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Stadt und Bürger werden zum „lebendigen Labor“

Wie wollen wir in vernetzten Zeiten miteinander leben? Diese Frage diskutieren im Juni Forscher der Fakultät für Informatik der TU mit Bürgern in einem Chemnitzer Ladengeschäft in der Rathaus-Passage

Längst sind nicht mehr nur Computer mit dem Internet verbunden. Auch Smartphones, Tablets, viele Haushaltsgegenstände und smarte Uhren sind heute im “Internet der Dinge” vernetzt. Und damit ist noch lange nicht Schluss. „Mittlerweile könnte jedes Objekt in unseren Wohnungen vom Briefkasten bis zur Matratze smart gemacht, also mit dem Internet oder direkt miteinander verbunden werden“, meint Dr. Arne Berger von der Professur Medieninformatik der Technischen Universität Chemnitz. Er leitet die Nachwuchsforschergruppe „Miteinander“, die nun herausfinden will, wie vernetzte Dinge helfen können, Kommunikation unter Berücksichtigung des demografischen Wandels in unserer Gesellschaft zu fördern. „Die technische Herausforderung besteht darin, die unterschiedlichen Endgeräte in Wohnhaus und Netzwerk flexibel zu integrieren. Dazu zählen klassische Applikationen wie der mit dem Internet verbundene Fernseher genauso wie die gerade populär werdenden Fitnessarmbänder“, sagt Berger. Beispielsweise könnte ein Rollstuhl eine zurückgelegte Strecke kommunizieren oder der Briefkasten des verreisten Nachbarn seinen Füllstand angeben. „Ziel solcher Netzwerke im Wohnumfeld muss es sein, dass Bürger sicher und vertrauensvoll miteinander kommunizieren können, um sich auszutauschen, einander zu helfen oder gemeinsam aktiv zu werden“, sagt Berger. Unterstützt wird das Chemnitzer Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

In der Chemnitzer Nachwuchsforschergruppe arbeiten zwei Designer, ein Ingenieurwissenschaftler, zwei Informatiker und ein Soziologe Hand in Hand. Sie suchen in den kommenden Wochen den engen Kontakt zu Bürgern in Chemnitz. Im Mittelpunkt steht dabei das kommunikative Miteinander in Wohnhäusern und Nachbarschaften. Auf welchen Wegen kommunizieren die Chemnitzer mit ihren Nachbarn, was wollen sie künftig anders machen, welche technischen Hilfsmittel wollen sie nutzen? Welche Daten - wie beispielsweise Wetter- und Umweltdaten - über ihre Stadt wären dabei hilfreich? Welche Informationen aus ihrem privaten Alltag würden sie ihren Nachbarn preisgeben, welche lieber nicht? „Derartige Fragen sind wichtig, um Menschen mit ihren Bedürfnissen an unserem Forschungsprozess zu beteiligen, anstatt Technik nur um der Technik Willen zu entwickeln oder einzusetzen“, sagt Berger. Um dabei möglichst nah an die Bürger der Stadt und der Region heranzukommen, verlassen die Nachwuchsforscher die TU und gehen in die City.

Bis zum 30. Juni 2016 richten sie in der Webergasse 1 in der „Rathaus-Passage“ (Ecke Jakobikirchplatz) ein sogenanntes „Living Lab“ („lebendiges Labor“) ein. Die Nachwuchsforscher laden in diesem etwas anderen Ladengeschäft zu Gruppendiskussionen ein, bieten Besuchern aber auch an, gemeinsam neueste Technik aus dem Bereich „Internet der Dinge“ auszuprobieren. „Mit Hilfe von Designmethoden, bei denen auch mal Legohäuser zum Einsatz kommen, wollen wir im Labor spielerisch Szenarien von gutem und schlechtem Zusammenleben entwickeln“, berichtet Projektkoordinator Andreas Bischof. Dazu gehört auch das Foto-Projekt „Zeig uns Deine Stadt“, durch das selbst das Schaufenster des Ladengeschäfts zur modernen Kommunikationsfläche wird. Für dieses Projekt sind die Chemnitzer Bürger aufgerufen, Orte und Momente ihrer Stadt festzuhalten. Diese Bilder von zum Beispiel als besonders gesellig oder gar als abstoßend oder gefährlich wahrgenommen Plätzen werden anschließend auf einem digitalen Multi-Touch-Tisch zu kleinen Chemnitz-Ansichten zusammengefügt - Regie führen dabei die Teilnehmer. Ein weiteres Highlight des Labors ist zudem der „Technik-Nachmittag für Senioren“, bei dem digitale Technik von Anfängern in praktischer Handarbeit gelötet und programmiert werden kann. Wer gemeinsam mit den Forschern die Rolle von Technik in unserer Gesellschaft reflektieren will, kann auch die „Philosophische Technik-Sprechstunde“ am 29. Juni 2016 von 10 bis 13 Uhr mit Dr. Hanno Sauer von der Universität Duisburg-Essen besuchen.

Zudem halten die Nachwuchsforscher mehrere Vorträge über die Möglichkeiten des „Internets der Dinge“ und holen darüber hinaus weitere Experten aus den Bereichen Stadtforschung und Technikentwicklung nach Chemnitz. Ein fortlaufend aktualisiertes Programm und die Labor-Öffnungszeiten finden sich unter http://nebeneinander-miteinander.de oder auf der Facebook-Seite der Forschergruppe (http://facebook.com/miteinanderTUC).

Eingeladen ins „lebendige Labor“ sind Interessenten jeden Alters. Das Programm ermöglicht unterschiedliche Formen der Teilnahme - von Zuhören über Reinschnuppern bis selbst Hand anlegen. Besuche ohne Voranmeldung sind dienstags und donnerstags von 12 bis 18 Uhr und mittwochs von 10 bis 18 Uhr sowie zu den öffentlichen Vorträgen möglich. Wer an den nicht-öffentlichen Gruppendiskussionen oder Kursen teilnehmen möchte – ob allein, in Familie, mit Freunden oder Nachbarn – kann sich über eine E-Mail an teilnahme@nebeneinander-miteinander.de anmelden oder den Koordinator Andreas Bischof unter 0371 531-32515 anrufen.

Ein TV-Beitrag von CHEMNITZ FERNSEHEN findet sich hier.

Mario Steinebach
03.06.2016

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