Die eigenen Ideen voranbringen und umsetzen
Elf Fragen an Jun.-Prof. Dr. Mario Geißler, der seit Dezember 2013 Inhaber der Juniorprofessur Entrepreneurship in Gründung und Nachfolge ist
Jun.-Prof. Dr. Mario Geißler (34) ist seit Dezember 2013 Inhaber der von der Sparkasse Chemnitz gestifteten Juniorprofessur Entrepreneurship in Gründung und Nachfolge an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. In elf Antworten gibt er den Lesern von „Uni aktuell“ Einblicke in seinen Werdegang, seine Ziele und seine Zeit in Chemnitz.
Was versteht man unter Entrepreneurship und wer ist ein Entrepreneur?
Entrepreneurship, im Deutschen mit Unternehmertum übersetzt, bezieht sich auf innovative Unternehmensgründungen. Entrepreneure sind Personen, die neue Geschäftsmöglichkeiten entdecken, bewerten und umsetzen. Häufig hinterfragen sie Traditionelles und geben sich nicht mit Bestehendem zufrieden. Entrepreneurship erstreckt sich aber nicht nur auf den High-Tech-Sektor. Auch im sozialen Bereich können wir auf Entrepreneure stoßen, die gesellschaftliche Probleme durch neue Ansätze nachhaltig lösen. Hier spricht man dann von Social Entrepreneurship.
Die TU Chemnitz ist für mich als Juniorprofessor die richtige Wahl, weil…
... man hier viele Entfaltungsmöglichkeiten hat. Gerade auch beim Thema Entrepreneurship gibt es für mich an der TU viele Möglichkeiten zur Kooperation und gemeinsamen Projektarbeit. So habe ich im letzten Semester mit der Professur Textile Technologien einen gemeinsamen Workshop angeboten, der uns alle begeistert und voran gebracht hat. Ebenso starten jetzt mit dem Gründernetzwerk SAXEED am Zentrum für Wissens- und Technologietransfer spannende Projekte, mit denen wir den Gründungsgedanken gemeinsam Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitern näher bringen.
Stellen Sie uns kurz Ihre akademische Laufbahn vor.
Ich habe an der TU Chemnitz Wirtschaftswissenschaften studiert und danach für das Gründernetzwerk SAXEED gearbeitet. Hier bin ich mit vielen Unternehmensgründern in Kontakt gekommen. Parallel habe ich zur Förderung von Unternehmensgründungen im Hochschulumfeld promoviert. Bevor ich den Ruf auf die Stiftungsjuniorprofessur erhielt, habe ich gemeinsam mit einem kleinen Team und in enger Zusammenarbeit mit zahlreichen Vertretern der Wirtschaft eine innovative Zusatzqualifikation zum Thema Unternehmensnachfolge entwickelt und an der TU Chemnitz über mehrere Semester hinweg angeboten.
Beschreiben Sie Ihre Studienzeit in maximal 15 Worten.
Die Suche nach dem, was mich wirklich begeistert und mir Spaß macht.
Hatten Sie während Ihrer Studienzeit Vorbilder, die Sie zur wissenschaftlichen Karriere ermutigt haben?
Ja, es gab vor allem einige Personen, bei denen ich gesehen habe, dass eine wissenschaftliche Karriere auch eine große Erfüllung bedeuten kann.
Was geben Sie jungen Studierenden und Absolventen mit auf den Weg?
Sie sollten die Zeit nutzen, um mehr über sich zu erfahren. Wofür können sie Leidenschaft entwickeln, was fällt ihnen einfach, was fordert sie, wo liegen breitgefächert ihre Interessen und Fähigkeiten. Das kann auch bedeuten, sich einmal außerhalb des eigenen Studienfaches umzuschauen, sich in Vereinen zu engagieren und Einblicke aus unterschiedlichen Perspektiven zu erhalten. Unter dem Strich bedeutet das für mich: neugierig und offen zu sein und ein gewisses Maß an Leistungswillen mitzubringen.
Was möchten Sie künftig in der Lehre erreichen?
