den Temperaturen der vergangenen Zeit gelitten haben, lässt sich nur erahnen, wie stark die Freude nun bei vier brasilianischen Studenten in Chemnitz sein muss. André Filipe Fernandes Bernardino, Arthur Bezerra Moreira und Flaviani Soares, das einzige Mädchen unter den Studenten, sind für einen Sprachkurs schon Anfang Januar nach Deutschland gekommen. Kurz vor Semesterbeginn trat Ioanis Joanidis, der einen vorbereitenden Deutschkurs beim Zentrum für Fremdsprachen der Universität Chemnitz belegt hat, hinzu. Die vier Studenten sind Stipendiaten des von der brasilianischen Regierung ins Leben gerufenen Programms "Ciência sem Fronteiras" - CsF ("Wissenschaft ohne Grenzen"). Für einen Gastaufenthalt werden die Brasilianer zwei Semester lang an der Fakultät für Maschinenbau studieren im Fachbereich Fabrikplanung und Fabrikbetrieb, der unter der Leitung von Prof. Dr. Egon Müller steht.
Innerhalb des CsF-Programms mussten die jungen Studenten zunächst ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen. Am Ende durften sich die Brasilianer jedoch selbst über das Portal "CsF-Alemanha" für eine von drei angebotenen Professuren der TU Chemnitz entscheiden und trafen mit "Fabrikplanung und Fabrikbetrieb" alle die gleiche Wahl. Damit ging es für sie vom tropischen Heimatklima ins eisige Deutschland. "Wir wurden mit einem Temperaturunterschied von knapp 30 Grad willkommen geheißen. Arthur, Flaviani und ich haben uns aber sehr über den Schnee gefreut. Ich habe dann sogar einmal davon gekostet", gibt Industrial Engineering-Student Arthur Bezerra Moreira zu, der wie die anderen zum aller ersten Mal in seinem Leben Schnee gesehen hat. Nach den ersten Wochen in Deutschland bewiesen Bezerra Moreira und die anderen beiden sogar Mut und probierten sich bereits im Skifahren und Snowboarden. Die zahlreichen Strände seiner Heimatstadt Fortaleza, aus der ebenfalls Fernandes Bernardino stammt, vermisst er etwas. Ihn und die anderen drei verbindet in Deutschland jedoch ein gleiches Ziel: Sie alle wollen hier neben Sprachkenntnissen vor allem Referenzen erwerben und sich deutsches Know-how im Bereich des Fabrikwesens aneignen. Mechanical Engineering-Student Ioanis Joanidis formuliert es so: "Ein Auslandsaufenthalt in Deutschland ist für einen Ingenieur äußerst wichtig. In Brasilien gibt es viele VW- und Audi-Werke. Nach Ende des Gastaufenthaltes kehre ich wieder zurück nach Hause und erhoffe mir später eine gute Position bei VW. Außerdem möchte ich die Entwicklung meines Landes mit dem erworbenen Wissen aus Deutschland vorantreiben."
Allzu großes Heimweh hegt noch keiner der vier Stipendiaten, was vielleicht auch daran liegt, dass sie sich bis jetzt sehr willkommen in Deutschland fühlen, wie Flaviani Soares versichert. Mit einem Schmunzeln fügt Ioanis Joanidis hinzu: "Sobald die Leute erfahren, dass wir Brasilianer sind, scheint es, als wären sie sogar noch freundlicher zu uns." Eine gute Gelegenheit neue Leute kennen zu lernen, hatten die brasilianischen Studenten bereits schon vor dem Semesterstart: "Wir waren in Chemnitz vor ein paar Tagen unterwegs und haben im `Brauclub´ und im `Flower Power´ gefeiert. Dabei haben wir auch ein paar Deutsche kennen gelernt, mit denen wir uns obendrein in perfektem Portugiesisch unterhalten konnten", so André Filipe Fernandes Bernardino.
Doch auch an der Professur für Fabrikplanung und Fabrikbetrieb freut man sich über die Studierenden. Dr. Jens Schütze, Mentor der brasilianischen Stipendiaten an der TU Chemnitz, berichtet: "Wir an der Professur sind sehr erfreut darüber, dass sich gleich alle vier Studenten für das Studium in unserem Fachbereich entschlossen haben. Zudem wirken sie äußerst motiviert Deutsch zu lernen und erwecken einen wirklich zielstrebigen Eindruck. Ab dem Wintersemester 2013/2014 erwarten wir 15 weitere CsF-Stipendiaten, die sich ebenfalls für den Studiengang Systems Engineering entschieden haben. In Brasilien ist Chemnitz - wenn überhaupt - nur für Michael Ballack bekannt. Dies wird sich jetzt durch die zunehmende Anzahl brasilianischer Studierender an der TU Chemnitz etwas ändern."
(Autorin: Laura Richter)
Katharina Thehos
16.04.2013