Zeit und Raum für den natürlichen Bewegungsdrang
Sportwissenschaftler der TU Chemnitz starten ein europaweites Interventionsprogramm – Motorische Untersuchungen bei Chemnitzer Erst- und Viertklässlern werden fortgesetzt
Studien belegen, dass 80 Prozent der schulpflichtigen Kinder sich ausschließlich in der Schule körperlich betätigen, obwohl sie mindestens eine Stunde am Tag körperlicher Aktivität nachgehen sollten. Sportwissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz haben es sich zur Aufgabe gemacht, Voraussetzungen für ein lebenslanges Sporttreiben zu schaffen. Aktuell haben sie das Projekt KIM „Kids in Motion“ gestartet. Es wird durch das europaweite Förderprogramm COMENIUS Lebenslanges Lernen unterstützt. „Im Rahmen dieses EU-Projektes führen wir ein Interventionsprogramm für alle Kinder in der vierten Klasse durch“, erklärt Anke Otto von der Professur Sportmedizin/-biologie der TU Chemnitz und begründet: „Erwiesen ist, dass Kinder mit hohem natürlichem Bewegungsdrang im normalen Schulalltag selten Zeit und Raum finden, um ihre Fähigkeiten zu entfalten. Die gezielte Suche nach ihren sportlichen Neigungen und Interessen im Grundschulalter ist das übergeordnete Ziel des KIM-Projektes.“ Das Projekt wird in Chemnitz und Köln sowie in Tschechien, Spanien und Slowenien durchgeführt; beteiligt ist an jedem Standort eine Grundschule.
Die Sportwissenschaftler der TU Chemnitz betreuen das Projekt im Schuljahr 2014/2015 an der Pestalozzi-Grundschule in Schneeberg. Hand-, Basket-, Volley- und Fußball stehen für die Viertklässler ebenso im Angebot wie Hockey, Tennis, Tischtennis, Athletik, Turnen und Tanzen. Bis zu 25 Kinder können an dem Programm teilnehmen, das auf freiwilliger Basis am Nachmittag stattfindet. Ein Schuljahr lang probieren die Kinder die zehn Sportarten aus. Anschließend geben die Sportwissenschaftler eine Empfehlung, welche Sportart zum Kind passt und künftig intensiver betrieben werden sollte. „Unser Projekt grenzt sich bewusst von einer Talentförderung ab, die Kinder nur für den Spitzensport entdecken will und von Anfang an Leistungs- und Erfolgsdruck vermittelt“, sagt Otto. „Wir wollen die zeit- und kostenaufwändigen Versuche der Eltern minimieren, aus eigener Kraft den richtigen Sportverein für ihr Kind zu finden – das sogenannte Vereinshopping“, so die Sportwissenschaftlerin weiter. Die eigenständige und selbstverantwortliche Entscheidung der Kinder werde gefördert: „Die Schüler erhalten die Möglichkeit, Sportarten miteinander zu vergleichen, ihre Neigungen sowie den Spaß an der jeweiligen Sportart selbst festzustellen, bevor sie vom Medienkonsum, dem sozialen Umfeld und anderen Faktoren in ihrer Entscheidung beeinflusst werden“, erklärt Otto und ergänzt: „Der Zulauf von Mitgliedern bei den ortsansässigen Sportvereinen ist das Ziel und stellt einen integralen Bestandteil des Konzeptes dar.“
Der KOMPASS weist den Weg zu mehr Sport
KIM baut auf dem Projekt „Komplexe Allgemeine Schuluntersuchung“, kurz KOMPASS, auf, in dem die Sportwissenschaftler der TU Chemnitz seit vier Jahren gemeinsam mit dem Gesundheitsamt der Stadt die Fitness und Gesundheit Chemnitzer Erstklässler untersuchen. Ab März 2014 wurde dieses Projekt erweitert: Um das gesunde Aufwachsen der Chemnitzer Schüler über den Schulanfang hinaus zu verfolgen, setzt das Projektteam die Untersuchungen in den vierten Klassen fort. Eine weitere Untersuchung in der Klassenstufe 9 ist ab dem Schuljahr 2018/2019 vorgesehen. In 38 Grundschulen, in denen 2010 bereits die Erstklässler getestet wurden, beteiligten sich die Kinder, die mittlerweile im vierten Schuljahr sind, erneut. „Im Vordergrund stehen auch bei dieser Datenerhebung die motorische Leistungsfähigkeit der Kinder und eine wiederholte Elternbefragung zum Bewegungs- und Freizeitverhalten der Familie, die um die Datensätze der Schulgesundheitspflege des Gesundheitsamtes ergänzt werden“, erläutert Dr. Janine Oelze, die das Projekt an der Professur Sportmedizin/-biologie betreut. Durch diese Längsschnitterhebungen können die Sportwissenschaftler den Entwicklungsstand der Kinder über die Grundschulzeit hinweg vergleichen. „Damit leisten wir an der Professur Sportmedizin/-biologie der TU Chemnitz unter Leitung von Prof. Dr. Henry Schulz gemeinsam mit der Abteilung Gesundheitsförderung des Gesundheitsamtes einen effektiven Beitrag zum gesunden Aufwachsen der Kinder in Chemnitz“, schätzt Oelze ein.
Auch die Kinder, die im September 2014 in die erste Klasse starten, werden in die Studie einbezogen. Die Befragung der Eltern ist bereits abgeschlossen; zu Beginn des neuen Schuljahres untersuchen die Sportwissenschaftler die Erstklässler hinsichtlich ihrer motorischen Leistungsfähigkeit. Ab März 2015 werden zudem die Viertklässler untersucht, die bereits im Jahr 2011 als Schulanfänger am Projekt KOMPASS teilnahmen. „Insgesamt brachte die Auswertung der Datensätze von bislang mehr als 5.600 Chemnitzer Schulanfängern keine besorgniserregenden Ergebnisse“, fasst Oelze zusammen und betont: „Dennoch steht die lebenslange Gesundheitsförderung der Kinder für uns an erster Stelle.“
Ansprechpartnerin für das Projekt KIM ist Anke Otto, Telefon 0371 531-34612, E-Mail anke.otto@hsw.tu-chemnitz.de.
Ansprechpartnerin für das Projekt KOMPASS ist Dr. Janine Oelze, Telefon 0371 531-39263, E-Mail janine.oelze@hsw.tu-chemnitz.de.
Katharina Thehos
30.07.2014