Engagierte Unternehmer können mit ihren Visionen große Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft anstoßen. An unserer Hochschule finden wir in allen Fakultäten kreative Köpfe, die Bestehendes hinterfragen und vielversprechende Idee haben. Es begeistert mich, welche Ideen Studenten haben und welche tollen Unternehmen daraus entstehen können. Doch es stimmt mich gleichzeitig auch traurig, wenn ich mitbekomme, dass wirklich gute Ideen nicht umgesetzt und noch nicht einmal auf ihre Möglichkeiten hin getestet werden. Oder wenn Studenten von sich behaupten, nicht kreativ zu sein. Daher möchte ich Studierenden das notwendige Rüstzeug an die Hand geben, um eigene Ideen zu entwickeln, diese zu testen und diese, wenn die Umstände passen, auch umzusetzen. Das muss nicht nur im High-Tech-Bereich sein, sondern kann auch Felder betreffen wie soziales Unternehmertum oder das Engagement im Verein. Daher unterstütze ich auch immer gern studentische Vereine, wenn sie mit Herausforderungen an mich herantreten.
Welche Impulse setzen Sie in der Forschung an der TU Chemnitz?
Ich beschäftige mich einerseits mit den Grundlagen des Gründungsprozesses. Dazu gehört es, zu verstehen, was Personen dazu treibt, sich selbstständig zu machen und was sie davon abhält. Das beinhaltet auch die Rolle eines gründungsfördernden Umfeldes, wie beispielsweise die Hochschule bei Studenten, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Professoren. Wenn wir diesen Prozess besser verstehen, ist es auch möglich, das Thema noch stärker auf die Agenda zu heben und die Bereitschaft zur eigenen unternehmerischen Selbstständigkeit zu erhöhen. Andererseits will ich dazu beitragen, mehr Verständnis darüber zu entwickeln, wieso sich einige langjährige Unternehmer nicht von ihrem Unternehmen trennen und eine Unternehmensnachfolge auf die lange Bank schieben. Denn strategisch angepackt, kann der Generationswechsel im Unternehmen ganz neue Potenziale freilegen. Das ist von hoher wirtschaftlicher Bedeutung, bedenkt man, dass deutschlandweit jährlich rund 27.000 profitable Unternehmen vor der Übergabe stehen. Verschiedene Studien zeigen aber beispielsweise, dass mehr als die Hälfte aller ratsuchenden Unternehmer sich zu spät mit der eigenen Nachfolge auseinandersetzt, das begrenzt dann natürlich die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Nachfolge.
Es gibt rund 45.000 Professoren an deutschen Hochschulen. Was hebt Sie ab?
Ob ich mich abhebe, weiß ich nicht. Ich denke aber, dass viele, die diesen Weg einschlagen, für ein Thema brennen und dieses nachhaltig gestalten wollen. So geht es mir mit Entrepreneurship, dem tiefen Verständnis dieses Phänomens und dessen Förderung.
Welchen Ort in Chemnitz zeigen Sie Gästen am liebsten?
Hier gibt es viele Orte, die ich sehr schätze. Gern empfehle ich die Kunstsammlungen am Theaterplatz, das Industriemuseum und das Museum Gunzenhauser. Hier kann man auch sehr schön erleben, welche positive Kraft Unternehmer für die Stadt Chemnitz hatten und haben. Dazu gebe ich immer eine kleine Stadtführung mit Hintergrundinformationen. Beispielsweise: Was hat es mit dem Loch am Roten Turm auf sich und wieso stehen am Eingang der Klosterstraße diese Pinguine?
Wie bringen Sie sich ins Leben der Stadt ein?
Ich habe lange Zeit mit Freunden und meiner Frau die Jungen Freunde der Kunstsammlungen Chemnitz als Vereinsteil des Fördervereins der Chemnitzer Kunstsammlungen aufgebaut. Damit haben wir eine Anlaufstelle für junge kunstinteressierte Chemnitzer geschaffen, die sich mit Gleichgesinnten austauschen und Kunst in Chemnitz entdecken wollen. Eines der Highlights war immer eine jährliche Party im Museum Gunzenhauser oder den Kunstsammlungen. Seit 15 Monaten habe ich einen Sohn, der mich nach der Arbeit voll in Beschlag nimmt und die Zeit für aktives Engagement ist rar geworden. Daher haben wir erst einmal die Seiten gewechselt und gehen zu den vielfältigen Angeboten, ohne sie zu organisieren.
Weitere Informationen zur Professur: https://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/egn/startseite/
Mario Steinebach
03.09.2015