Hochspannungsgeladen beginnt ein neues Mentoring-Semester
Das Projekt „Girls´ Tandem“ startete mit sieben Schülerinnen-Studentinnen-Paaren ins Wintersemester 2014/2015
Bereits als Schülerin den regulären Vorlesungsalltag einer MINT-Studentin mitzuerleben, hätten sich bestimmt nicht wenige Studienanfängerinnen gewünscht. Umso größer ist die Begeisterung der elf Gymnasiastinnen, die im Rahmen des Projekts „Girls´ Tandem“ die an der TU Chemnitz die Universitätswelt rund um Technik und Naturwissenschaften in den kommenden sechs Monaten gezeigt bekommen. Zur Auftaktveranstaltung vergangenen Samstag lernten die Schülerinnen der 9. bis 12. Klassen aus Chemnitz und Umgebung ihre jeweilige Mentorin kennen und konnten bereits erste Campus-Erfahrungen sammeln. Nach einer Begrüßung durch die Projektkoordinatorin Mira Weihe wartete ein abwechslungsreiches Programm auf die Teilnehmerinnen. So hatten die Gymnasiastinnen auf einer Campus-Tour einerseits die Möglichkeit ihren potentiellen zukünftigen Studienort mit all seinen Vorlesungs- und Laborräumen zu erkunden, während die Studentinnen, ihre zweite Tandemhälfte die so vertraut wirkende Studienumgebung einmal mit anderen Augen wahrnahmen.
Den Höhepunkt des Rundgangs bildete eine Führung durch das mit vielfältiger Prüftechnik ausgestattete Hochspannungslabor der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Chemnitz, in dem Messungen von hohen Gleich-, Wechsel- und Impulsspannungen sowie Untersuchungen des Durchschlagverhaltens von Funkenstrecken durchgeführt werden. Die „Girls´ Tandems“ konnten dabei unter anderem der Frage auf den Grund gehen, wie ein Blitz entsteht. Die genaue Funktionsweise des Stoßspannungsgenerators, der Blitzstoß- und Schaltstoßspannungen bis 600.000 Volt erzeugt, erläuterte Jens Teuscher, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Professur für Energie- und Hochspannungstechnik. Ein automatisches Wechselspannungsprüfsystem für Spannungen bis 200.000 Volt sowie ein Bausteinsystem zur Erzeugung von Gleich-, Wechsel- und Stoßspannungen bis 100.000 Volt entfachte bei den Mentoring-Paaren vollends die Begeisterung für Elektrotechnik. „Die Versuche waren sehr interessant, vor allem ist das etwas, das man nicht jeden Tag sieht. Wir fanden es auch ziemlich beeindruckend, wie groß die einzelnen Bauelemente sind und wie viel Energie da übertragen wird. In der Schule versucht man das zwar in der Theorie nachzuvollziehen, aber experimentell können wir das dort gar nicht gezeigt bekommen“, resümiert die Schülerin Verena Herlt, deren Mentorin E-Technik studiert. Doch dass dieser Studiengang noch einiges mehr bereithält, durften die Teilnehmerinnen beim Blick in ein Elektroauto erfahren. In dem Zusammenhang stellten sie fest, wie sehr sich der Aufbau des E-Smarts von herkömmlichen Fahrzeugen unterscheidet und wie der Motor im Zusammenspiel mit Steuerungs- und Regelungstechnik funktioniert. Zudem erhielten sie eine Vorstellung davon, vor welchen Herausforderungen Elektrotechniker in der Forschung stehen und wie einzelne Fachrichtungen bei der Entwicklung eines E-Autos zusammenarbeiten.
„Girls´ Tandem hat sich zum Ziel gesetzt, aufzuzeigen, wie spannend ein naturwissenschaftlich-technisches Studium sein kann und welche Tätigkeitsfelder sich daraus ergeben. Dass es in jedem Semester eine wachsende Zahl von Tandems gibt, zeigt uns, dass das Projekt in den Gymnasien von Chemnitz und Umgebung angekommen ist und vor allem gut angenommen wird. Und vielleicht können wir auch bald mehr Studentinnen begrüßen, die durch das Schülerinnen-Mentoring-Projekt den Zugang zu einem der MINT-Fächer gefunden haben und uns dann selbst wieder als Mentorin unterstützen wollen“, so Karla Kebsch, Projektleiterin und Zentrale Gleichstellungsbeauftragte. Mentorinnen bringen ihren Mentees allerdings MINT-Studiengänge und damit einhergehende Berufsfelder nicht in Form einer Studienberatung näher, sondern führen sie an den Studienalltag mit Vorlesungsbesuchen sowie Praktika heran und finden mit ihnen gemeinsam heraus, welchen Weg sie mit ihren Interessen und Talenten einschlagen könnten. Aus dieser Motivation heraus hat sich auch die Meißner Gymnasiastin Lisa Zienert entschlossen, an dem Projekt teilzunehmen: „Ich interessiere mich besonders für Mathematik und da ich später einmal im Wirtschaftsbereich arbeiten möchte, ist Wirtschaftsmathematik das, woran ich im ersten Moment gedacht habe. Ich weiß allerdings noch nicht, was mich genau in dem Studiengang erwartet und ob ich mir das wirklich zutraue. Deshalb würde ich gern erste Vorlesungen besuchen, um mir das einmal anzuschauen und darüber in Austausch treten, wie das Studium aufgebaut ist und was ich da lernen würde. Am Ende möchte ich dann für mich entscheiden können, ob es das Richtige ist oder nicht.“ Lisa und ihre Mentorin haben auch bereits Pläne für ihr erstes gemeinsames Treffen geschmiedet, das im Rahmen der Herbstuniversität an der TU Chemnitz stattfinden soll.
Der Anteil an Frauen in MINT-Fächern an der TU Chemnitz ist nach wie vor gering, weshalb es umso wichtiger erscheint, Schülerinnen in ihren naturwissenschaftlich-technischen Selbstbewusstsein zu stärken und zu ermutigen, ein Studium in diesem Bereich aufzunehmen. „Generell werden Naturwissenschaften immer als Männerdomäne abgestempelt und schon in meinem Bio-Leistungskurs in der Schule gab es sehr viele Männer. Dort habe ich aber bereits gemerkt, dass auch gerade Frauen großes Interesse haben und sie einfach näher an Naturwissenschaften herangeführt werden sollten. Das gleiche wurde mir auch im Studium noch einmal bewusst. Frauen können z.B. ebenfalls Physik studieren und sind dabei sogar teilweise besser als Männer. Diese Erfahrung würde ich gern weitergeben, weshalb ich als Mentorin an Girls´ Tandem teilnehme“, erklärt die Studentin Alexa Karp.
Seit acht Jahren bietet das am Zentrum für Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung ansässige Projekt Schülerinnen praxisorientierte Einblicke in MINT-Disziplinen. Besonders in den vergangenen Semestern erfreute sich „Girls´ Tandem“ immer größer werdenden Zuspruches. Anmeldungen für das Sommersemester 2015 sind auch bereits jetzt schon wieder möglich.
Weitere Informationen: http://www.tu-chemnitz.de/girlstandem
(Autorin: Beatrice Berthel)
Mario Steinebach
13.10.2014